BSE

Kuh

Gerade einmal zwei Wochen ist es jetzt her, dass die Tschechen recht unsanft aus ihrem Traum vom BSE-freien Paradies für alle Steakfans geweckt wurden. Auf einem Hof im Städtchen Dusejov in der Nähe von Jihlava/Iglau wurde auch beim zweiten Test die Diagnose bestätigt: B-S-E! Was dies nicht nur für die Rinder des Hofes, sondern auch für die Gulasch-und- Knödel-Liebhaber und vor allem für die Fleischwirtschaft Tschechiens bedeutet, Erfahren Sie in diesem Schauplatz von Olaf Barth.

Es war Anfang April, als die Tschechische Republik trotz aller Bemühungen ihrer Vertreter in die sog. "zweite Staatengruppe" eingestuft zu werden, in denen das Auftreten von BSE, zumindest laut den Prophezeiungen der EU- Kommission unwahrscheinlich sei, dennoch in die dritte Gruppe klassifiziert wurde. Dort befand man sich in der Gesellschaft von Staaten wie Polen, Albanien aber auch der Schweiz, in der es sogar bereits BSE-Fälle gegeben hatte.

Aus tschechischer Sicht, ärgerte sich der Direktor des Staatlichen Veterinäramtes Josef Holejsovsky damals wohl zurecht:

"Verstehen Sie das? Dass es in der selben Gruppe Staaten gibt, in der die BSE-Seuche nicht auftrat und einen, in dem die Krankheit schon seit Jahren festgestellt ist und bisher 370 oder mehr Fälle nachgewiesen wurden? Also ich verstehe das nicht!"

Diese Einstufung bedeutete für die Tschechische Republik nicht nur ein Prestigeverlust, sondern auch einen wirtschaftlichen Nachteil und so fügte Herr Holejsovsky in Bezug auf die EU-Kommission an:

"Also, die (die EU / Anm.d.Red.) sagen uns: 'Sie werden in diese Gruppe eingestuft, weil sie von uns Tiere und Tiermehl eingeführt haben.' Die Tiere waren aber als gesund zertifiziert und für danach haben wir eine Zertifikation, dass in den Herkunftsherden kein BSE-Fall auftrat. Dann haben wir des Weiteren ein Zertifikat, dass das Tiermehl unter EU- Parametern zubereitet wurde und dennoch soll das alles schlecht sein! Also wozu sind denn dann die Gesetze, wozu die Zertifikate auch unserer Kollegen? Wir sind natürlich mit dieser Einstufung nicht einverstanden und wir lehnen diese Einstufung ab."

Entscheidender Fakt für die Einstufung in die Risikogruppe war laut EU-Kommission, dass Tschechien bis vor Kurzem lebendiges Vieh und Tiermehl aus solchen EU-Staaten eingeführt habe, in denen dann BSE aufgetreten sei.

Kuh
Die Aufregung um die in der Tat etwas undurchsichtige Einstufungspraxis der EU hatte sich gerade gelegt, da erschütterte folgende Nachricht die sonst so unverdrossenen Tschechen (ZITAT):

"Er kam, der Schicksalsschlag. Der Rinderwahnsinn ist da. Die Scheiterhaufen mit den Leibern des Viehs. Es entflammte auch die Diskussion darüber, wo wir einen Fehler gemacht haben. Und auch darüber, ob auf uns letztlich nicht nur der menschliche Hochmut gegenüber den Naturgesetzen zurückschlägt."

So titelte die tschechische Tageszeitung "Mlada fronta Dnes" in ihrer Samstagausgabe, nachdem tags zuvor, am 8. Juni, auch die zweite vom Veterinärinstitut in Jihlava/Iglau vorgenommene BSE-Probe an einem Rind aus Dusejov positiv ausgefallen war. Tschechien hatte seinen ersten BSE-Fall.

Ich konfrontierte den Direktor der Staatlichen Veterinärbehörde also mit der Frage, ob die EU-Kommission im Nachhinein mit ihrer Einschätzung nicht doch richtig gelegen hätte. Herr Holejsovsky antwortete:

Die staatliche Veterinärbehörde gab also bekannt, dass alle geschlachteten Rinder, die älter als 30 Monate sind, auf BSE getestet werden. Der Direktor der Behörde, Josef Holejsovsky, fügte gegenüber Radio Prag an:

"Wahrscheinlich werden wir auch das Tieralter senken, wie es jetzt zur Zeit in Deutschland ist. Wir werden die Tiere schon ab 24 Monaten untersuchen. Aber darüber ist die Meinung in der EU überhaupt nicht einheitlich - bisher ist das nur in Deutschland so."

Ob denn die Kapazität der Testverfahren ausreiche, um auch wirklich alle geschlachteten Tiere zu untersuchen, fragte ich Herrn Holejsovsky:

Die Finanzierung dieser umfangreichen Tests soll aus staatlichen Mitteln erfolgen. Die Regierung unterstützte daher auch eine Gesetzesnovelle zum "Grund- und Bodenfonds", aus dessen Haushalt künftig die jährlich benötigten 155 Millionen Kronen zur Finanzierung der BSE-Tests entnommen werden sollen.

