Rutenschlagen, Abschied vom Winter und süße Eier – eine tschechische Familie an Ostern
An Ostern bestehen hierzulande einige Bräuche, die sich etwas von jenen in Deutschland unterscheiden. Wie eine Familie hierzulande das Frühlingsfest begeht, das schildert Markéta Kachlíková im Kollegeninterview.
Markéta, zum zweiten Mal hintereinander findet Ostern im Corona-Lockdown statt. Wie traurig bist du oder ist deine Familie darüber?
„Natürlich bin ich traurig und wir sind traurig. Aber nicht nur direkt in Bezug auf Ostern, sondern allgemein. Es ist schon sehr traurig, dass das Leben seit mehr als einem Jahr praktisch gelähmt ist. Treffen in der Familie gestalten sich zum Beispiel sehr schwierig. Meine Eltern gehören zur älteren Generation und haben Angst, sich mit uns zu treffen. Eigentlich haben wir sie seit mehr als einem Jahr nicht richtig besucht. Wir treffen uns draußen oder vor der Tür, aber eigentlich waren wir nicht wirklich zusammen. Vor einigen Wochen haben wir das erste Mal die Mutter meines Mannes wieder besucht. Sie ist bereits geimpft, daher haben wir das gewagt. Es war wirklich ein starkes Erlebnis. Aber ansonsten ist die Lage eher traurig – nicht nur in Bezug auf die Eltern, sondern allgemein. Man ist wirklich isoliert und lebt nur so zum Teil.“
Um auf das Thema Ostern zurückzukommen: Gibt es bestimmte Traditionen, die Ihr zu Hause einhaltet?
„Wir halten Traditionen ein, die allgemein hierzulande gepflegt werden. Das sind vor allem die Osterrute und bunte Eier. Allerdings möchte vielleicht einen anderen Brauch erwähnen, den Freunde von uns wiederbelebt haben, als unsere Kinder klein waren. Und zwar feiern wir am vorletzten Sonntag vor Ostern den Abschied vom Winter und begrüßen den Frühling. Wir haben das wirklich jedes Jahr gemacht, mehrere Familien zusammen. Man bastelt eine Strohpuppe, sie heißt Morana beziehungsweise Mařena. Sie bekommt ein Kleid und eine Halskette aus leeren Eierschalen, die den Tod symbolisieren. Diese Puppe wird in einem Umzug herumgetragen, dabei werden Lieder gesungen, und dann wird die Puppe angezündet und ins Wasser geworfen. Wir haben sie immer in die Moldau geworfen – an einem Ort mit starker Strömung – und dann beobachtet, wie sich der Winter entfernt. Im vergangenen Jahr war das wegen Corona nicht mehr möglich, diesen Brauch gemeinsam zu pflegen. Aber die Familie, die das initiiert hat, hat das ohne uns fortgeführt.“
Wie sieht es mit dem Essen aus? Gibt es da etwas Besonderes bei euch zu Ostern?
„Im Vergleich zum Rest des Jahres ist es etwas Besonderes, im Vergleich mit anderen Familien nicht. Wir essen die traditionellen tschechischen Osterspeisen. Das heißt, ich mache einen Auflauf aus Räucherfleisch, Eiern und Kräutern. Man nennt die Speise nádivka, also Füllung, oder auch Osterköpfchen. Dann essen wir natürlich die hartgekochten Eier, die die Jungs bei ihrem Osterumgang am Ostermontag bekommen. Und auch einige süße Speisen, vor allem das Osterbrot aus Hefeteig mit Rosinen und Mandeln und auch ein süßes Osterlamm.“
Du hast schon den Brauch der Osterrute erwähnt. Kannst du ein bisschen erläutern, wie das abläuft? Wenn im Westen darüber gelesen wird, kommt meist der Vorwurf, dass dieser Brauch frauenfeindlich sei…
„Die Männer besorgen sich Osterruten aus jungen Weidenzweigen, die das Leben symbolisieren. Aus den Zweigen flechten sie praktisch einen Zopf, der mit Bändern geschmückt wird. Mit dieser Osterrute ziehen sie dann von Haus zu Haus, besuchen Frauen und Mädchen, schlagen Ihnen leicht auf den Hintern und singen ein Lied beziehungsweise sagen einen Spruch. Das soll den Frauen Schönheit und Gesundheit bringen. Für das Osterruten-Schlagen erhalten die Männer eben bunte hartgekochte Eier. Der Brauch ist aber heute nicht mehr so lebendig, vor allem in Städten. In Prag begegnet man kaum Männern und Jungs mit Osterruten, auf dem Land aber schon.“
Wie hast du Ostern in der Kindheit verbracht? Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben, und was fandst du vielleicht besonders schön damals?
„Wir haben Ostern manchmal in Prag verbracht, manchmal sind wir zu meinen Großeltern gefahren. Sie hatten ein kleines Wochenendhaus in Nordböhmen, dort hat sich dann die Familie getroffen. Das Haus war sehr klein, daher war es nicht möglich, dass immer alle zusammenkamen. Daher waren die Fahrten dorthin etwas Außergewöhnliches. Ich habe mich auf einige Sachen dort immer gefreut. Zum Beispiel haben wir im Garten nach Ostergeschenken gesucht. Das ist eigentlich keine tschechische Tradition und erinnert eher an die Eiersuche, die in Deutschland populär ist. Uns wurde ‚vom Hasen‘ immer ein Geschenk im Garten versteckt, das hat mir gefallen. Und ich habe mich auch auf die süßen Eier von meiner Oma gefreut. Ihre Spezialität war ein eierförmiges Gebäck, mit Crème gefüllt und einem weißen Zuckerguss sowie Gelée-Stücken dekoriert. Sie haben richtig süß geschmeckt, aber damals hat mir das gefallen.“
Findest du, dass sich Ostern in Tschechien seit deiner Kindheit gewandelt hat?
„Seit der politischen Wende wird hierzulande auch darüber gesprochen, dass Ostern ein christliches Fest ist. Zu kommunistischen Zeiten wurde dies verschwiegen, es war kein Thema. Das hat sich also gewandelt. Aber ansonsten würde ich sagen, dass man auf die gleich Weise die Osterfeiertage verbringt wie zu meiner Kindheit.“