Komplizierte Visumspolitik hindert Ausländer am Studium in Tschechien
Das Interesse für ein Studium an tschechischen Universitäten wächst weltweit. Dies ist für die tschechische Wirtschaft von Vorteil. Aber der Zuzug von Studierenden aus Drittländern wird durch die komplizierte Visumspolitik hierzulande behindert.
Ausländische Studenten interessieren sich zunehmend für tschechische Universitäten. Im vergangenen Jahr waren 55.000 Menschen mit anderer Staatsbürgerschaft hierzulande eingeschrieben, das ist ein Fünftel der Gesamtzahl der Hochschulstudenten. Etwa die Hälfte dieser 55.000 Kommilitonen kommt aus Ländern außerhalb der EU. Bei ihrer Bewerbung müssen sie ein langwieriges Visumverfahren durchlaufen.
Das bestätigt Miroslav Svoboda, Prorektor der Anglo-Amerikanischen Hochschule in Prag (AAU), die sich hauptsächlich an Studierende aus dem Ausland richtet. Insgesamt 70 Nationalitäten sind dort vertreten. Die Kapazität der Schule ist derzeit nur zu 50 Prozent ausgelastet. Interessenten stießen laut Svoboda auf Hürden bürokratischer Art, vor allem bei der Anerkennung des Abiturabschlusses und bei der Ausstellung von Visa:
„Selbst der Antragsprozess für eine Aufenthaltsgenehmigung dauert sehr lange. Denn dafür muss der Antragsteller zunächst einen Termin für ein persönliches Gespräch in der Botschaft bekommen. Um daran teilzunehmen, muss er dann oft mehrere hundert Kilometer reisen. Auf diesen Termin wartet man mehrere Monate, nur um den Antrag persönlich einzureichen.“
Auch die 22-jährige Inderin Nivejdita Trivedi hat diese Erfahrung gemacht. Im Juli vergangen Jahres sei sie zum Studium für Wirtschaft und Management an der Prager Agraruniversität (ČZU) angenommen worden, berichtet Trivedi, zu ihrem ersten Gespräch in der Botschaft in Delhi sei sie aber erst am 5. Dezember eingeladen worden. Sie musste 500 Kilometer hin- und auch wieder zurückfahren, um dort lediglich die Unterlagen persönlich einzureichen und auf einen weiteren Termin zu warten. Ihr nächstes Gespräch in der Botschaft folge nun am 9. Mai dieses Jahres, so die junge Frau gegenüber dem Tschechischen Rundfunk. Ihren Studienbeginn in Prag musste sie daher um ein Jahr verschieben.
Die gesetzliche Frist für die Bearbeitung eines Antrags auf ein Studentenvisum liegt hierzulande bei 60 Tagen. Nach Angaben des Innenministeriums betrug die durchschnittliche Bearbeitungszeit im vergangenen Jahr 40 Tage. Polen und Ungarn hingegen stellten Studentenvisa innerhalb von 15 Tagen aus, wie Michal Uhl betont. Er ist der Leiter des Hauses für ausländische Zusammenarbeit beim tschechischen Bildungsministerium:
„Uns sind Fälle von Studenten bekannt, die das Aufnahmeverfahren an einer tschechischen Hochschule und gleichzeitig etwa in Polen erfolgreich bestanden haben. Nachfolgend haben sie sich eben aus zeitlichen Gründen für die polnische Universität entschieden.“
Laut einer Umfrage des Hauses für ausländische Zusammenarbeit bleibt etwa die Hälfte der ausländischen Studierenden nach ihrem Abschluss in Tschechien und beginnt hierzulande zu arbeiten. Aus diesem Grund empfiehlt der Nationale Wirtschaftsrat der Regierung (NERV), das Visumverfahren für Studenten zu vereinfachen und so viele wie möglich ins Land zu holen. Als Grund dafür wird der zunehmende demografische Einbruch angeführt. Im vergangenen Jahr war beispielsweise die Zahl der neugeborenen Babys in Tschechien um 22.000 niedriger als die Sterberate. Nach Ansicht des Rates ist die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte ein Weg, um ein höheres und nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu gewährleisten. Das Innenministerium legt allerdings andere Daten vor. Ondřej Krátoška ist ein Sprecher des Ressorts:
„Laut unserer internen Analyse gehen relativ viele Bürger aus Drittländern, die zum Studium hierherkommen, nach dem Abschluss wieder weg. Von allen Personen, die 2022 zum Studium nach Tschechien einreisten, studiert zwei Jahre später knapp nur noch die Hälfte. Weitere 40 Prozent befinden sich nicht mehr auf dem Gebiet Tschechiens. Und über zehn Prozent haben eine andere Aufenthaltsgenehmigung, vor allem Arbeitsgenehmigung, ohne ihr Studium abgeschlossen zu haben.“
Dennoch verspricht das Innenministerium, neue Rechtsvorschriften zur Vereinfachung des Verfahrens auszuarbeiten. Ein Gesetz über den Aufenthalt von Ausländern soll die Digitalisierung der Agenda mit sich bringen und die Ausstellung von Visa vereinfachen und beschleunigen.