Stets eine Augenweide: Verzierte Ostereier aus Böhmen und Mähren

Foto: Ondřej Tomšů

Jedes Jahr zu Ostern kann man sie in ganz Tschechien in großer Vielfalt bestaunen: die bemalten und verzierten Ostereier, die hierzulande „kraslice“ heißen. Für ihre Herstellung sorgen neben vielen kleinen Dorfgemeinschaften im ländlichen Mähren auch die Mitglieder des Verbandes der Osterei-Maler und Malerinnen. Radio Prag hat einer Vertreterin des Verbandes bei ihrer Arbeit zugeschaut.

Foto: Ondřej Tomšů
Lenka Volková ist Mitglied des Verbandes der Osterei-Maler und -Malerinnen und Trägerin des Titels „Meisterin der Volkskunst“. Vor anderthalb Wochen hat sie einen Ostereimalkurs für Kinder gegeben – und zwar im Museum der Gemeinde Uhříněves am Rande Prags. Den jungen Schülerinnen und Schülern konnte sie dabei versichern, schon jede Menge Ostereier für das diesjährige Fest bemalt zu haben:

„Mir ist es gelungen, so um die 100 Stroheier zu fertigen. Das ist wirklich genug, denn das ist ausschließlich ein Hobby von mir. Ansonsten bin ich berufstätig.“

Ihr Faible für das Ostereimalen hat die gelernte Chemikerin dabei eher durch einen Zufall wiederentdeckt:

Lenka Volková  (Foto: Ondřej Tomšů)
„Zunächst habe ich Ostereier bemalt, als ich noch zur Grundschule ging, und das immer kurz vor Ostern. Dann aber ist diese Gewohnheit bei mir immer mehr in Vergessenheit geraten, wegen meines Studiums hatte ich auch keine Zeit dafür. Erst danach, im Jahr 2006, habe ich mich wieder daran erinnert und erneut probiert, Ostereier zu bemalen. Und da habe ich gemerkt: Hoppla, das macht mir richtig Spaß. So habe ich dieses Hobby aktiviert. Und nachdem ich dem Verband der Osterei-Maler beigetreten bin, habe ich auch die anderen Techniken zur Verzierung von Ostereiern kennengelernt.“

Insgesamt gibt es fünf Methoden, mit denen hierzulande Ostereier bemalt und verziert werden. Lenka Volková beherrscht drei davon: die Wachstechnik, die mit Stroh beklebten Ostereier und die Dekorationen aus Binsenmark. Sie selbst favorisiert die Methode, die Eier mit Stroh zu dekorieren:

Lenka Volková: „Am liebsten habe ich Naturprodukte. Und wenn das Stroh von der Sonne beschienen wird, dann funkelt es wahrhaft golden. Deshalb lautet der Name meines Projekts ‚Stroh ist mehr als Gold‘.“

„Am liebsten habe ich Naturprodukte. Und wenn das Stroh von der Sonne beschienen wird, dann funkelt es wahrhaft golden. Deshalb lautet der Name meines Projekts ‚Stroh ist mehr als Gold‘.“

Die Fertigung von Stroheiern sei indes alles andere als ein Kinderspiel, erklärt Volková:

„Das Bekleben der Eier mit Stroh ist eine relativ anspruchsvolle Technik, sie erfordert viel Zeit. Das beginnt damit, dass man im Sommer erst einmal Stroh sammeln muss. Man verwendet sowohl Gerstenstroh als auch Roggenstroh und Haferstroh. Auf meinen Eiern lassen sich zudem unterschiedliche Färbungen des Strohs erkennen. Ich verfolge im Sommer nämlich auch, wie sich das Stroh durch die Wettereinflüsse verändert. Schließlich kombiniere ich das verschieden gefärbte Stroh auf den Eiern bewusst so, dass es sich voneinander abhebt.“

Foto: Ondřej Tomšů
Bevor sie das zuvor in Kartons gelagerte Stroh indes aufkleben könne, müsse sie es noch wässern, von innen auskratzen und mit Hilfe einer zweiten Schere derart „plätten“, bis sie daraus dünne Schleifen formen könne.

Nicht minder anspruchsvoll ist das Dekorieren von Eiern mit Binsenmark. Auch dazu müsse man einen Gutteil seiner Freizeit in der Natur verbringen, schildert Volková:

„Das Binsengras findet man an Teichrändern oder auf Feuchtwiesen, also überall, wo es nass ist. Von Oktober bis Januar muss man den Wuchs des Grases beobachten und es dann rupfen, wenn sich das Binsenmark am besten entnehmen lässt.“

Foto: Ondřej Tomšů
Aber auch die weitere Verarbeitung hat es in sich:

„Das Binsenmark wird mit einem Streichholz aus dem Halm herausgedrückt. Daraus werden die wunderbar weißen Markfäden gewonnen, die auf eine bestimmte Länge geschnitten werden. Dann wird ein Klebstoff auf das Ei aufgetragen und zunächst rote Samtbändchen auf dem Ei befestigt. Diese unterteilen das Dekor in ein Netz von Feldern. Schließlich werden die Markfäden aufgeklebt und mit den Bändchen im Kontrast kombiniert.“

