Die Prager Hausnummerntautologie
Eine Tautologie ist eine Fügung, die einen Sachverhalt doppelt wiedergibt. Zum Beispiel: Ein alter Greis. Oder: Hinter Schloss und Riegel. Doppelt gemoppelt sagt man dazu in der Umgangssprache. Auch Definitionen und mathematische Gleichungen sind im Prinzip tautologisch: Ein Greis ist ein alter Mensch, zwei plus zwei ist vier. Und dann gibt es noch die Prager Hausnummerntautologie. Die aber ist weder elegant noch hilfreich noch logisch, sondern einfach nur tautologisch.
Die Adresse gibt es aber trotzdem. Allerdings handelt es sich nicht um Haus- und Türnummer. 1601, das ist die so genannte Konskriptionsnummer. Und 47, also das was man normalerweise einfach als Hausnummer bezeichnen würde, das ist auf Amtstschechisch die orientační číslo - die Orientierungsnummer. Während die Orientierungsnummern sich schön ordentlich aneinanderreihen, die geraden rechts, die ungeraden links, verweisen die Konskriptionsnummern lediglich auf die beschränkt interessante Geschichte der Grundbucheinträge in einem Bezirk. Eigentlich ist das Haus Wenzelsplatz 47 identisch mit dem Haus Neustadt 1601.
An dieser Hausnummerntautologie wäre weiter gar nichts auszusetzen, würden sich die Konskriptionsnummern irgendwo in den Akten der Stadtverwaltung verstecken. Doch leider prangen sie an jedem Prager Haus, in knalligem Rot, neben dem bescheidenen Blau der Orientierungsnummertafel. Mehr noch: Auf Ämtern, beim Gaswerk, im Fitnesscenter, eigentlich überall dort, wo es Formulare gibt, wird die Adresse gemäß dem oben genannten Beispiel verlangt: Wenzelsplatz 1601/47. Die amtliche Konskriptionsnummer an prominenter erster Stelle; die Orientierungsnummer, die ja bestenfalls Freunde, Postboten, Taxifahrer oder Rettungsdienste benötigen, schön hinten auf Platz zwei.
Besonders unangenehm wird die Prager Hausnummerntautologie, wenn eine Konskriptionsnummer so niedrig ist, dass sie auch als Orientierungsnummer infrage käme. Da entsteht schon mal akuter Erklärungsbedarf, wenn man ein paar Bekannte zum Essen einladen möchte.
Die Geburtsnummer, die mir das Tschechische Statistikamt vor einigen Jahren zugewiesen hat, kann ich mittlerweile auswendig. Meine Konskriptionsnummer aber, die will mir nicht und nicht in den Kopf. Doch zum Glück steht sie ja in meinem tschechischen Personalausweis namens "Bescheinigung über die Aufenthaltsgenehmigung für einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union". Das ist natürlich ein tautologischer Ausweis, denn als EU-Bürger kann ich mich in der EU aufhalten, wo ich möchte. Aber wer weiß? Vielleicht brauche ich ja eine zweifache Aufenthaltsgenehmigung, weil ich zwei Hausnummern habe.