Die Schlacht von Zborov
Während grosser Kriege werden viele Schlachten geschlagen. Einige sind von Bedeutung für den Ausgang des Krieges, andere nicht und wieder andere sind zwar für den Kriegsverlauf bedeutungslos, nicht aber für das Schicksal von Völkern. Von einer solchen Schlacht soll im heutigen Geschichtskapitel die Rede sein, genauer gesagt von der Schlacht von Zborov am 2. Juli 1917. Diese Schlacht war zwar für den Verlauf des Ersten Weltkrieges und dessen Ergebnis völlig belanglos, nicht aber für die Entstehung des tschechoslowakischen Staates im Oktober 1918.
Während grosser Kriege werden viele Schlachten geschlagen. Einige sind von Bedeutung für den Ausgang des Krieges, andere nicht und wieder andere sind zwar für den Kriegsverlauf bedeutungslos, nicht aber für das Schicksal von Völkern. Von einer solchen Schlacht soll im heutigen Geschichtskapitel die Rede sein, genauer gesagt von der Schlacht von Zborov am 2. Juli 1917. Diese Schlacht war zwar für den Verlauf des Ersten Weltkrieges und dessen Ergebnis völlig belanglos, nicht aber für die Entstehung des tschechoslowakischen Staates im Oktober 1918.
Als vor 88 Jahren, am 29. Juli 1914, der Erste Weltkrieg begann, brach in den Böhmischen Ländern keine grosse Begeisterung aus. Die meisten Tschechen, damals noch Bewohner der Habsburger Monarchie, folgten den Mobilmachungsbefehlen eher gleichgültig. Sie hofften, dass es wenigstens nur ein kurzer Kriegzug sein wird. Kaum einer konnte sich vorstellen, dass die verhängnisvollen Schüsse von Sarajewo den Beginn eines vierjährigen, weltweiten Krieges bilden sollten, der die Landkarte Europas sehr verändern sollte. Damit, dass am Ende des Krieges ein selbständiger Staat der Tschechen und Slowaken entstehen könnte, rechneten die Bewohner dieses zukünftigen Staates damals nicht.
Dies änderte sich im Verlauf des Krieges. Fast aussichtslos erschienen zunächst die Bemühungen des Prager Philosophieprofessors Tomas Garrigue Masaryk, westliche Politiker von der Idee eines selbständigen Staates der Tschechen und Slowaken zu überzeugen. In unermüdlicher Arbeit machte sich Masaryk mit seinen beiden Helfern, dem jungen Juradozenten Edvard Benes und dem seit Jahren in Frankreich lebenden slowakischen General Milan Rastislav Stefanik daran, die alliierten Regierungen von der Notwendigkeit eines selbständigen tschechoslowakischen Staates zu überzeugen. Doch die Regierungen in Paris, London und Washington wollten lange nichts von diesen Plänen hören.Lange dachten Masaryk und seine Mitstreiter darüber nach, wie sie die Alliierten von der Ernsthaftigkeit ihrer Bemühungen überzeugen könnten. Schliesslich war die Idee geboren: eigene, tschechoslowakische Truppen sollten Paris, London und Washington zeigen, dass die Tschechen und Slowaken bereit waren, für ihre Unabhängigkeit nicht nur mündlich zu verhandeln, sondern auch auf den Schlachtfeldern zu kämpfen.
Die ersten tschechoslowakischen Verbände waren bereits kurz nach Kriegsausbruch in Russland aus dort lebenden Tschechen, Überläufern und Kriegsgefangenen gebildet worden. Zunächst dienten Tschechen und Slowaken dem russischen Heer als Spione, da sie das feindliche, österreichische Heer gut kannten und über entsprechende Sprachkenntnisse verfügten. Verhandlungen über die Anerkennung der Selbständigkeit der tschechoslowakischen Truppen und ihren Einsatz in Schlachten zogen sich aber hin. Im März 1917 reiste Masaryk schliesslich persönlich nach Russland, um mit der neuen, demokratischen Regierung über die Bildung einer tschechoslowakischen Legion zu verhandeln. Erfolg hatte Masaryk erst nach der Schlacht von Zborov am 2. Juli 1917.
In der Nähe von Zborov, einem kleinen, rund 70 Kilometer östlich von Lvov-Lemberg gelegenen Dorf, das vor Kriegsbeginn an der Grenze zwischen dem österreichischen Galizien und Russland lag, verlief seit Sommer 1916 die Frontlinie. Die Schlacht von Zborov war eine von vielen Schlachten während der russischen Kerenski-Offensive, mit der die Russen die österreichischen Truppen zurückzudrängen versuchten.
Am 2. Juli 1917 stand das tschechoslowakische Schützenbattalion, das Bestandteil der russischen Armee war, österreichischen Truppen gegenüber. Genauer gesagt dem 35. Pilsner und dem 75. Neuhauser Fussregiment. In der Schlacht von Zborov kämpften also auf beiden Seiten Tschechen: die einen auf Seiten der Alliierten für einen unabhängigen tschechoslowakischen Staat - die anderen auf Seiten der Österreicher und für die Habsburger Monarchie. Das Zahlenverhältnis und die Ausrüstung sprachen zuungunsten des tschechoslowakischen Regiments. In diesem dienten 3.500 Soldaten - diesen standen 12.500 Soldaten des österreichischen Heeres gegenüber. Das tschechoslowakische Regiment war zudem schlecht ausgerüstet und verfügte über geringe Kampferfahrungen. Doch einen Vorteil sollen jene tschechischen und slowakischen Soldaten gegenüber ihren Feinden gehabt haben: sie sollen voller Begeisterung, Entschlossenheit und Disziplin gekämpft haben - für ihren zukünftigen eigenen Staat.
Zur grossen Überraschung der russischen und östrreichischen Befehlshaber schlug sich das tschechoslowakische Regiment erstaunlich gut. Mit einer neuen, schachbrettähnlichen Angriffsformation, die sich die beiden tschechischen Befehlshaber ausgedacht hatten, wurden die Hasburger Truppen überrascht und überrannt. Am Ende des Tages waren 180 tschechoslowakische Soldaten gefallen und 800 verletzt. Die Verluste der österreichischen Einheiten waren um einiges grösser. Zudem wurden rund 3.000 Gefangene gemacht, hunderte von Gewehren und Geschützen samt Munition erbeutet und ein Vorstoss von 5 Kilometern in die feindlichen Linien erreicht.
Die Schlacht von Zborov war ein voller Erfolg für die tschechoslowakische Einheit, für die die Allierten nur anerkennende Worte fanden. Ein französischer Kriegsattache soll voll Bewunderung gesagt haben:
"Ich habe Engländer, Franzosen, Deutsche, Belgier, Serben und Senegalesen angreifen gesehen, aber so etwas, was die tschechoslowakischen Freiwilligen gezeigt haben, habe ich noch nie gesehen."
Für den Verlauf des Weltkriegs und der Ostfront blieb dieser Sieg allerdings ohne Folgen. In einer Gegenoffensive drängte das österreichische Heer in den folgenden Wochen die russischen Truppen kilometerweit zurück - doch die tschechoslowakischen Soldaten hatten ein wertvolleres Ziel durch ihren Sieg bei Zborov erreicht als die Eroberung einiger Kilometer: die Anerkennung der Allierten. Tomas Masaryk bemerkte über die Bedeutung der Schlacht für die Entstehung der selbständigen Tschechslowakei folgendes:
"Es war Zborov, das uns ermöglichte, eine Armee zu organisieren - und diese Armee stellte die nötige Bedingung für unsere Freiheit und Selbständigkeit dar. Ohne unsere Auslandsarmee hätten wir unsere Selbständigkeit nie erreicht. Zborov war ein Meilenstein für unsere Auslandsaktion."
Dank der Vorstellung des tschechoslowakischen Regiments in der Schlacht von Zborov hatte sich die politische und militärische Position der für die Unabhängigkeit kämpfenden Tschechen und Slowaken enorm verbessert. Im Februar 1918 entstand in Russland schliesslich die eigenständige tschechoslowakische Legion. In dieser dienten bis zu 90.000 tschechoslowakische Soldaten.
Masaryk plante, diese starke, in Russland stationierte Legion nach Frankreich zu verlegen. Doch die politischen Veränderungen in Russland machten einen Strich durch diese Rechnung. In den Wirren des russischen Bürgerkriegs nach der Oktoberrevolution kämpften die tschechoslowakischen Soldaten zum Teil gegen die kommunistische Rote Armee. Für einige Monate beherrschten Tschechen und Slowaken die strategisch wichtige Transsibirische Eisenbahn. Einer der Befehlshaber der Truppen in Sibirien war übrigens der bekannte Schriftsteller Jaroslav Hasek, der literarische Vater des wohl bekanntesten tschechischen Soldaten des Ersten Weltkriegs, des braven Soldaten Svejk. Erst 1920 kehrten diese Soldaten über Vladivostok und einer langen Schiffsreise nach Europa in ihre Heimat zurück.
Doch nicht nur in Russland waren tschechoslowakische Truppen zur Unterstützung der nationalen Forderungen der Tschechen und Slowaken entstanden. Bereits kurz nach Kriegsausbruch meldeten sich in Frankreich lebende Tschechen und Slowaken freiwillig zur Armee. So entstand das Battalion Nazdar. Nach komplizierten Verhandlungen mit der französischen Regierung wurde dieses im Dezember 1917 - also nach der Schlacht von Zborov, die auch in Frankreich das Ansehen der Tschechen und Slowaken gestärkt hatte - in eine tschechoslowakische Brigade umgewandelt. Vier Regimenter in einer Gesamtstärke von 10.000 Mann nahmen dann an den Kämpfen im Elsass und in der Champagne auf Seiten der Franzosen teil.
In Italien war im April 1918 eine tschechoslowakische Einheit entstanden, die unter anderem in der Piave-Schlacht kämpfte. Von den 20.000 tschechischen und slowakischen Soldaten, die in Italien gegen die Österreicher kämpften, fielen 600. Die tschechoslowakischen Truppen in Russland, Frankreich und Italien verbesserten die Stellung Masaryks bei seinen Verhandlungen mit den Allierten erheblich und führten schliesslich zur Anerkennung der Selbständigkeit eines tschechoslowakischen Staates.
Der 2. Juli, der Tag der Schlacht von Zborov, war in der ersten Tschechoslowakischen Republik zwischen 1919 und 1938 so etwas wie ein Staatsfeiertag, an dem an die Gründung der tschechoslowakischen Armee erinnert wurde. Viele der Soldaten von Zborov wurden später Offiziere der Armee im neu entstandenen Staat. Die Legionen aus Russland, Frankreich und Italien bildeten die Grundlage der neuen Armee und ihrer demokratischen Führung. Das Ansehen der tschechoslowakischen Legionäre, die im Ausland für die Entstehung der Republik gekämpft hatten, war gross. 1921 entstand die Tschechoslowakische Legionärsgemeinde, deren Mitglieder Soldaten der tschechoslowakischen Einheiten aus Russland, Frankreich und Italien waren. Die Legionäre verfügten nicht nur über eigene Gebäude, einen eigenen Verlag samt Druckerei und ein Hochseeschiff, sondern auch über eine eigene Bank sowie Pflegeheime und Sanatorien. Eine ihrer Hauptaufgaben sahen die bis zu 80.000 Mitglieder darin, ihre demokratische Republik zu schützen und im Notfall zu verteidigen.
Dieser Notfall trat nach 1938 ein. Der " Geist von Zborov", derjenigen also, die bereit gewesen waren, für die Entstehung eines eigenen Staats ihr Leben zu opfern, wurde 21 Jahre nach der Schlacht wieder wach. Nach der Besatzung der Böhmischen Länder durch die deutsche Armee 1939 waren unter den tschechischen Untergrundskämpfern viele ehemalige Soldaten der tschechoslowakischen Legionen. Führende Widerstandskämpfer waren Veteranen der Schlacht von Zborov. Einige von ihnen, wie Otakar Husak, General Alois Elias und Josef Masin bezahlten ihren Kampf für eine freie Tschechoslowakei im Kampf gegen die Nazis mit dem Tod.
Ein schweres Leben hatten die Legionäre auch während der Herrschaft der Kommunisten. Die freiwilligen Soldaten, die während des Ersten und Zweiten Weltkriegs für eine demokratische Republik gekämpft hatten, passten nicht in die Ideologie der Kommunisten. Diese verbannten die Legioäre aus den Geschichtsbüchern. Einige Legionärs-Veteranen des Ersten Weltkriegs und Teilnehmer jener Schlacht von Zborov waren in den 50er Jahren ebenso in kommunistischen Gefängnissen und Lagern eingesperrt wie jene Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Alliertn für die Befreiung der Tschechoslowakei gekämpft hatten. Erst nach 1989 wurden diese Soldaten rehabilitiert. Die Legionärsgemeinde wurde wieder gegründet und zum 80. Jahrestag der Schlacht von Zborov reiste 1997 sogar Präsident Vaclav Havel in die Ukraine, um in jenem kleinen Dorf an die tschechoslowakischen Soldaten zu erinnern, die hier für die Unabhängigkeit ihres Landes gekämpft hatten.