Die politische Krise in Tschechien und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft

Welche Folgen haben die ergebnislosen politischen Gespräche über eine neue tschechische Regierung auf die Wirtschaft des Landes? Silja Schultheis und Robert Schuster gehen in der folgenden Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz der Frage nach, wie widerstandsfähig die tschechische Wirtschaft gegenüber den politischen Einflüssen ist.

Von links: Miroslav Kalousek,  Mirek Topolanek und Martin Bursik  (Foto: CTK)
Auch gut neun Wochen nach den Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus ist immer noch keine Einigung auf eine neue Regierung in Sicht. Verfolgt man die Berichterstattung der Medien in den letzten Tagen, kann man sogar leicht das Gefühl bekommen, als ob die bisher erfolglosen Gespräche der Spitzen der tschechischen Parlamentsparteien buchstäblich in das große Sommerloch gefallen wären. Schon längst widmen sich nämlich die Medien in erster Linie dem eskalierenden Konflikt im Nahen Osten, oder etwas weniger originell, der anhaltenden Hitzewelle. Das Tauziehen in der tschechischen Innenpolitik wird immer öfter von den Titelseiten der Medien, und somit auch von der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt.

Erstaunlich gering waren bislang die Auswirkungen der erfolglosen Regierungsbildung auf die tschechische Wirtschaft. Dass diese Zusammenhänge zwischen Politik und Wirtschaft nach wie vor bestehen, hat jüngst das Beispiel der benachbarten Slowakei gezeigt. Als dort vor gut einem Monat die neue linkspopulistische Regierung von Robert Fico ihr Amt antrat, war die slowakische Währung starken Schwankungen ausgesetzt, die Börsenkurse fielen vorübergehend in den Keller und ausländische Wirtschaftsexperten äußerten ihre Hoffnung, dass die neue Regierung nicht alle wirtschaftliche Reformen der vergangenen Jahre zurücknehmen würde. In Tschechien hingegen konnte angesichts der ungewissen politischen Zukunft des Landes bislang nichts Vergleichbares festgestellt werden. Die Prognosen für das kommende Quartal gehen weiterhin von einem robusten Wirtschaftswachstum aus - egal, ob mit, oder ohne Regierung.

Wie resistent ist eigentlich die tschechische Wirtschaft generell gegenüber den Einflüssen der heimischen Innenpolitik? Das fragten wir den Wirtschaftsforscher Daniel Munich von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften:

"Ich denke, dass bislang die Unfähigkeit sich auf einer neuen Regierung zu einigen keine Folgen für die Wirtschaft hatte. Das hat einen ganz einfachen Grund und zwar, weil eine schwierige Regierungsbildung allgemein erwartet wurde. Sollte sich aber bis September am gegenwärtigen Stand nichts ändern, könnte das schon Auswirkungen haben. Im Herbst muss zum Beispiel ein neuer Haushalt beschlossen werden. Sollte dies nicht gelingen, müsste ein provisorisches Budget verabschiedet werden. Gelingt keine Einigung auf einen Haushalt, könnte eine Erhöhung des bestehenden Defizits die Folge sein. Zu den Konsequenzen würde dann auch eine weitere Verschiebung des Beitritts Tschechiens zur Eurozone gehören. Ein allzu großes Defizit könnte nämlich den ursprünglichen Fahrplan gefährden."

Derzeit sind beim tschechischen Polit-Poker praktisch alle Varianten möglich - beginnend mit einer Minderheitsregierung, bis hin zu Neuwahlen. Was ist aus der Sicht eines Wirtschaftsforschers für die heimische Wirtschaft schlechter: eine Minderheitsregierung, die sich die Unterstützung für ihre Vorhaben stets auf Neue im Parlament sichern muss, eine große Koalition zweier widersprüchlicher Partner, oder vorgezogene Neuwahlen? Daniel Munich:

"Allgemein lässt sich nicht sagen, dass eine Variante besser als die andere wäre. Es kommt immer auf die ganz konkreten Umstände an beziehungsweise auf den Inhalt des vereinbarten Programms. Aus heutiger Sicht lässt sich sehr schwer sagen, worauf sich die Bürgerdemokraten und die Sozialdemokraten einigen könnten - egal, ob es sich um eine große Koalition, oder um die Tolerierung einer Minderheitsregierung handeln würde. Die dritte Variante in Gestalt von vorgezogenen Neuwahlen ist ebenfalls mit einem großen Fragezeichen verbunden - ihr Ergebnis kann man nur sehr schwer voraussagen. Würden dabei die Sozialdemokraten zusammen mit den Kommunisten eine Mehrheit erhalten, wäre das schade für die Wirtschaft des Landes. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Wahlen dann wirklich so enden würden, liegt bei fünfzig zu fünfzig. Dann wäre noch der Zeit-Faktor zu bedenken. Vorzeitige Neuwahlen könnten auch nicht gleich stattfinden, es müssten gewisse Fristen eingehalten werden und die Konsequenz wäre dann eine Verzögerung bei anderen Fragen, wie etwa beim Haushalt für das nächste Jahr."

