Der Prager Stadtteil Karlin erwacht zum neuen Leben
Der Prager Stadtteil Karlin galt jahrzehntelang, genauer gesagt seit der Industrialisierung im 19.Jahrhundert, als ein Arbeiterviertel, von dem heimische Medien im Vergleich zu anderen - wie es hieß - nobleren Lokalitäten der Hauptstadt wesentlich weniger berichteten. Seit einem Jahr, nachdem Karlin von dem Jahrhunderthochwasser am schwersten von der ganzen Stadt betroffen wurde und sich nur langsam von der Katastrophe erholt, hat sich in dieser Hinsicht vieles verändert. Vor wenigen Tagen machte Karlin wieder Schlagzeilen: Nach mehr als einem Jahr ist es wieder durch rekonstruierte Straßenbahnstrecken mit dem Rest der Stadt verbunden. Wie man heute in Karlin lebt ist auch das Thema unseres Feuilletons, sozusagen aus der Sicht der "Karlinerin" Indra Hildebrandt - Sochor:
Ziemlich genau 13 Monate hatte es gedauert, bis im Stadtteil Karlin endlich wieder die für Prag so typischen Straßenbahnen fahren konnten. Und in dieser Zeit hatte man sich irgendwie auch an das Bild des kompletten Chaos in dem ohnehin Baustellen trächtigen Teil der Stadt gewöhnt. Seit dem Frühjahr konnte man erleben, wie die unglaublichsten Maschinen ihren Weg durch nicht mehr vorhandenen Straßen fanden und wie dutzende Arbeiter gleichzeitig das Großprojekt in Angriff nahmen. Ich glaube, wir alle kennen die Scherze über die "Baustellenmentalität" : einer gräbt ein Loch, vier schauen zu, drei machen Pause. Doch was hier in den letzten Monaten geschafft wurde, verdient schon ein wenig Respekt. Nicht nur die Schienen wurden komplett erneuert - spätestestens seit Beginn der Bauarbeiten kennt übrigens jedes Kind in Karlin das Wort "Antivibrationsschienen"- auch die Straße und der Bürgersteig wurden gleich mit in Angriff genommen.
Während dieser Zeit, waren schon mehrere größere Hotels im innenstadtnahen Karlin geöffnet und man sah nicht selten völlig verwirrte Besucher mit Stadtplänen über aufgerissene Straßen und Bürgersteige stolpern in dem Bemühen, die eingezeichnete Straßenbahn ausfindig zu machen. Gerade die deutschen Touristen mussten verwundert feststellen, das selbst an Sonntagen relativ fleißig gearbeitet wurde - eine Tatsache, die in Deutschland ja undenkbar ist. Zwar blieben die lautesten Maschinen sonntags außen vor, doch es wurde wirklich gearbeitet. Und noch eine Woche vor der geplante Inbetriebnahme hätte kaum ein Beobachter gedacht, daß hier wirklich eine Straßenbahn unbeschadet fahren könne. Selbst als die Bahn wieder fuhr, konnten es viele Anwohner nicht glauben, so plötzlich kam es. So dauerte meine erste Fahrt mit der Bahn in die Stadt auch etwas länger, aufgrund mehrer parkender Autos, die den Weg versperrten. Immerhin war die Strecke 13 Monate außer Betrieb und die Anwohner hatten sich daran gewöhnt, auf der unbenutzten Straße zu parken.
So ist mal wieder eine Baustelle aus Karlin verschwunden und zurück bleibt eine komplett erneuerte und verschönerte Straße - etwas, an das ich mich gerne gewöhne.