Der tibetische Geistliche Dalai Lama sprach auf zwei Foren in Prag

Dalai Lama und Vaclav Havel

Das Oberhaupt des tibetischen Lamaismus, der Dalai Lama, hat in diesen Tagen auf zwei in Prag stattfindenden Foren gesprochen. Martina Schneibergova fasst zusammen.

Dalai Lama und Vaclav Havel
Am Sonntag wurde in Prag eine internationale Konferenz eröffnet, auf der Vertreter von etwa 250 gemeinnützigen Organisationen über Möglichkeiten und Strategien zur Unterstützung des Tibets diskutieren. An der feierlichen Eröffnung der Konferenz, die u.a. von der Friedrich Naumann-Stiftung organisiert wird, nahmen auch der ehemalige tschechische Staatspräsident Vaclav Havel und der Vizevorsitzende des tschechischen Senats Jan Ruml teil. Vaclav Havel erklärte, es sei nicht ausgeschlossen, dass bestimmte Autoritäten in China, Tschechien oder anderswo ein wenig nervös seien. Denn die chinesische Botschaft in Prag hat am Freitag gegen Dalai Lamas Prag-Besuch und gegen die Tibet-Konferenz protestiert. Vaclav Havel betonte in diesem Zusammenhang, niemand habe einen logischen und vernünftigen Grund, nervös zu sein. Der Dalai Lama hob hervor, seine Exil-Regierung bemühe sich darum, nach einer Lösung des Tibet-Problems zu suchen und hoffe, dass sie in diesem Bemühen erfolgreich sein werde. Im Tibet habe sich jedoch die Lage nicht verbessert, die tibetische Kultur werde auch weiterhin unterdrückt, sagte der Dalai Lama. Die Vorwürfe aus China, dass er ein "Zerstörer und Separatist" sei, wies er scharf zurück. Er hege keine negativen Gefühle gegenüber den Chinesen und dem chinesischen Kabinett, sagte der Geistliche. Ähnlich wie der Dalai Lama betonte auch der Premier der tibetischen Exil-Regierung Samdhong Rinpoche die Gewaltlosigkeit des tibetischen Kampfes. Er forderte die chinesische Führung auf, die jetzige Chance zur Lösung des Tibet-Problems zu nutzen und erinnerte daran, dass die tibetische Seite ihre Anhänger aufgefordert hatte, während der Besuche chinesischer Politiker im Ausland auf Proteste zu verzichten.

Als einer der Veranstalter der Konferenz sprach sich der Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung, Otto Graf Lambsdorff zu dem erwähnten Protest der chinesischen Botschaft aus. Der Protest spreche - so Lambsdorff - eine sehr alte Sprache, die chinesische Botschaft sei von Peking allzu weit entfernt und mache sich nicht bewusst, dass sich auch dort einiges geändert habe.

Der tibetische Dalai Lama war einer der Diskussionsteilnehmer beim interreligiösen Dialog, der am Rande der Konferenz Forum 2000 am Sonntag im Prager Repräsentationshaus veranstaltet wurde. Nach Meinung der Organisatoren können eben die Religionen für das Schüren des Hasses zwischen den verschiedenen Kommunitäten missbraucht werden. Sie können aber auch zu Brücken bei der Überwindung der "globalen Abgründe" werden - lautete ein Motto des Treffens, an dem neben dem Dalai Lama auch Vertreter des Judentums, des Islams, des japanischen Buddhismus und des tschechischen Christentums teilnahmen. Alle versuchten, Antworten auf folgende Fragen zu finden: Ob es wünschenswert und möglich ist, die Religion von der Politik zu trennen, wie sich darum der Liberalismus und Säkularismus in den letzten Jahrhunderten im Westen bemühen; ob die Verbindung zwischen Religion und Politik zu einem fatalen Ende führen müsse oder ob sich auch Möglichkeiten einer fruchtbaren Zusammenarbeit öffnen; und auf welcher Ebene der interreligiöse Dialog heute vor allem geführt werden sollte, bzw. was für Hindernisse er zu überwinden hat. So stellte der Dalai Lama u. a. fest:

"Religiöse Institutionen und die Religion sind zwei verschiedene Dinge, wir müssen zwischen ihnen unterscheiden. Die Religion betrifft im Allgemeinen das Individuum, sein Gemüt. Die religiösen Institutionen befassen sich nicht immer nur mit Angelegenheiten der Religion und aus dem Grund ist es besser, diese Institutionen von der Politik zu trennen."

Vaclav Havel und Dalai Lama  (Foto: CTK)
Der tschechische Ex-Präsident Vaclav Havel, der von den Diskussionsteilnehmern als Präsident angesprochen wurde, bezeichnete die interreligiösen Diskussionen, die die Konferenz Forum 2000 von jeher begleiten, als eine gute Tradition:

"In unserer heutigen Welt fangen wir an zu fühlen, dass die rasende Jagd nach den Konsumgütern unserer Zivilisation nicht mehr ausreicht. Die Menschen erinnern sich allmählich daran, dass es eine langfristige Perspektive gibt, die länger ist als unsere Leben. Sie beginnen an den Tod zu denken, sie suchen nach metaphysischen Wurzeln der moralischen Ordnung und werden sich bewusst, dass es mit der Menschheit sehr schlecht enden kann, wenn diese Ordnung nicht respektiert wird. In diesem Augenblick des Erwachens der religiösen Gefühle ist es nicht nur meiner Meinung nach höchstwichtig, nicht das zu betonen, wodurch sich die Weltreligionen voneinander unterscheiden. Die Unterschiedlichkeit muss respektiert werden. Es ist notwendig, nach dem Gemeinsamen, dem Verbindenden zu suchen, was der heutigen Welt helfen kann, was zum Frieden, zur Zusammenarbeit beitragen kann."