Vom Karfreitagsfaden zur Weidenrute: Tschechisches Osterhandwerk

Die wohl bekannteste österliche Tradition in Tschechien ist das Rutenschlagen am Montag. In westlichen Medien wird sie meist als frauenfeindlicher Brauch geschildert, denn es sind meist Männer, die das andere Geschlecht mit den Ruten abwatschen. Dabei wurde dies früher sogar häufig gegenseitig getan. In jedem Fall ist für diesen Brauch zunächst handwerkliche Geschicklichkeit gefragt. Denn die Rute muss erst einmal geflochten werden. Aber auch weitere Gewerbe haben zu Ostern hierzulande Konjunktur. Beispiele davon wurden bei einem Markt auf Schloss Ctěnice nahe Prag gezeigt.

Die Vorbereitungen auf Ostern waren früher meist aufwändig. Schließlich ist es aus christlicher Sicht das höchste Fest des Jahres. Doch viele Bräuche haben einen eher heidnischen Ursprung. So etwa jener des Glücksfadens, der am Karfreitag in die Kleidung eingearbeitet werden soll. Auf dem Markt in Ctěnice führt Jitka Sovová diese Tradition vor:

Foto: Olga Wassinkjewitsch,  Radio Prague International

„Dieser Karfreitagsfaden wurde bereits am Ende der Spinnstuben-Zeit gesponnen. Meist ging die Saison am Aschermittwoch zu Ende. Am Karfreitag wurde dann dieser Zauberfaden in die Kleidung entweder hineingewebt oder hineingenäht. Er sollte Schutz bieten vor Blitzschlag, Verwünschungen oder Krankheiten. Manchmal wurde aus dem Faden aber auch ein ganzes Kleidungsstück hergestellt.“

Im deutschen Sprachraum endete die Spinnstuben-Zeit schon früher, nämlich an Mariä Lichtmess, also am 2. Februar. Da hieß es: Lichtmess – Spinnen vergess!

Jitka Sovová | Foto: Olga Wassinkjewitsch,  Radio Prague International

Der Brauch des Karfreitagsfadens stammt hierzulande vor allem aus jenen Gegenden, in denen Leinen gesponnen wurde. Das waren Nord- und Ostböhmen. Doch später setzte er sich auch in Süd- und Westböhmen durch, wo vorrangig Schafswolle verarbeitet wurde.

Jitka Sovová führt die Technik an einem Flügelspinnrad vor. Es ist ein mitteleuropäischer Typ, bei dem das Antriebsrad unter der Spindel sitzt und nicht wie beim angelsächsischen Modell seitlich daneben. Sie selbst spinnt die Fäden für unterschiedliche Produkte.

„Wenn ich spinne, dann habe ich zuerst nur einen einfachen Faden. Ich muss daraus aber einen doppelten Faden machen, damit er besser hält. Daraus wird dann eventuell eine Tasche, ein Poncho oder ein Schal“, so Sovová.

Ostereier mit Wachs verziert

Schloss Ctěnice | Foto: Olga Wassinkjewitsch,  Radio Prague International

Während das Spinnen des Karfreitagsfadens heutzutage in Tschechien nicht mehr so geläufig und verbreitet ist, macht das Eierfärben so ziemlich jeder gern – Klein und Groß. Allerdings bestehen unterschiedlich aufwendige Techniken. Mit viel Hingabe und Fertigkeit verzieren zwei Schwestern aus Libotenice / Liboteinitz die Eier. Der Ort liegt nördlich von Roudnice nad Labem / Raudnitz an der Elbe und ist in Tschechien eben gerade durch seine Tradition des Ostereier-Bemalens bekannt. Lucie Kiralyová ist eine der beiden Schwestern:

„Unsere Technik nennt sich Wachsrelief. Dabei blasen wir erst einmal die Eier aus – ob vom Strauß, dem Huhn, der Ente oder der Gans. Dann werden die Eier etwas geschliffen und mit Acrylfarben bunt eingefärbt oder eingesprüht. Schließlich malen wir mit heißem Wachs unterschiedliche Muster drauf. Diese Art der Verschönerung hat eine sehr lange Tradition, und wir haben sie bei uns im Dorf schon als Kinder gelernt.“

Lucie und Zuzana Királyová | Foto: Olga Wassinkjewitsch,  Radio Prague International

Und ihre Schwester Eliška ergänzt:

„Unsere Oma hat uns in eine Freizeitgruppe zum Bemalen von Ostereiern mitgenommen, die es bei uns im Dorf gibt.“

Die Muster entstehen meist mit weißem Wachs, aber natürlich sind auch weitere Farben möglich. Bei den Verzierungen könne man jedenfalls seine Phantasie spielen lassen, findet Lucie Kiralyová…

„Da gibt es keine direkten Traditionen. Man kann sich da etwas ausdenken, aber wir können für andere auch Muster zur Verfügung stellen. Wir selbst sind hingegen kreativ, da wir schon eine gewisse Routine haben“, so die junge Frau aus Libotenice.

