Der Medienspiegel

Herzlich willkommen, verehrte Hörerinnen und Hörer, zu einer weiteren Ausgabe unseres Medienspiegels. Aus dem Prager Studio begrüßen Sie dazu Jörn Nuber und Silja Schultheis.

Vor einem Jahr um diese Zeit - Sie erinnern sich - herrschten im Öffentlich-rechtlichen tschechischen Fernsehen (CT) turbulente Zustände. Eine Gruppe von etwa 20 CT-Redakteuren hielt für einige Wochen lang den Nachrichtenraum der Fernsehanstalt besetzt und protestierten auf diese Weise gegen den kurz zuvor gewählten neuen Generaldirektor Jiri Hodac. Sie warfen ihm vor, eine Marionette der beiden größten Parteien des Landes zu sein und sahen die Unabhängigkeit der Nachrichtenberichterstattung in Gefahr. Hodac trat dann schließlich gegen Ende Januar, nach nur zwei Monaten Amtszeit, von seinem Posten zurück.

Es ging jedoch bei der ganzen Angelegenheit keineswegs nur um die Person Hodac, sondern vielmehr um die prinzipielle Frage nach der Freiheit der tschechischen Medien. Um ihre Solidarität mit den streikenden Redakteuren zu bekunden, fanden sich damals in regelmäßigen Abständen auch viele tschechische Bürger zu Demonstrationen auf dem Wenzelsplatz ein.

Ein Jahr später nun, nachdem die erhitzten Gemüter von damals wieder etwas abgekühlt sind, lud die Wochenzeitschrift "Respekt" im Theater Arche in der Prager Innenstadt zu einer öffentlichen Diskussion über die Folgen aus dem Fernsehstreik im vergangenen Winter. Geladen waren Jana Bobosikova, die damalige Nachrichtensprecherin des öffentlich-rechtlichen tschechischen Fernsehens und Befürworterin von dessen Generaldirektor Jiri Hodac, die Publizisten Martin Schmarc und Karel Hvizdala sowie Petr Stepanek, Vizevorsitzender des Rundfunk- und Fernsehrates.

Auf die Frage, welche Gedanken den Beteiligten kämen, wenn sie die Bilder von damals sähen, antwortetet der Publizist Martin Schmarc:

"Ich bin traurig darüber, dass das Fernsehen schon bald nach dem Streik wieder angefangen hat, so zu funktionieren wie vorher. Außerdem finde ich es bedauerlich, dass die Politiker eine Atmosphäre der Revanche entfacht haben."

Petr Holub, Chefredakteur der Wochenzeitschrift "Respekt" sagte auf dieselbe Frage:

"Wenn ich mir die Bilder angucke, habe ich das Gefühl, dass wir damals wirklich sehr stark von Emotionen geleitet waren. Für mich stellt sich jetzt die Frage, ob wir auch etwas mehr als Emotionen erlebt haben. Worum haben wir damals eigentlich gekämpft? Und was haben wir erkämpft? "

Für Jana Bobosikova, die damals nicht auf der Seite der Protestierenden stand, wurde damals überhaupt nichts erkämpft. Ihrer Meinung nach kann man hier lediglich von Verlusten sprechen. Der Streik habe gezeigt, dass die tschechische Demokratie noch zerbrechlich sei.

Martin Schmarc wiederum hielt diese Äußerung Jana Bobosikovas für einen grundlegenden und zudem gefährlichen Irrtum. Seiner Meinung nach ging es damals nicht um Demokratie - also die Herrschaft der Mehrheit -, sondern um einen individuellen Wert: die Freiheit des Wortes.

Petr Stepanek, Vizevorsitzender des Rundfunk- und Fernsehrates, brachte in einem Satz auf den Punkt, worum damals gekämpft wurde:

"Es ging um drei Dinge: um Geld, um Politik und einigen Menschen ging es tatsächlich um Ideale."

Es bleibt zu erwarten, dass die angeregte Diskussion um die Rolle und Freiheit der Medien, an der sich auch das Publikum beteiligte, mit der Veranstaltung im Theater "Arche" nicht abgeschlossen ist.


