Deutsche und Tschechen feiern gemeinsam Grenzweihnacht
Zum 15. Mal wurde vergangene Woche am Liebensteiner Tor im Fichtelgebirge, dem Grenzübergang zwischen Liba in Tschechien und Selb in Deutschland Grenzweihnacht gefeiert.
Wenn am Samstag vor dem dritten Advent der Klang der Hirtenrufhörner durch den Wald schallt, dann weiß jeder Bewohner des Gebietes um das Liebensteiner Tor, was los ist. Von deutscher Seite aus Selb kommen sie und aus Liba, deutsch Liebenstein, in Tschechien. Man trifft sich mitten im Wald, am Grenzübergang Liebensteiner Tor und was dann gefeiert wird, das ist ein ganz besonderes Fest. Denn die Grenzweihnacht hat nicht nur Tradition, sie hat auch ihre ganz eigene, besondere Atmosphäre, der auch Dauer-Nieselregen und schlammiger Boden nichts anhaben können. Hans Popp, der Vorsitzende des Vereins Europäische Natur- und Kulturlandschaft Häuselloh - kurz Enkl - der die Grenzweihnacht organisiert, weiß warum: "Nicht nur, dass man eine Waldweihnacht hat, wie sie hier sonst auch üblich ist, sondern diese hat zusätzlich noch den Charme der Grenze."
Tatsächlich treffen sich Deutsche und Tschechen direkt auf der kleinen Lichtung rund um den Grenzstein. Auf den Schildern steht Pozor! Statni Hranice, Achtung! Staatsgrenze, doch die Zeiten, als die Grenze Deutsche und Tschechen tatsächlich trennte, sind vorbei. Für Pfarrerin Winzer-Chamrad, die in diesem Jahr die Gestaltung der Weihnachtsfeier übernommen hatte, ist das der wichtigste Aspekt der Grenzweihnacht.
"Wir treffen uns an dieser Grenze, die ja wirklich einst schwer bewacht war. Und dass es jetzt möglich ist, sich hier zusammenzufinden und gemeinsam etwas zu unternehmen, sich zu begegnen, miteinander zu sprechen, das finde ich besonders wichtig."
Eingeläutet, im wahrsten Sinne des Wortes, wurde die Grenzweihnacht. Denn seit diesem Jahr hat der Grenzübergang am Liebensteiner Tor seine eigene Kapelle. Die Glocke war im Oktober auf dem Selber Marktplatz geweiht worden und wurde nun das erste Mal geläutet. Viele der Besucher sahen die Kapelle an diesem Abend zum ersten Mal und waren begeistert, als die Glocke erklang. Die Idee, hier eine Kapelle zu errichten geht auf die Weihnachtsfeier im letzten Jahr zurück. Wenn 2006 der Grenzübergang am Liebensteiner Tor geöffnet werden sollte, dann wollte man zum Dank eine Kapelle errichten. Tatsächlich ist das Liebensteiner Tor seit dem Frühjahr 2006 offizieller Grenzübergang und Hans Popp hat sein Versprechen nicht vergessen.
"Diese Kapelle verbindet die beiden Nachbarstädte Liba und Selb auf ganz besondere Weise, weil sie ihre imposante Gestalt erst durch die Schindeln erhalten hat, die in Liba angerfertigt worden sind. Es sind Schindeln aus bioimprägniertem Lerchenholz, das Wind und Wetter, wie es hier im Wald an der Grenze immer wieder einmal aufkommt, standhält . "
Zwar steht die Kapelle am Liebensteiner Tor aus rechtlichen Gründen nur auf deutschem Boden, trotzdem ist sie ein echtes Werk der Völkerverständigung. Der Innenraum ist zu beiden Ländern hin offen und der Granit für den Boden kam sowohl aus Tschechien als auch aus Deutschland. Bernd Hammerschmidt, der zweite Vorsitzende des Vereins Enkl, erklärt warum auch ihr Standort eine besondere Bedeutung hat.