Am Donnerstag, dem 14. Juni, bestätigte auch der dritte Test, diesmal im Tübinger Referenzlabor vorgenommen, den Positiv-Befund bezüglich der Rinderseuche. Wenig positiv war diese Neuigkeit selbstverständlich für die übrigen Rinder der gleichen Alterskategorie auf dem Hofe Dusejov, galt doch im BSE-Fall für sie die Kollektivstrafe und keinesfalls "in dubio pro reo". Eine Mitarbeiterin der Farm brachte ihre Gefühle auf folgende Weise zum Ausdruck:

"Wir müssen das nehmen, wie es eben ist. Aber wir meinen, dass das ganze unnötig ist, das können sie mir glauben. Und was das für uns bedeutet? Na, was meinen Sie denn, wenn sie irgendwo einige Jahre arbeiten und dann so etwas..."

Oder wie es Zdena Balcerova in ihrem Kommentar in der Hospodarske noviny, unter dem Titel "Die Kühe können nichts dafür", mit der lakonischen Art einer Journalistin ausdrückte(ZITAT): "Direkt in den Rinderhimmel kommen die Kühe aus Dusejov".

Am Freitagmorgen machten sich dann tschechische Veterinäre und Soldaten an ihre tödliche Arbeit. Alle notgeschlachteten Tiere wurden anschließend untersucht. Bei keinem der 134 getöteten Rinder fanden die Veterinäre irgendwelche positiven Befunde, d.h. es ist kein weiterer BSE-Fall aufgetaucht.

Josef Holejsovsky, erklärte warum die getöteten und untersuchten Tiere trotz ihres Negativbefundes nicht zum Verzehr zugelassen seien. Falls ein Rind unter BSE-Verdacht gestanden habe, dürfe es nämlich laut Gesetz nicht mehr für den Fleischhandel freigegeben werden. So wurden die Rinderleichen von Dusejov noch am Samstag an Ort und Stelle in den für sie ausgehobenen Massengräbern verscharrt.

Dass keines der getöteten Tiere BSE-krank war, hat den Direktor der staatlichen Veterinärbehörde nicht wirklich überrascht, hatte er doch schon wenige Tage zuvor geäußert, er erwarte nur etwa einen BSE-Fall auf 7 000 - 10 000 Tiere, aber auf keinen Fall eine "BSE-Flut":

"Ich erwarte natürlich einzelne Fälle, aber nicht mehr. Aber das ist nur geschätzt. Also wenn wir jetzt nehmen, dass wir unter diesen 11 000 Tieren keinen anderen als diesen einzigen Fall hatten, dann erwarte ich nicht viele Fälle."

Landwirtschaftsminister Jan Fencl zeigte sich nach den Neuigkeiten aus Dusejov sichtlich erleichtert und äußerte, er hoffe, dass diese Ergebnisse dazu beitragen würden, die Situation auf dem Rindfleischmarkt wieder zu beruhigen.

Er verlieh des weiteren seiner Hoffnung Ausdruck, dass nun auch die Nachbarländer die Einfuhrverbote für tschechisches Rindfleisch wieder lockern würden. Denn folgende Staaten haben ein solches Verbot verhängt: Russland, Rumänien, Polen, die Slowakei, Österreich, Bulgarien, Lettland und Litauen.

Zur Stärkung des Vertrauens sowohl inländischer Konsumenten als auch der Nachbarstaaten dienen wohl die seit dem 18. Juni geltenden "Veterinären Sondermaßnahmen", die der Fleischindustrie verbieten, das Knochenfleisch von Rindern, Schafen und Ziegen vom Knochen abzutrennen und weiter zu verarbeiten. Solches Fleisch, das bisher u.a. in Würsten und Pasteten mitverarbeitet wurde, könnte nämlich theoretisch Gewebsspuren des Zentralen Nervensystems - also Risikomaterial - enthalten. Doch Herr Holejsovsky kann die Verbraucher ohnehin beruhigen:

Diese Versicherung gelte selbstverständlich auch dann, wenn in den nächsten Tagen ein weiteres BSE-Rind im schönen Böhmen und Mähren auftauchen sollte.

Fieberhaft suchte man in den tschechischen Laboren in den vergangenen Tagen nach weg auf dem der BSE-Erreger nach Dusejov kam. Die hiesige Tageszeitung "Slovo" berichtete in ihrer Donnerstagsausgabe, dass die Krankheit höchstwahrscheinlich mit sog. Milchaustauschern auf die Rinderfarm gekommen sei. Diese werden aus Deutschland, Frankreich und Groß-Britannien importiert. Die Zeitung beruft sich auf Angaben eines Laboratoriums der Düsseldorfer Heine-Universität.

Autor: Olaf Barth
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