Der frühere Moskau-Korrespondent von Ceska televize Jan Molacek über die Lage der Medien in Russland

Im heutigen Europa gibt es wohl kaum ein Land, in dem offizielle Stellen die Freiheit der Medien derart in Frage stellen wie in Russland. Der Druck der Behörden auf Berichterstattung konzentriert sich bei weitem nicht nur auf einheimische Journalisten. Immer stärker gelangen auch Vertreter ausländischer Medien ins Visier. So wurde zum Beispiel erst kürzlich dem Korrespondenten des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens, Jan Molacek, ohne Begründung die Verlängerung seiner Akkreditierung verwehrt.

Zu den wichtigen Merkmalen eines demokratischen Staatswesens gehört auch die Freiheit der Medienberichterstattung. Die Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen" veröffentlicht dazu seit fünf Jahren eine so genannte Rangliste der Pressefreiheit, wo die Lage in insgesamt 167 Ländern untersucht wird. An der Spitze dieser Übersicht finden sich traditionell europäische Länder, wie Finnland, Dänemark, oder Island; das Schlusslicht bilden hingegen Diktaturen wie Kuba, oder Nordkorea.

Ein Land, dass schon seit Jahren im Bereich der Medienfreiheit Kritik hervorruft und somit von den "Reportern ohne Grenzen" lediglich im hinteren Drittel der Tabelle auf Rang 138 angeführt wird, ist Russland. Russland wurde für unabhängige Journalistenberichterstattung in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem besonders heißen Pflaster. Alle wichtigen und einflussreichen Medien des Landes sind seit einigen Jahren praktisch gleichgeschaltet. Regierungskritische Berichterstattung ist dort mit großen Risiken verbunden und kann im wahrsten Sinne des Wortes auch lebensgefährlich sein. Jüngstes Beispiel dafür ist der Mord an der angesehenen Journalistin Anna Politkovskaja von der Zeitung Novaja Gazeta, die seit Jahren über die Schattenseiten des langwierigen Tschetschenien-Kriegs informierte und dazu Berichte und Reportagen lieferte, die sich völlig von den offiziellen Meldungen über die angeblichen militärischen Siege unterschieden.

Dem mehr oder weniger sichtbaren Druck der russischen Behörden sind jedoch auch Vertreter ausländischer Medien ausgesetzt. Das musste auch der Fernsehjournalist Jan Molacek erfahren, der bis vor kurzem noch Korrespondent des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens (Ceska televize) in Moskau tätig war. Nach gut einem Jahr musste er nämlich seine Arbeit aufgeben und wieder nach Tschechien zurückkehren. Der Grund? Die russischen Behörden haben dem Reporter sein Visum und die Akkreditierung nicht verlängert. War es das erste Mal, dass tschechischen Journalisten in Ungnade der offiziellen russischen Stellen gefallen sind? Dazu sagt Jan Molacek:

"Also meine Akkreditierung und mein Visum waren in Ordnung und beide waren bis 25. August gültig. Ich bin am 21. August aus dem Urlaub nach Moskau zurückgekehrt und mir wurde mitgeteilt, dass beides, also das Visum und die journalistische Akkreditierung nicht mehr verlängert werden. Ich hatte das natürlich vorher rechtzeitig beantragt. Mir wurden keine Gründe für diesen Schritt genannt, offiziell hieß es von Seiten der russischen Behörden, dass es bei der Ablehnung solcher Anträge keine Auskunftspflicht gibt. Dazu kann ich nur sagen, dass ich keine Regeln verletzt habe und mir wurden auch keine Vorwürfe in dieser Richtung gemacht. Soweit ich weiß, haben meine Kollegen, die früher für das Fernsehen aus Moskau berichteten nie solche Probleme. Natürlich, es gab den Fall der Journalistin Petra Prochazkova, die im Zusammenhang mit ihrer Arbeit in Tschetschenien des Landes verwiesen wurde, aber sie war keine reguläre Korrespondentin des Tschechischen Fernsehens, obwohl sie natürlich mit uns oft zusammenarbeitet hat."