"Die Kapelle liegt an einer ganz alten Handelsstraße, die 1340 das erste Mal erwähnt wurde. Das war die Handelsstraße zwischen Eger und Hof. Die Straße war bis ins 18. Jahrhundert offen, sie war unbefestigt und wurde mit Fuhrwerken befahren, natürlich auch für die Rohstoffe der keramischen Industrie, die schon immer aus Tschechien kamen. Daher war diese Straße eine ganz wichtige Verbindung."Offiziell eingeweiht wird die Kapelle zwar erst im Frühjahr, denn noch fehlt die Innenausstattung, trotzdem wurde sie schon in die Feier mit einbezogen. Pfarrerin Winzer-Chamrad hielt von hier aus ihre zweisprachige Predigt, die von Beiträgen tschechischer, wie auch deutscher Musiker umrahmt wurde. Der Chor Haj aus Asch bekam ebensoviel Beifall wie die Egertaler Blaskapelle.
Einen Beitrag zum Programm lieferten außerdem Schüler aus Liba, die für die Feier kleine Gedichte einstudiert hatten. Nach dem Segen übernahm der Nikolaus aus Finnland das Mikrofon, seine Rentiere hatte er zwar nicht mitbringen können, die waren von der langen Reise zu erschöpft, dafür begleiteten ihn aber zwei Engel. Wer schön gesungen oder ein Gedicht vorgetragen hatte, der bekam vom Nikolaus natürlich eines der rund 140 Päckchen, die man in Selb und Liba gepackt hatte. Und wer sich gar nicht traute, bei dem drückte der Nikolaus dann auch mal ein Auge zu.
Entstanden ist die Grenzweihnacht aus einer Idee des Vorsitzenden des Vereins Enkl, Hans Popp. Der war zur Zeit der Wende Inhaber des Forstreviers am Liebensteiner Tor und hatte sich schon lange gewünscht, mit den tschechischen Förstern in Kontakt zu kommen. So war die Grenzweihnacht zunächst eine private Feier unter Förstern und fand auch nur statt, wenn Schnee für die richtige Kulisse gesorgt hatte. Mit der Zeit wuchs aber das Interesse der Bevölkerung, so dass sich die Grenzweihnacht von einer kleinen Feier zu einem großen Fest mit hunderten Besuchern aus beiden Ländern entwickelte. Hans Popp erzählt, welche Mühen diese auf sich nehmen, um an der Grenzweihnacht teilnehmen zu können.
"Es gab Winternächte, da mussten die Leute zum Teil mit Skiern herfahren. Dann gab es Weihnachtsabende, an denen Glatteis war, wo wir hier streuen mussten. Und inzwischen haben wir bemerkt, es geht nicht mehr, dass wir das Wetter beobachten und sagen: 'Kommt Schnee, machen wir Weihnacht, kommt kein Schnee, machen wir keine Weihnacht', wegen des regen Interesses haben wir festgelegt, immer am Samstag des dritten Advents, wird diese Waldweihnacht gefeiert, ganz gleich, wie das Wetter ist."Die vielen Besucher der Grenzweihnacht sind ausnahmslos begeistert. Besonders wichtig sind ihnen die vielen deutsch-tschechischen Freundschaften, die hier geschlossen werden.
"Es treffen sich Freunde und Bekannte, das ist sehr schön. Es werden auch viele Kontakte geknüpft. Weil Freunde wieder weitere Freunde machen, geht es immer weiter.""Mit gefällt es hier sehr, wir sind schon das dritte Mal hier und es ist immer wieder schön, so romantisch. Das letzte Mal war Schnee, da war es noch viel schöner.""Das ist wunderbar hier, die Freundschaften mit den Tschechen. Wir können zwar nur ein ganz kleines bißchen Tschechisch. Aber es ist trotzdem ganz hervorragend."
Natürlich waren auch die offiziellen Vertreter der beiden Gemeinden zur Grenzweihnacht gekommen, auch, um die guten Kontakte weiter zu pflegen. Für Selb kam Oberbürgermeister Wolfgang Kreil, für Liba die zweite Bürgermeisterin Pivonkova. Die lobte die gute Zusammenarbeit mit Selb, sowohl auf offizieller, als auch auf inoffizieller Ebene.
Es wird nicht die letzte Grenzweihnacht gewesen sein, am Liebensteiner Tor, denn die Besucher kommen sicherlich auch im nächsten Jahr wieder, um am wärmenden Scheitfeuer gemeinsam Weihnachten zu feiern.