Bei der Grundfarbe der Eier gebe es mittlerweile viele Möglichkeiten, sagt sie. Das sei der große Unterschied zu früher, als man meist einen Pinsel nahm und keine Acrylfarben zu bekommen waren:

„Die traditionellen Farben sind Grün und Rot. Natürlich ließe sich auch Gelb nehmen, doch darauf ist das weiße Wachs nicht so gut zu sehen. Stattdessen eben auch Blau oder Violett, das sind weitere Grundfarben. Auf der dunklen Fläche tritt das Wachs besser zutage.“

Geflochtene Osterruten

Foto: Olga Wassinkjewitsch,  Radio Prague International

Die verzierten Eier haben im tschechischen Brauchtum dann am Ostermontag eine wichtige Funktion, die mit einem anderen Handwerk zusammenhängt: dem Flechten von Osterruten aus jungen Weidenzweigen. Denn die Frauen, die mit den Ruten berührt werden, geben den Männern als Dank solche Eier – neben weiteren Gaben wie beispielsweise Schnaps, der in der Beliebtheitsskala wohl eher führt.

Um zu verstehen, was dieser skurrile Brauch des Schlagens soll, muss man in die Etymologie des tschechischen Wortes für die Osterrute gehen. Pomlázka heißt sie, und da steckt das Wort „omladit“ drin, also „verjüngen“. Will heißen, dass den jungen Frauen durch die Berührung mit den Weidenruten vor allem Stärke und Gesundheit verliehen werden sollte.

Erste Erwähnungen des Brauchs finden sich in Quellen aus dem 14. Jahrhundert. Dementsprechend hat auch das Flechten der Ruten eine lange Tradition hierzulande. Zuzana Tilajcsíková unterrichtet am Markttag auf Schloss Ctěnice Kinder und Erwachsene in dieser Fertigkeit:

Korbflechterinnen | Foto: Olga Wassinkjewitsch,  Radio Prague International

„Ich bin ausgebildete Korbmacherin und habe in der Gegend von Mělník gelernt, wie man aus Weidenruten sowohl Körbe als auch Möbel herstellt. Für mich ist dies Hobby und Broterwerb zugleich, was mich einfach erfüllt. Ich habe 1979 meine Ausbildung abgeschlossen.“

Ihr Geschäft hat sie im Städtchen Veltrusy, etwa 25 Kilometer nördlich von Prag. Mittlerweile stelle sie ausschließlich Körbe her, vor allem aus grünen Weidenruten, sagt die Korbmacherin:

„Wir haben aber auch andere Farben, weil wir die Weiden selbst züchten und das in mehreren Sorten. Unsere Körbe sind für den Haushalt bestimmt. Hier zu sehen sind beispielsweise Tragekörbe, Übergabekörbe oder Hühnerkörbe. Ich fertige jedoch auch Körbe zum Sammeln von Heidelbeeren oder Erdbeeren. Unsere Weiden verarbeiten wir allerdings nicht sofort, also nicht frisch geschnitten. Sondern man lässt sie mindestens ein halbes oder ein ganzes Jahr trocknen. Ich habe sogar zehn Jahre alte Ruten. Die trockenen Weidenzweige müssen wieder eingeweicht werden, bevor man sie verflechten kann. Wichtig ist dabei, dass zunächst aller Baumsaft ausgetrocknet ist. Wenn man Körbe aus frischen Ruten flicht, werden sie sehr spröde und halten nichts aus. Das heißt: Zunächst trocknen lassen, dann einweichen und danach verarbeiten.“

Solcherart geflochtene Körbe würden ihre Schöpferin locker überleben, sagt Zuzana Tilajcsíková und fährt fort…

Foto: Olga Wassinkjewitsch,  Radio Prague International

„Heute sind wir aber vor allem wegen Ostern hier und den Osterruten. Im Übrigen wurden mit den Ruten früher nicht nur Frauen geschlagen, sondern auch die Haustiere, damit sie viele Junge zur Welt bringen, oder sogar Bäume, damit sie gut wachsen“, so die Korbflechterin.

Ihre Tochter Tereza zeigt eine der Techniken, wie aus den Zweigen der Weiden die berühmten Osterruten werden:

„Wir flechten mit acht Ruten, davon vier in jeder Hand. Die müssen dort auch bleiben, man darf sie nicht in die andere Hand übergehen lassen. Beim Flechten wechseln wir immer die linke und die rechte Seite ab, wobei wir mit der äußersten Rute beginnen. Die äußerste linke Rute stecken wir von oben zwischen der zweiten und dritten Rute von rechts hindurch. Dann führen wir sie von unten auf die Innenseite der Ruten links. Dasselbe wiederholen wir dann auf der rechten Seite. So überkreuzt man die Ruten, und es entsteht ein Geflecht.“

Schloss Ctěnice | Foto: Olga Wassinkjewitsch,  Radio Prague International

Auf diese Weise würden eher weichere Osterruten geflochten, erläutert Tereza Tilajcsíková. Eine andere Variante bestehe darin, den mittleren Zweig immer um die anderen herumzuwickeln…

„Die so entstehende Rute ist deutlich fester. Ein Schlag mit ihr tut richtig weh, das will ich lieber nicht haben“, gesteht die junge Frau.

Aber um das richtigzustellen: Bei dem tschechischen Brauch geht es eigentlich nicht darum, jemanden fest zu schlagen – sondern ihn nur symbolisch mit den jungen Weidenzweigen zu berühren…

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Autoren: Till Janzer , Olga Vasinkevič
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