Tschechien ist es in den vergangenen Jahren gelungen eine Reihe von Großinvestoren ins Land zu holen, deren Engagement sich nicht nur positiv auf dem Arbeitsmarkt ausgewirkt hat, sondern auch für das kräftige Wirtschaftswachstum mit verantwortlich war. Gerade große, weltweit tätige Unternehmen sind jedoch sehr sensibel auf Signale, dass sich die wirtschaftlichen Grundvoraussetzungen in dem einen oder anderen Land ändern könnten. Wie würden die Investoren im Falle Tschechiens reagieren, wenn es zum Beispiel auch in den kommenden Monaten keine Regierung geben würde? Dazu meint der Wirtschaftsforscher Daniel Munich:

"Sollten sich die politischen Gespräche weiter in die Länge ziehen, wäre das Parlament paralysiert und der Weg der Gesetzgebung wäre somit behindert. Das hätte dann aber paradoxerweise nicht nur negative Folgen. In den letzten Jahren wurden so viele neue Gesetze vom Parlament verabschiedet, dass viele Unternehmer ganz einfach den Überblick verloren haben, so dass es vielleicht gar nicht so schlecht wäre, wenn eine Zeit lang gar keine neuen Normen verabschiedet würden. Aber wenn es hier zum Beispiel eine Regierung geben würde, die von der Unterstützung der kommunistischen Abgeordneten abhängig wäre, dann könnte das so manchen potentiellen Investor verschrecken. Die Kommunisten würden ihre Unterstützung natürlich nicht billig verkaufen. Am Anfang stünden eventuell Forderungen nach einer Korrektur der Außenpolitik des Landes, am Ende könnte dann aber auch der wirtschaftliche Bereich betroffen sein. Die Investoren würden am Anfang vielleicht nicht generell einen Bogen um Tschechien machen, aber sie würden bestimmt vorsichtiger sein."

Neben den innenpolitischen Turbulenzen war jedoch die tschechische Wirtschaft in den vergangenen Wochen verstärkt auch dem Einfluss von globalen Entwicklungen ausgesetzt - Stichwort: der wachsende Rohölpreis. Wie stark kann eine kleine Volkswirtschaft, wie Tschechien, solchen globalen Tendenzen entgegenwirken? Das war unsere abschließende Frage an den Wirtschaftsforscher Daniel Munich von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften:

"Die tschechische Volkswirtschaft ist eine kleine und offene Volkswirtschaft und ist somit den globalen Entwicklungen sehr stark ausgesetzt. Das birgt Risiken in sich, hat aber auch Vorteile. Diese Offenheit der Wirtschaft war bislang auch einer der Gründe, warum das Land heute wirtschaftlich so gut dasteht. Aber natürlich können weltumspannende Krisen, wie etwa ein weiterer Ölschock, Tschechien - wie auch jede andere Marktwirtschaft - treffen. Daran lässt sich nichts verändern. Man kann aber versuchen dem Ganzen gegenzusteuern und auf Regierungsebene vorbeugend Einiges zu unternehmen, um die Folgen zu minimalisieren, damit auch die Wirtschaft in solchen Situationen flexibel reagieren kann. Zu diesen Maßnahmen gehört zum Beispiel eine stärkere Diversifizierung der Industriestruktur - ganz konkret heißt das etwa keine weiteren Automobilwerke ins Land zu locken. Auch die Gesetzgebung bei der Arbeitszeit sollte lockerer sein und in die Fortbildung der Arbeitskräfte sollte investiert werden. Ziel sollte es sein, dass die Volkswirtschaft es selber schafft sich den neuen Anforderungen anzupassen, ohne dass es dabei zu allzu großen sozialen Konflikten kommt. Falls ein solches Umfeld nicht vorhanden sein wird, dann können die Folgen dieser negativen globalen Trends nicht nur groß, sondern auch lang anhaltend sein."