Nach versuchtem Aufstand in Russland: Tschechiens Diplomaten bleiben vor Ort
In Russland ist ein Aufstandsversuch durch Jewgeni Prigoschin und seine Wagner-Truppe abgewehrt worden. Wir fassen die Reaktionen und Kommentare aus Tschechien zusammen.
Die Sicherheitslage in Russland sei nach wie vor instabil und könne sich jederzeit verschlechtern, warnte der tschechische Außenminister, Jan Lipavský (Piraten), am Sonntagabend:
„Wir können wohl feststellen, dass der Kampf um die Nachfolge Putins begonnen hat. In Russland gibt es keine Demokratie. Die Führung wird wahrscheinlich gewaltsam ausgetauscht, wir können nicht viel Frieden erwarten. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir weitere Sicherheitsmaßnahmen einleiten, wenn die Lage es erfordert.“
Der Außenminister hatte am Sonntag in Reaktion auf die versuchte Revolte in Russland den Krisenstab seines Ressorts einberufen. Die Tschechische Republik werde trotz der dramatischen Ereignisse das Personal ihrer Botschaft in Moskau noch nicht reduzieren, hieß es nach der Sitzung. Allen Diplomaten und Mitarbeitern der Botschaft gehe es gut. Sie machten weiter ihre Arbeit, versicherte der Minister. Laut Lipavský sieht die Lage in Russland heute ruhiger aus als noch am Samstag. Dennoch sei es notwendig, dass die EU-Minister am Montag bei ihrem Treffen in Luxemburg aktuelle Informationen austauschen:
„Alle sind sich einig, dass die Lage extrem unbeständig ist und dass sich das Sicherheitsumfeld jederzeit verschlechtern kann. Darum müssen wir beides regelmäßig bewerten, und zwar in Zusammenarbeit mit den Verbündeten, die möglicherweise über bessere Informationen verfügen als wir.“
Was ist in Russland am vergangenen Wochenende eigentlich passiert? Was bedeutet dies für Moskau und auch für die Ukraine? In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks haben mehrere Experten diese Fragen erörtert. Der ehemalige Generalstabschef der tschechischen Armee, Jiří Šedivý, sprach unter anderem über die Reaktion Russlands auf den Aufstand:
„Eine Sache ist daran sehr merkwürdig: Wenn die amerikanischen Nachrichtendienste angeblich wussten, was vorbereitet wird, dann mussten auch die russischen Nachrichtendienste davon Kenntnis haben. Warum sind sie aber nicht dagegen vorgegangen und haben Maßnahmen ergriffen? Die Reaktion der russischen Armee und des russischen Verteidigungssystems war sehr lauwarm.“
Allerdings lehnt Šedivý jene Spekulation ab, dass die Aktion zwischen Putin und Prigoschin im Voraus vereinbart worden sei.
Auch der Analyst von der Prager Karlsuniversität Jan Šír unterstrich, dass die russische Armee nichts gegen die Wagner-Söldner unternommen habe:
„Wir kennen die Details der Rebellion nicht. Manches ist aber schon bekannt – unter anderem, dass die Armee gegen die Aufständischen nicht eingegriffen hat. Das ist ein Indikator dafür, dass das russische Regime nicht auf so festen Beinen stehen muss, wie es uns präsentiert wird.“
Pavel Havlíček, Analyst beim Forschungszentrum der Assoziation für internationale Fragen (AMO), beantwortete die Frage, wie diese Situation in Russland den Ukrainern helfen kann:
„Sie eröffnet eine grundsätzliche Chance, weil hier eine umgekehrte Proportionalität gilt: Je mehr die Russen mit sich selbst beschäftigt sind, desto weniger Kapazitäten haben sie, um in der Ukraine aktiv zu sein.“
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