Crossroads for ideas
Wie bereits angekündigt, wird die Rubrik "Eurodomino" von uns nach wie vor ausgestrahlt, auch wenn Tschechien kein EU-Anwärter mehr ist, sondern ein vollberechtigtes Mitgliedsland. In nächster Zeit werden wir Sie daher über die ersten Schritte des Landes als EU-Neuling informieren. Durch die Sendung führen Sie Daniel Satra und Dagmar Keberlova.
Die EU-Erweiterung wurde von vielen Veranstaltungen und Feiern begleitet. Eine besonders gute Idee hatte sich England einfallen lassen: Das Königreich hatte junge Newcomer aus acht Beitrittsländern zu einer großen Party nach London eingeladen, die gleichzeitig der Beginn eines regen Austausches sein sollte. Großbritannien war immer der heftigste Verfechter der EU-Erweiterung, erklärte der britische Premier Tony Blair in einer Ansprache anlässlich der EU-Erweiterung. Tschechien und Großbritannien sind im Rahmen des neuen Europas alte gute Freunde, die in vielen Gebieten, darunter im Irak, in Afghanistan und im Kosovo zusammenarbeiten. Großbritannien freue sich auch, junge erfolgreiche Menschen aus den acht neuen EU-Ländern Mittel- und Osteuropas im Rahmen des Projektes "Crossroads for ideas" nach England einladen zu können, äußerte Tony Blair. Das Projekt besteht aus einer Reihe von vielen Veranstaltungen. Eines ist beispielsweise jungen Leuten zwischen 18 und 22 Jahren gewidmet und läuft noch bis zum 15. Mai. Ein weiteres Projekt namens Rising Stars ist jungen erfolgreichen Experten gewidmet. Mehr zu diesem Projekt sagte uns eine der Koordinatorinnen in Tschechien, Valerie Korinek:
"Ein anderes Projekt, das jedes von diesen acht Beitrittsländern hat, ist "Rising Stars." Es sind wieder acht Bereiche, und in jedem wurden Leute ausgewählt, die schon fortgeschritten sind, einen Namen oder Produkte haben oder die einmal schon gehört worden sind. Diesen Menschen wollen wir helfen, dass sie Kontakt nach England bekommen. Die ausgewählten Leute fahren nach England und treffen sich dort mit Kollegen aus ihrem Bereich."
Einen der "Rising Stars", Tomas Sedlacek, der u. a. als Berater für das tschechische Finanzministerium tätig ist, fragte ich, wie er das Treffen in London erlebt habe:
"Für mich war es ein Privileg und eine Ehre, an diesem historischen Moment von weltweiter Bedeutung teilzunehmen. Es ist die Rückkehr Tschechiens nach Europa. Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte Tschechien zu den zehn am meisten entwickelten Wirtschaftsnationen der Welt und ich glaube, wenn der Kommunismus nicht dazwischen gekommen wäre, wäre unser Land bestimmt ein Gründungsland der Europäischen Gemeinschaft gewesen. Die Atmosphäre dort war elektrisierend, und sie hat mich an die Tage der Samtenen Revolution erinnert, die ich als 13-Jähriger erlebte. Der Beitritt war der Höhepunkt der Bemühungen, die in den Tagen des Umbruchs begonnen haben. Dies halte ich für einen Erfolg sowohl der neuen als auch der alten Länder."
Seitens einiger tschechischer Politiker wird immer wieder Angstmacherei dahingehend betrieben, dass das Land nach dem EU-Beitritt an Souveränität verlieren könne. Einer der größten Verfechter dieser Meinung ist Präsident Vaclav Klaus. Von dessen Auffassung hält Tomas Sedlacek Folgendes:
"Heute ist der 5. Mai, wenn mich nicht alles täuscht, und ich habe nicht das Gefühl, dass ich in einem Staat lebe, der seine Souveränität verloren hätte. Ich weiß nicht, ob ich mir das irgendwie einrede, aber ich glaube, dass sich die Atmosphäre hierzulande ein wenig geändert hat. Die Menschen sind selbstbewusster geworden, und wir sind nicht mehr diejenigen - wenn ich das jetzt krass sage - die von der Europäischen Kommission getadelt werden. Wir sind gleichgestellte Partner, die über das gleiche Stimmrecht verfügen. Wir haben eine neue Souveränität bekommen und verloren haben sie nur diejenigen, die sie verlieren wollten."
Als Finanzexperte Sedlacek mit den jungen Vertretern der anderen neuen EU-Länder bei der Londoner Erweiterungsfeier zugegen war, da wurde ihm beim Anblick der tschechischen Flagge klar, was es heißt, ein Tscheche zu sein. Zu Hause merke man das jedenfalls nicht so stark:
"Was ist das, die nationale Identität? Ist das Bier, Würste, Schweinebraten mit Kraut und Knödel? Das nimmt uns ja keiner. Im Gegenteil, wenn sich mehrere Völker zusammentun, dann ist das der Moment, wo die nationalen Differenzen aufkommen und wo einem bewusst wird, was es heißt, ein Tscheche, ein Amerikaner oder ein Brite zu sein. Da muss man einen Schritt zurück machen, um es mit Abstand zu sehen. Dann wird einem klar, dass es nicht normal ist, Bier zu jeder Speise zu trinken, oder dass Knödel nicht überall gegessen werden. Dadurch, dass man die Augen aufmacht, wird man sich seiner Zugehörigkeit bewusst und beginnt diese auch zu schätzen."
Für ihn wie für alle anderen jungen Experten war die Erweiterungsfeier erst der Beginn. Worauf freut er sich aber jetzt am meisten?
"Auf das ´Projekt Crossroads for ideas´, und dafür war die Party in London eigentlich der formale Startschuss der gesamten Veranstaltungsreihe. Worauf ich mich auch sehr freue, ist ein Workshop, an dem junge Finanzexperten aus den acht hier anwesenden neuen EU-Mitgliedsländern - also alle außer Zypern und Malta - sowie aus Großbritannien teilnehmen werden. In London werden sie über die mit der EU-Erweiterung im Zusammenhang stehende Wirtschaftsproblematik debattieren. Darauf freue ich mich sehr, und zwar nicht nur, weil wir mit hochrangigen Wirtschaftsexperten zusammentreffen werden. Vielmehr ist es für einen Wirtschaftsfachmann immer wieder interessant, mit anderen Experten zusammenzukommen und eine andere Sicht auf die Problematik des eigenen Landes zu bekommen. Oder aber darüber zu streiten, ob die Reformen bei uns besser als in der Slowakei gemacht werden."
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt
