Die südböhmische Kleinstadt Trebon (Wittingau)

Von Sylvie Reichel

Vom Zug aus ist der Bahnhof der südböhmischen Kleinstadt kaum zu identifizieren. Ein schmaler Grasstreifen dient provisorisch als Bahnsteig. Und das Schild mit der Aufschrift "Trebon Lazne" ist hinter eine Sitzbank gerutscht. Doch das soll sich ändern. Ein Stück weiter hämmern und spachteln einige Handwerker an einer der eindrucksvollen Stadt entsprechenden Bahnhofsstation. Denn verstecken braucht sich Trebon/Wittingau wahrlich nicht: Eine bis ins 12. Jh. zurückreichende Geschichte, viele alte Gebäude, eine einladende Umgebung und den Status eines Kurortes hat die Stadt zu bieten. In der folgenden Ausgabe unserer Touristensprechstunde möchte ich Ihnen deshalb Trebon etwas näher vorstellen.

In das Zentrum der Stadt gelangt, beeindrucken zunächst vor allem die Fassaden des Marktplatzes. Aufwendig saniert strahlen sie eine altertümlich Idylle aus. Die meisten Häuser stammen aus der Zeit der Renaissance und des Barocks. Sie ersetzten im 16./17. Jh. ihre mittelalterlichen Vorgänger, die mehreren großen Bränden zum Opfer fielen. Diese Feuersbrünste tragen auch die Schuld daran, dass heute nur noch weniges von den Anfängen der Stadt zeugt, die bis in das 12. Jh. zurückreichen. Damals entstand mitten im tiefen Wald an einem Handelspfad eine kleine Siedlung, die zunächst in den Besitz des Geschlechts der Wittigonen gelangte. Daher stammt auch der deutsche Name Wittingau. Der tschechische Name erscheint erst im 14. Jh., als der bereits zu einer kleinen Festung erweiterte Ort in den Besitz einer der einflussreichsten Familien in den böhmischen Ländern überging. Die Rosenberger kauften 1366 Trebon samt Umgebung, erzählt der stellvertretende Bürgermeister Jan Ouska.

"Ihrem Einfluss ist es zu verdanken, dass gleich zu Beginn ihrer Herrschaft in Trebon die Kirche des heiligen Ägidius und später auch das Kloster gegründet wurden. Das Kloster gehörte zu dem Orden der Augustiner und funktionierte von 1367 an bis zu der Zeit des Kaisers Josef II, der die Klöster auflöste und so auch das Kloster in Trebon."

Von der Straße aus ist der Klosterkomplex kaum zu erkennen. Die Seitenwand der Kirche wirkt unscheinbar. Und der Durchgang zum Hof wird durch ein- und ausfahrenden Verkehr jeglicher Ruhe beraubt. Aus einem der Gebäude ragt noch der Reste der Vinzenskapelle aus dem 14. Jh. Einst war sie das Herzstück vom Wohnhaus des Abtes. Heute liegt in ihr ein Treppenhaus, das zu mehreren privaten Wohnungen führt. Nach der Säkularisierung waren in die Häuser des Klosters Handwerker mit ihren Familien gezogen. Für geistliche Zwecke bestimmt blieben allein die Kirche und der Kreuzgang. Das ist bis heute so. Zwar lösten 1994 wieder vier Mönche den Gemeindepfarrer ab, die 1996 als Gemeinschaft der königlichen Jungfrau Maria anerkannt wurden. Aber sie leben nun Tür an Tür mit Nachbarn, die Gott für eine Illusion halten. Über die Kontakte zu ihnen meint Bruder Lukas:

"Die Beziehungen sind sehr unterschiedlich. Mit den nächsten Nachbarn kommt es selbstverständlich zu Konflikten, aber zu gewöhnlichen. Eigentlich kommen wir mit ihnen nicht viel zusammen. Sie leben ihr Leben und wir auch. Den meisten Kontakt haben wir einfach mit den Gläubigen der Treboner Gemeinde."

Zu den Gottesdiensten kommen fast 400 Menschen in die Kirche der königlichen Jungfrau Maria und des heiligen Ägidius, wie sie heute heißt. Darunter sind aber auch eine Menge Touristen und Badegäste, die das Kircheninnere im Winter nur während der Messen bewundern können. Dabei gibt es hier einiges zu sehen. Besonders viel Wert legen die Geistlichen auf ihre Madonnenstatue aus dem 14. Jh. Sie ist eine Werk im so genannten schönen oder auch weichen Stil: Das Gesicht sowohl von Maria als auch vom Jesuskind strahlen einen puppigen Liebreiz aus. Und die Körper sind zwar realistisch aber in anmutigen Gesten dargestellt. Passend zu dem zweischiffigen gotischen Bau sind ansonsten auch noch einige Fresken aus dem 15. Jh. Die anderen Gegenstände in der Kirche stammen jedoch fast ausschließlich aus dem Zeialter des Barocks.

Von der Empore der Kirche aus führt direkt über die Dächer der Klosterbauten und des Schlosses der so genannte lange Gang. Diesen über 100 m langen, überdachten Weg benutzen die Herrschaften einst, um vor Volk und Straßendreck geschützt von ihren Wohnstuben aus in die Kirche zu gelangen. Heute werden die unter ihm befindlichen Gemächer von einem Archiv genutzt, berichtet Jan Ouska.

"Etwa 90 Prozent von dem ausgedehnten Schlosskomplex werden als staatliches Regionalarchiv genutzt, wo von der Materialsammlungen aus der Zeit der Rosenberger an bis hin zum Personenstandsregister dieses Jahrhunderts alles archiviert ist. Diese Sammlungen umfasst gegenwärtig zum Beispiel auch Wirtschaftsbücher, gerade von dem Schwarzenberger Großgrundbesitz."

Was die Rosenberger vor dem 30igjährigen Krieg waren, das waren die Schwarzenberger danach. Beide Familien formten das Gesicht der Stadt auf ihre Weise. Zahlreiche Namen und Stätten erinnern noch an ihre Herrschaft. Und vor allem natürlich ihr Wohnort, das Schloss. Bereits in der Zeit der Wittingonen entstand auf dem heutigen Gelände eine kleine Burg, die unter den Rosenberger ausgebaut wurde. Wie viele Gebäude der Stadt fiel sie aber der großen Feuersbrunst im Jahre 1562 zum Opfer. Danach erst entstand das heutige Renaissanceschloss, konzipiert von italienischen Architekten.

Der große Komplex des Schlosses zeugt noch heute von dem Reichtum der Rosenberger. Ihre kluge Politik erlaubte sogar dem an Resourcen armen Trebon einen enorme wirtschaftliche Entwicklung, wie Jan Ouska berichtet.

"Hier war sehr viel Sumpf. Dadurch wurde Trebon zu einer uneinnehmbaren Stadt, aber für die Wirtschaft war das Gebiet praktisch nicht nutzbar. Deshalb riefen die Rosenberger Stepanek Netolicky und später, nach ihm, Jakub Krcin von Jelcany in ihren Dienst. Und diese beiden schufen die ganze künstlich angelegte Kultur- und Wirtschaftsnutzung des Gebietes, indem sie das Wasser aus dem Moorgebieten in gesicherte Senken umleiteten, wodurch sich die Teiche bildeten. Das andere trockengelegte Gebiet aber konnte für die Landwirtschaft oder die Forstwirtschaft genutzt werden."

Das ausgetüfftelte Teichsystem war nicht nur die Basis für Land- und Forstwirtschaft, es bildete auch die Grundlage für eine dritte Wirtschaftsbranche: die Fischerei. Zahlreiche Arten werden hier seit Jahrhunderten gezüchtet, vor allem aber die traditionellen Weihnachtskarpfen, die am 24. Dezember auf den Tischen der tschechischen Familien landen. Manchmal schlägt die Zucht aber auch fehl. Jahrlang versuchten die Fischer zum Beispiel in dem direkt am Rand der Stadt gelegenen Teich Svet eine breitere Fischkultur anzulegen. Doch wie viele Fische sie auch aussetzten, so richtig vermehren wollten sich die Schützlinge einfach nicht. Erst vor einigen Jahren entdeckten einige Bewohner Trebons die Ursache. Im Teich wohnte ein alter weißer Wels. Ganz stolz auf so ein Prachtexemplar ließen die Fischer ihn im Teich Svet weiterhin seine Bahnen ziehen. Und als er im März diesen Jahres über den Jordan ging, erschien sogar eine Traueranzeige in einem Treboner Monatsblättchen.

Die meisten wirtschaftlich motivierten Eingriffe in die Natur verursachen hohe Schäden im Pflanzen- und Tierbestand. In der Gegend von Trebon war es genau umgekehrt. Durch die Anlage neuer Biotope entwickelten sich die Pflanzen- und Tierwelt noch vielseitiger. Heute ist das unter Naturschutz stehende Gebiet daher ein wahres Paradies für Naturfreunde und solche, die es werden wollen. Auf zahlreiche Lehrpfaden wird erklärt, wie das Gebiet entstand und welche Tier- und Pflanzenarten zu entdecken sind. Viele Rad- und Wanderwege führen entlang der Teiche, die über 15% der Gesamtfläche einnehmen. Und im Sommer kommen dann vor allem auch die Badegäste und Wassersportler auf ihre Kosten. 30000 Touristen lassen sich jedes Jahr in Trebon blicken, einer Stadt die selbst nur gerade mal knapp über 9000 Einwohner hat. Doch nicht nur der historische Kern der Stadt und die schöne Landschaft ziehen vielen Gäste an. Auch die Hoffnung in einem der Bäder kuriert zu werden, verlockt zu einem Aufenthalt. Seit 1960 darf sich Trebon "Lazne" nennen, Bad. Das hatte natürlich sehr positive Auswirkungen auf die Stadt, erzählt der stellvertretende Bürgermeister.

"Gut war für Trebon die Verleihung des Bad-Status deshalb, weil damit eine Blüte des Kurbetriebs erzeugt wurde, dessen Tradition in das Ende des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Ungefähr seit dem Jahre 1882 existiert hier das so genannte Berta-Bad, welches in unmittelbarer Nähe des historischen Zentrums liegt. Und nach der Verleihung des Bad-Status wurde im Jahr 1975 dann auch das zweite Bad eröffnet, das Aurora-Bad heißt."

Aurora liegt am Rand der Stadt. Im krassen Gegensatz zum historischen Zentrum präsentiert es sich ganz im sozialistisch protzigen Betonstil. Mehrere graue Klötzer bilden einen großen Komplex, der nicht so recht zu den schönen ihn umgebenden Wiesen und dem angrenzenden Teich zu passen scheint. Erst in der Eingangshalle mit den braunen Glastüren, den Sofas und den goldfarbenen Lampen wird es behaglicher. Ca. 8000 Kurgäste kommen hier jedes Jahr an, erzählt einer der Manager des Bades Jakub Dvorak.

"Ich muss betonen, dass unser Bad auf Probleme mit dem Bewegungsapparat ausgerichtet ist. Unsere Spezialität in dieser Umgebung sind Moorbäder und -packungen."

Aber auch Schwefel- und Jodbäder können in Aurora genommen werden. Zahlreiche Massagen werden angeboten, Gymnastik und Ultraschall, eigentlich das ganze Programm der klassischen Physiotherapie. Helfen soll es vor allem bei Rheuma, Schmerzen in Gelenken und Muskeln, nach Unfalloperationen und bei Erkrankung an Osteoarthrose oder Osteoporose. Doch in den letzten Jahren hat sich das Publikum verändert. Immer mehr fragten nach einem Kuraufenthalt, ohne an bestimmten Krankheitssymptomen zu leiden, erzählt Jakub Dvorak.

"Und so bieten wir neben dem klassischen Kuraufenthalt auch Aufenthalte zum Ausspannen und Auftanken an, Schönheitskuren für Frauen, letztlich Aufenthalte die den Menschen helfen, sich ganzheitlich vom Stress zu erholen und von der hektischen Umgebung zu entspannen."

Allerdings strömt durch die vielen Behandlungsräume trotzdem immer ein wenig der Geruch von Krankenhaus. Und einige Fließen und Einrichtungsgegenstände erinnern daran, dass Aurora eine sozialistische Heilanstalt gewesen ist. Damit sich das ändert, sollen die Räume nach und nach saniert werden. Das andere Bad Trebons hat so eine Sanierung schon hinter sich. In den 90iger Jahren wurde das alte, in das historische Ambiente der Stadt passende Haus grundlegend erneuert. Allerdings gibt es hier weit weniger Platz. Deshalb weichen einige der Patienten über Nacht in nahe gelegenen Pensionen aus.

"In Trebon sind ungefähr zwanzig Pensionen und Privatmöglichkeiten. Und davon acht Pensionen sind für Kurbad zur Verfügung. Dort wohnen die Patienten, die keine Möglichkeit im Bad haben. Das Kurbad hat 350 Klienten, aber nur 180 Bett. Die anderen Patienten müssen privat in Pensionen wohnen, das ist meistens 300 oder 500 m vom Kurhaus weg."

Für kurzentschlossene Besucher der Stadt kann es da schon einmal eng werden. Die Pensionen und Hotels sind die meiste Zeit des Jahres ausgebucht. Doch dabei wird es nicht bleiben. In vielen Straßen der Stadt wird saniert und gebaut. Oft ist das Produkt ein kleines neues Restaurant oder eine hübsche Pension. Überhaupt gibt die Stadt sich viel Mühe, die alte Bausubstanz im Zentrum zu erhalten. Schließlich wollen die Bürger von Trebon auch in Zukunft ihre Besucher mit den schönen Fassaden und ihrer alten Geschichte verführen.

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Autor: Sylvie Reichel
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