Das Studium an tschechischen Universitäten

Aula der Karlsuniversität

Jedes Jahr füllen sich Anfang Oktober die Hörsäle von Tschechiens Hochschulen. Anlass genug hinter die Kullissen der grössten und ältesten Alma Mater des Landes, der Prager Karlsuniversität, zu schauen. Hören sie nun mehr darüber von Silja Schultheis und Robert Schuster in einer weiteren Folge unserer Sendereihe Schauplatz.

Von Jahr zu Jahr entscheiden sich immer mehr Tschechen dazu ihr Glück an einer der mittlerweile knapp 60 Hochschulen und Universitäten des Landes zu versuchen. Viele skeptische Beobachter meinen, dass dieser Trend nicht etwa der Ausdruck eines neu aufgekommenen erhöhten Wissensdrangs bei den Tschechen ist, sondern eher pragmatische Motive hat und durch die Ensicht begründet ist, dass je höher das erreichte Bildungsniveau ist, desto besser sind später die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Traditionell am höchsten ist der Andrang bei Studeinfächern, die entweder ein Gröstmass an Allgemeinbildung garantieren, oder später zumindest auf einen guten Lohn hoffen lassen, wie es bei Juristen der Fall ist. Das Nachsehen haben dabei oft technische und naturwissenschaftliche Fächer.

Es gibt in Tschechien eigentlich nur eine Hochschule, die ein vergleichbar breites Spektrum an Studienfächern abdeckt, und das ist die Prager Karlsuniversität. Wieviele Studenten haben sich in diesem Jahr für das Studium an dieser Hochschule angemeldet? Das fragte Radio Prag deren Pressesprecher, Václav Hájek:

"Ich habe leider momentan noch nicht die genauen Zahlen zur Verfügung, aber auf jeden Fall lässt sich sagen, dass die Zahlen in der Vergangenheit relativ gleich waren. Insgesamt haben sich für das Wintersemester 48 000 Studenten um einen Studienplatz beworben, davon wurden 12 000 zugelassen. Nicht alle treten dann ihren Studienplatz an der Karlsuniversität auch wirklich an. Diese Zahlen sind, was die proportionelle Verhältnis angeht, seit einigen Jahren konstant, so dass sich sagen lässt, dass das Interesse nicht abnimmt und in etwa gleich gross ist."

Nach 1989 kam es gerade im universitären Bereich zu einer Reihe von Neugründungen. So gibt es heute z.B. in jeder der 14 tschechischen Regionen zumindest eine, in manchen Fällen sogar mehrere Hochschulen. Zudem wurden vor vier Jahren die ersten privaten Hochschulen aus der Taufe gehoben, die sich vor allem in praxisnahen Studiengängen behaupten wollen und somit ihren grossen Wettbewerbsnachteil zu überwinden versuchen in dem sie nämlich in der Regel relativ hohe Studiengebühren verlangen. Empfindet eigentlich die Karlsuniversität diese neuen Hochschulen als Konkurrenten? Verzeichnete deswegen die älteste Universität in Mitteleuropa in den vergangenen Jahren einen Rückgang an Bewerbungen, wenn man das in absoluten Zahlen messen würde? Václav Hájek meint dazu im folgenden:

"Das Interesse der Studenten ist jährlich so gross, dass wir bisher keine diesbezüglichen Auswirkungen wahrgenommen haben. Aber vielleicht lässt sich doch sagen, dass seit etwa zwei bis drei Jahren sich die Studienbewerber mehr Gedanken über ihre Zukunft und vor allem über die Berugfsmöglichkeiten nach dem Studium machen und sich das zunehmend auch bei der Wahl der Hochschule bemerkbar macht. So konnten wir etwa in den vergangenen beiden Jahren ein verstärkstes Interesse bei den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern verzeichnen, wo die Zahlen etwas grösser waren, im Vergleich mit den vergangenen Jahren."

Laut Hájek hängt das aber auch damit zusammen, dass viele dieser neugegründeten Hochschulen von vornherein nicht als wirkliche Konkurrenten angesehen werden konnten, weil sie oft eine Ausrichtung haben, die stark mit ihrer Heimatregion, bzw. einem bestimmten Wirtschaftszweig verknüpft sind. Das kann laut Hájek mehrere Gründe haben: Zum einen das Ziel den besagten Industriezweig am Leben zu erhalten, oder aber zweitens ganz einfach zu verhindern, dass junge, an einer Hochschulausbildung interressierte Menschen, z.B. nach Prag oder Brünn abwandern und sich dort später auch niederlassen. Als klassische Beispiele dafür nennt er z.B. die Technische Hochschule in Liberec/Reichenberg deren Schwerpunkt im Bereich der Textilindustrie liegt, oder die Tomá-Baa-Universität im ostmährischen Zlin, die sich auf die Entwicklung von Technologien zur Lederverarbeitung und Schuhproduktion konzentriert. Für Radio Prag führt jedoch Pressesprecher Hájek weitere Gründe an, warum es starke Unterschiede zwischen den traditionsreichen staatlichen und den neugegründeten privaten Hochschulen in Tschechien gibt:

"Soviel ich weiss, gibt es derzeit 27 private Hochschulen und etwa 28 staatliche und öffentlich-rechtliche, so dass es zumindest theoretisch 1:1 steht, aber die privaten Hochschulen haben oft keinen Universitätscharakter, so dass man dort nur 6 Semester studieren kann und das Bakkalaureat als Abschluss bekommt. Und dann kommt noch ein weitere Umstand hinzu: auch wenn es eine gleich grosse Zahl von privaten und öffentlichen Hochschulen gibt, so können keinesfalls die Kapazitäten oder etwa die Unterbringungsmöglichkeiten verglichen werden. Da liegen die staatlichen Schulen, die über eine über Jahrzehnte lang gewachsene Infrastruktur verfügen, immer noch vorne. Deshalb kann man eigentlich nicht behaupten, dass das Interesse für das Studium an einer staatlichen Hochschule abflauen würde.

Dennoch sind gemäss der Ansicht vieler Kritiker des tschechischen Hochschulsystems die staatlichen Hochschulen auf dem Weg gerade diese Startvorteile in Puncto vorhandene Infrastruktur einzubüssen. Der Grund liegt vor allem in den relativ rigiden Regelungen zur Finanzierung von Universitäten. Während also die neuen Privathochschulen gezielt auf Sponsoring setzten und in einigen Fällen bereits sehr gute Kontakte zu führenden Unternehmen des Landes aufbauen konnten, haben staatliche Universitäten oft das Nachsehen, denn sie dürfen vergleichbare Finanzierungsmodelle nur in einem äusserst engen Rahmen anwenden. Václav Hájek erläutert das im folgenden am Beispiel der Prager Karlsuniversität:

"Die Karlsuniversität ist eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, da ist es also gegenüber früher zu einigen Änderungen gekommen, was konkrete Zahlen angeht, so betrugen die Einkúnfte im vergangenen Jahr 5 Milliarden Kronen (umgerechnet 170 Millionen Euro), wobei vier Milliarden vom Staat kamen und der Rest war das Ergebnis unseres eigenen Wirtschaftens - also das waren etwas Einnahmen aus unserem Universitäts-Verlag und dergelichen. Jetzt besteht die Frage, ob das viel oder wenig ist.m Es wird gegenwärtig innerhalb der tschechischen Rektorenkonferenz darüber diskutiert, dass die Hochschulen künftig nicht mehr so stark auf den Staat angewiesen wären und künftig z.B. auch Einkünfte aus eine stärkeren Selbstvermarktung hätten, bzw. dem Verkauf des eigenen Know-how, d.h. der Forschungsergebnisse der einzelnen Fakultäten."

Um das jedoch gewährleisten zu können, weisen die tschechischen Hochschulen immer wieder auf die Notwendigkeit hin unter den Studenten einen gewissen Mindeststandard zu erhalten. Ein Mittel, wie das gewährleistet werden kann, sind z.B. die viel diskutierten Aufnahmeprüfungen, die es bei allen Studienfächern in Tschechien gibt. Schon seit Jahren sind aber diese Prüfungen vor allem liberalen Bildungspolitikern ein Dorn im Augen, dennoch scheint deren Abschaffung längerfristig nicht durchsetzbar zu sein, wie abschliessend auch Václav Hájek von der Prager Karlsuniversitat erläutert:

"Wir haben in diesem Zusammenhang eine Umfrage unter den Dekanen unserer 17 Fakultäten durchgeführt und sie alle kamen zum überzeugenden Schluss, dass man die Aufnahmeprüfungen erhalten sollte, um überhaupt eine Aufteilung unter den Bewerbern durchführen zu können. Die Kapazität dem Karlsuniversität ist schon seit vielen Jahren überschritten, wir haben im Vergleich zu 1989 heute zweimal so viele Studenten, ohne dass jedoch die Universität gleichezeitig neue Gebäude bekommen hätte. Der zweite Aspekt hängt dann tatsächlich mit der Notwendigkeit zusammen ein gewisses Mindestniveau an den Hochschulen zu halten und da sind Aufnahmeprüfungen gegenwärtig das einzige Mittel, um objektiv den Wissenstand der Bewerber auszuloten. Es gäbe natürlich auch Alternativen und dazu würde z.B. die lang diskutierte einheitliche Abiturprüfung zählen."