Wie schwierig ist es generell für Journalisten im heutigen Russland zu arbeiten? Hängt es von den Themen ab, über die man berichten will, oder kann man auch als ausländischer Medienvertreter - zum Beispiel mit den entsprechenden Verbindungen im Rücken - praktisch überall hinkommen? Jan Molacek:

"Es ist ziemlich schwierig, schwieriger als in anderen Ländern wo ich vorher tätig war. Kollegen, die schon länger in Russland meinen sogar, dass sich die Lage noch weiter verschlechtern wird. Ich würde sagen, dass größte Problem besteht darin, dass es keine klaren Regeln gibt. Ein Journalist weiß also nie, was er darf oder nicht darf. Eine bestimmte Region kann zum Beispiel offiziell offen sein für Journalisten und trotzdem ist es durchaus möglich, dass, wenn man dort hinkommt und drehen will, man an Ort und Stelle die Dreharbeiten verboten bekommt. Es ist äußerst unangenehm, wenn man Tausende von Kilometern geflogen ist, um dann mit der Kamera nicht einmal den Flughafen verlassen darf. Das kann praktisch überall geschehen, nicht nur in den klassischen Konflikt-Regionen am Nordkaukasus. Manchmal ist es unmöglich eine ganz normale Reportage zu drehen, die überhaupt nicht kritisch sein sollte, weil die lokalen Behörden einfach Angst haben so etwas zu ermöglichen. Da helfen dann sehr viel persönliche Kontakte, man muss sich orientieren können und wissen, wie man sich den russischen Behörden und den Einwohnern gegenüber verhalten muss. Das zu erfahren dauert natürlich einige Zeit. Auch deshalb fand ich es schade die Arbeit schon nach einem Jahr beenden zu müssen."

Vor seinem Wirken in Russland war Jan Molacek Korrespondent des Tschechischen Fernsehen in Deutschland, also in einem Journalisten gegenüber wesentlich freundlicheren Umfeld.

Unterscheiden eigentlich heute die offiziellen russischen Stellen zwischen ausländischen und einheimischen Medienvertretern? Haben es zum Beispiel die russischen Journalisten nicht noch bedeutend schwerer, weil sie mit ihren Berichten die Stimmung im Land selber beeinflussen können und somit logischerweise unter verstärkter Aufsicht stehen? Dazu meint der frühere Moskau-Korrespondent des Tschechischen Fernsehens Jan Molacek:

"Man muss sehen, dass die Vertreter der großen russischen Fernsehsender weitaus stärker mit den offiziellen Stellen zusammenarbeiten. Entsprechend werden sie auch behandelt. Für die großen russischen Fernsehstationen ist daher fast nichts unmöglich. Sie haben oft sehr ganz exklusive Quellen und Informationen, aber dafür bezahlen einfach einen sehr hohen Preis. Sie verzichten auf Unabhängigkeit. Natürlich gibt es auch in Russland unabhängige Medien - heute sind das fast ausschließlich Internet-Zeitungen oder kleine lokale Zeitungen, aber das ist in Russland eine im höchsten Maße gefährliche Arbeit, wie jetzt letztlich der Mord an Anna Politkovskaja gezeigt hat."

Jan Molacek wird nun nach seiner unfreiwilligen Rückkehr nach Prag weiterhin die Lage in Russland verfolgen. Wie schätzt er abschließend die Aussichten bezüglich der weiteren Entwicklung der Medienfreiheit in Russland ein?

"Ich fürchte, dass sich in den kommenden Monaten der politische Druck auf die Medien noch erhöhen wird, weil dem Land wichtige Wahlen bevorstehen - die Wahlen zum Parlament im Jahr 2007 und dann ein Jahr später Präsidentenwahlen. Bis dahin wird sich der Kampf sicherlich verschärfen. Was aber dann nach den Präsidentenwahlen passieren wird, das weiß heute Niemand."