Fröhliches Rutenschlagen zu Ostermontag
In vielen Gegenden Tschechiens lebt der Brauch, dass am Ostermontag die Herren mit Weidenruten auf den Allerwertesten der Damenwelt klopfen. Was es damit auf sich hat, und wie die heutige Jugend des Landes zu dieser Tradition steht, dazu im Folgenden mehr.
„Die erste Bedeutung ist der feierliche Rundgang, bei dem die Jungs mit den Osterruten durch den Ort ziehen und die Mädchen schlagen. Pomlázka heißt aber auch die Osterrute selbst, in dem Sinn wird der Begriff bei uns hierzulande am häufigsten gebraucht. Und als Drittes ist pomlázka noch die Bezeichnung für das Lied, das die Jungs bei dem Brauch singen und die Belohnung, die sie dafür erhalten. Manchmal wird der Begriff auch für eines der Ostergerichte übernommen.“
Das Austeilen der Schläge heißt auf Tschechisch „šlehání“, also peitschen. Für Ausländer ist das zunächst meist ein Rätsel, wenn nicht sogar ein Grund zur Entrüstung: Männer schlagen Frauen und werden von diesen dann auch noch dafür belohnt – meist mit Ostereiern oder Schnaps.Bis heute ist diese Tradition beliebt, dies zeigt auch eine kleine Umfrage von Radio Prag an einem Gymnasium in Prag mit Schwerpunktsprache Deutsch. Aber etwa Jan, einer der interviewten Schüler, sagt auch:
„Das letzte Mal, dass ich mit der Osterrute gegangen bin, war vielleicht vor zehn Jahren. Mein Bruder und ich sind dann von Haus zu Haus gezogen, haben ein Osterlied gesungen und die Mädchen sanft mit der Osterrute geschlagen. Dafür haben wir bunt bemalte Eier und etwas Süßes bekommen.“
Akt der Verjüngung
Bei dem Brauch geht es natürlich nicht um das Schlagen an sich, sondern dieses hat eine überlieferte Bedeutung. Was genau gemeint ist, darüber gehen die Meinungen der Forscher indes auseinander.
„Am häufigsten wird der Brauch des Schlagens mit dem symbolischen Akt einer Verjüngung erklärt. Die jungen Frühlingszweige, die abgeschnitten und dann zu einer Rute geflochten werden, sollen über die Berührung ihre Frische an die Mädchen und Frauen übertragen. Es handelt sich also um so etwas wie eine magische Kraft. In den älteren Quellen wird dazu gesagt, dass dies die Mädchen und Frauen davor bewahre, faul zu sein oder zu verstauben“, so Daniela Záveská.Allerdings besteht auch ein sozialhistorischer Zusammenhang: die pomlázka im Dienste der Partnersuche, wie die Ethnologin erläutert:
„Früher diente die pomlázka ebenso für die Kontaktaufnahme junger, verliebter Menschen. Wenn ein junger Mann um die Hand einer jungen Frau anhielt, boten sich im Jahr mehrere Feiertage, um Geschenke auszutauschen. Gerade die Osterbescherung war solch eine Gelegenheit, um seine Liebe zu bezeugen. Er bekam also dann Ostereier, vor allem rote. Zudem wurden straky überreicht, das sind ausgeblasene Eier, die sehr schön verziert sind. Diese haben die jungen Frauen meist schon in der Fastenzeit vorbereitet.“
In diesem Zusammenhang sind Frauen und Mädchen auch nicht etwa vor den Schlägen der Jungs und Männer geflohen. Im Gegenteil:„Haben die Jungs ein Mädchen nicht angehalten, um es zu schlagen, dann konnte dies bedeuten, dass es in der Clique vielleicht nicht beliebt war. Das war für das Mädchen dann eher traurig. Nicht selten sind die Mädchen daher rausgegangen, um die Jungs auf sich aufmerksam zu machen und so die Schläge herauszufordern“, sagt Záveská.