Die europaskeptische Rede von Vaclav Klaus - dem Vorsitzenden des tschechischen Abgeordnetenhauses und zugleich der größten Oppositionspartei des Landes -, die dieser vergangene Woche in Brüssel gehalten hatte und über die es im tschechischen Abgeordnetenhaus zu einer erhitzten Debatte kam, war auch Hauptgegenstand der Kommentare in den tschechischen Gazetten der vergangenen Woche. Zur Erinnerung: Klaus hatte sich in Brüssel gegen eine Stärkung europäischer Institutionen und für eine Förderung nationaler Einrichtungen ausgesprochen. In einer von Zwischenrufen und persönlichen Angriffen geprägten Sitzung warfen ihm daraufhin zahlreiche Abgeordnete vor, dem außenpolitischen Ansehen des Landes geschadet zu haben. Klaus wiederum setzte dem entgegen, seine Kritiker würden die EU-skeptischen Passagen seiner Rede unnötig dramatisieren und einen "Sturm im Wasserglas" entfachen.

Mit großer Mehrheit verabschiedete das Abgeordnetenhaus schließlich eine Erklärung, nach der der EU-Beitritt weiter Priorität für Tschechiens Außenpolitik hat.

Diese Entscheidung geht nach Meinung der Tageszeitung "Lidove noviny" an dem eigentlichen Thema vorbei, wie das Blatt in seiner Montagsausgabe schreibt:

"Die Hauptdebatte zwischen den Mitgliedsstaaten geht heute nicht mehr darüber, ob die Europäische Union erweitert werden soll, sondern darüber, wohin sich der alte Kontinent orientieren wird, wie seine Regierung und Verwaltung aussehen wird. Was haben wir dazu für eine Meinung? Sagen Sie uns dazu etwas, Sie Herren Politiker, oder geben Sie den Wählern wenigstens die Möglichkeit, dass sie sich entscheiden."

Schreibt "Lidove noviny" und kommentiert weiter die Diskussion im tschechischen Abgeordnetenhaus:

"Fünf Stunden haben sich die Abgeordneten mit der Europäischen Union gequält. Fünf Stunden erhitzter Debatten über den Fehltritt von Klaus, die mit einem Beschluss endeten, der vielleicht vor 15 Jahren überrascht hätte, das ist - bei aller Ehre - lediglich verschenkte Zeit. Die Sitzung über Klaus und seine Rede hätte bereits nach den Worten von Premier Milos Zeman beendet werden können. Dieser konstatierte, dass unsere politischen Repräsentanten, wenn sie im Ausland irgendwelche Ansichten äußerten, klar kenntlich machen, ob es sich darüber um persönliche Meinungen oder Standpunkte politischer Parteien handelt."

Ähnlich urteilt auch die Tageszeitung "Mlada fronta dnes" in ihrer Montagsausgabe. Sie hält die gesamte "Affäre" um Klaus für überflüssig und begründet dies so:

"Milos Zeman hatte recht, als er Klaus sagte, er solle künftig nur in seinem eigenen Namen sprechen. Umgekehrt ist es fehl am Platz, Klaus als jemanden darzustellen, der mehr als irgendein anderer tschechischer Politiker unser schönes Image in der Welt beschädigt. Die europäischen Demokratien sind an Meinungsvielfalt gewöhnt. Eben darum, weil sie Demokratien sind."

Urteilt "Mlada fronta dnes". Die Tageszeitung "Pravo" sieht dies anders und schreibt:

"Klaus ist für die Tschechische Republik und deren Auslandsbeziehungen ein immer größeres Problem. Seine europaskeptischen Reden werden von den EU-Mitgliedsstaaten mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Wenn Klaus in der Rolle des Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses im Europäischen Parlament den EU-Integrationsprozess anzweifelt, zweifelt er die Außenpolitik des Landes an."

Abschließend noch einen Auszug aus "Mlada fronta dnes", die warnt: "Die letzte Affäre um Klausens Rede in Brüssel war ein Beispiel für Fanatismus auf beiden Seiten. Und das ist kein guter Beginn des Wahlkampfes."

Soweit unser heutiger Medienspiegel. Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freuen uns auf ein Wiederhören am kommenden Freitag.