Die gebräuchlichste und wohl auch einfachste Methode, Ostereier zu verzieren, ist jedoch die Wachstechnik. Das findet auch Lenka Volková:

„Dazu benötigt man einen Ständer, ein Spiritusbrenner und Löffel, in denen das Wachs geschmolzen wird. Ich mische eigenes Wachs, das ich dann mit dem Brenner auflöse. Zur Verzierung der Eier benutze ich verschiedene Hilfsmittel.“

Foto: Ondřej Tomšů
Diese Hilfsmittel sind unter anderem Stecknadeln, Bändchen oder spitze Federn. Bei den Stecknadeln wird vor allem der Kopf benötigt; ihn taucht man in das flüssige Wachs und trägt es dann gezielt auf die Eier auf. Das Wachs selbst kann heutzutage aber ebenso durch andere Produkte ersetzt werden, erläutert Volková:

„Zuerst wurde stets Bienenwachs benutzt. Das ist die einfachste Art zum Bemalen der Ostereier. Mittlerweile werden aber auch handelsübliche Wachsstifte oder Fettkreide verwendet.“

Die Grundfarbe für ein bemaltes Osterei ist meist rot oder schwarz. Die schwarze Grundfarbe hat speziell in Südmähren eine lange Geschichte. Dort gravierte man Bilder und Ornamente schon im 11. Jahrhundert auf schwarzem Untergrund. Ansonsten aber dominiert die rote Farbe:

Foto: Ondřej Tomšů
„Wir verzieren Eier, weil sie die Entstehung von Leben symbolisieren. Und die Eier werden am häufigsten rot bemalt, denn diese Farbe symbolisiert das Blut.“

Die Vielfalt der in Böhmen und Mähren nach alter Tradition bemalten Ostereier kann man am besten im nordböhmischen Libotenice bestaunen. In dem kleinen Dorf am Elbufer unweit von Litoměřice / Leitmeritz hat der Verband der Osterei-Maler und -Malerinnen seinen Sitz. Er hat dort ebenso eine Galerie eingerichtet. Auch Lenka Volková hat dazu ihren Beitrag geleistet:

„Für die Galerie habe ich 18 Ostereier gefertigt, die dort in Vitrinen aufbewahrt werden. Ich habe dafür fünf Jahre lang gebraucht, denn jedes meiner Eier hat ein anderes Muster. Jeder Ostereimaler hat seinen Ausstellungsbereich, ich habe mittlerweile drei Vitrinen. In dieser Dauerausstellung werden etwa 2000 bemalte und verzierte Eier gezeigt. Und ein Besuch lohnt sich. Der Eintrittspreis ist zwar nicht niedrig, doch die Exposition ist einfach herrlich.“

Lenka Volková: „Wir verzieren Eier, weil sie die Entstehung von Leben symbolisieren. Und die Eier werden am häufigsten rot bemalt, denn diese Farbe symbolisiert das Blut.“

Neben der Dauerausstellung in Libotenice veranstaltet der Verband zu Ostern auch noch vorübergehende Schauen. Eine davon heißt „Kraslice v Kraslicích“. Das Wortspiel bezieht sich sowohl auf die Ostereier, die im Tschechischen – wie schon erwähnt – kraslice heißen, als auch auf den Veranstaltungsort. Es ist die nordwestböhmische Kleinstadt Kraslice / Graslitz, sie liegt direkt an der deutschen Grenze zum sächsischen Vogtland. Folglich wird die Veranstaltung auch von vielen Gästen aus Deutschland besucht, bestätigt Lenka Volková:

„Ich war schon viermal als Ausstellerin vor Ort, und gerade die Besucher und Besucherinnen aus Deutschland sind sehr zahlreich zu mir gekommen. Sie sind sehr interessiert und zeigen auch, wie ihnen meine Kunst gefällt.“

Foto: Ondřej Tomšů
Vielleicht auch deshalb, weil sie von der Malerin erfuhren, wie lange sie an der Fertigung eines einzigen Stroheies arbeitet. Für die Verzierung eines Hühnereies benötige sie acht Stunden, für ein Gänse-Ei zwölf Stunden und für ein Straußenei 14 Stunden, sagt Volková. Am meisten Freude aber habe sie, wenn das Ostereimalen als Volkskunst auch an die jüngste Generation vermittelt wird. So wie bei ihrem Malkurs unlängst in Uhříněves. Einige der Kinder haben ihn schon zum wiederholten Male besucht, und einer der Schüler bestätigte:

„Mir macht das Ostereimalen großen Spaß. Das ist auch schon vor einem Jahr so gewesen, als ich den Kurs das erste Mal besucht habe.“

Die Jungen und Mädchen haben gelernt, Eier mit der Wachstechnik zu verzieren. Dies ist manchem mehr und manchem weniger geglückt, doch zufrieden waren letztlich alle. Denn mit den selbstbemalten Eiern wollen sie am Ostermontag ihre Eltern überraschen. Und wer weiß, vielleicht wird auch der eine oder andere Malkursteilnehmer die neue Erfahrung eines Tages zu seinem Hobby machen. So wie Lenka Volková. Dann ist auch ihr um die Fortsetzung dieser tschechischen Volkskunst nicht bange.

Autor: Lothar Martin
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