Wie verhalten sich jedoch die Männer und Jungs bei diesem Brauch? Gentleman oder Grobian? Daniela Záveská wiegelt ab:
„Da habe ich persönliche Erfahrungen. Sind die Herren galant, dann tun die Schläge natürlich nicht weh. Ich hab aber auch schon Fälle erlebt, bei denen der junge Mann sich mehr ins Zeug gelegt hat. Es gibt zudem historische Belege dafür, dass etwa ein Mann so kräftig zuschlug, dass sich die Frau später darüber beschwerte. Von einer anderen Frau bekam sie aber zu hören: ‚Er hat dich halt lieb, dass er das Schlagen so ernst nimmt.‘ Nicht einmal schmerzhafte Schläge wurden unbedingt negativ bewertet.“
Einmal im Jahr kann man es aushalten
Und heute? Die jungen Tschechen und Tschechinnen sehen in dem Schlagen nichts Verwerfliches, wie die befragten Schüler bestätigen:„Der Zweck dieser Tradition ist ja nicht, die Frauen durchzuprügeln. Jede Familie hat eh die Wahl, diesem Brauch nicht zu folgen. Aber es ist eine tschechische Besonderheit. Und einmal im Jahr kann man das aushalten, wenn es doch helfen soll“, so die 17-jährige Eliška.
Jan meint wiederum dazu:
„Ich glaube, dass es eine schöne Tradition ist, weil die Mädchen ja nicht echt und kräftig geschlagen werden. Es ist mehr symbolisch. Und jedes Mädchen, das geschlagen wird, bleibt fürs ganze Jahr schön und jung.“
Im südböhmischen Písek, aus dem die Schülerin Julie herkommt, dürfen die Frauen und Mädchen in jedem Schaltjahr den Spieß umdrehen – und selbst die Osterruten schwingen. Deswegen sagt sie:„Bei dem Schlagen geht es eher um die Tradition. Manchmal tut es auch ein bisschen weh. Aber das macht nichts, weil ich mich am Schaltjahr dann rächen kann. Für mich ist das okay. Aber ich verstehe, dass manche Feministinnen ein Problem damit haben.“
Älteste Quelle aus dem 14. Jahrhundert
Wann übrigens der Brauch der „pomlázka“ entstanden ist, lässt sich heute kaum noch sagen. Immerhin stammt der erste Beleg aus dem Spätmittelalter, wie Ethnologin Záveská erzählt:
„Als älteste Quelle gilt eine Postille Prager Studenten, deren Autor Konrad Waldhauser gewesen sein soll. Die Urkunde entstand im 14. Jahrhundert. Dort wird zwar der Begriff ‚pomlázka‘ nicht direkt gebraucht, aber der Brauch ist dort beschrieben. Da Waldhauser Pfarrer war, ist die Beschreibung kirchlich eingefärbt. Auch Jan Hus hat den Brauch geschildert. Wie Waldhauser übergeht er aber die Bedeutung im Volksglauben. Er sagt, die Frauen würden ihre Männer mit Ruten schlagen, weil diese von ihnen die ehelichen Pflichten einforderten, obwohl Osterzeit sei. Mit den Schlägen würden sich die Frauen aber verteidigen.“Ab dem 19. Jahrhundert gibt es dann zahlreiche Belege und Berichte über die Osterruten in den Böhmischen Ländern. Gerade in Mähren besteht aber auch eine Variante, die ansonsten in der Slowakei gepflegt wird. Teils wird die Osterrute durch Wasser ersetzt, auch das symbolisiert Jugend und Frische. In bestimmten Regionen werden beide Bräuche sogar miteinander verbunden.
„Häufig war früher die Intention, die Mädchen richtig nasszuschütten. Nicht selten haben die Mütter dabei auch noch dabei geholfen und die Jungs ins Zimmer gelassen. Diese haben dann das ganze Bett unter Wasser gesetzt. Aber auch hier wieder: Die Mädchen waren froh, bei den Jungs beliebt zu sein und von ihnen richtig nassgemacht zu werden“, so die Ethnologin.
Allerdings fehlt in den historischen Aufzeichnungen eine Gegend: Süd- und Südwestböhmen. Daniela Záveská:
„Im 19. Jahrhundert haben dort die Jungs nur Lieder gesungen, um Ostereier zu bekommen. Ansonsten wird heute die Tradition deutlich stärker auf dem Land gepflegt als in den größeren Städten. Und regional betrachtet sind besonders in Mähren die Bräuche lebendiger.“