Dvořáks verloren gegangene Symphonie wird heute oft gespielt

Antonín Dvořák

Antonín Dvořák wurde vor 180 Jahren in Nelahozeves / Mühlhausen an der Moldau bei Kralupy nad Vltavou / Kralup an der Moldau geboren. Seine Werke werden noch heute weltweit aufgeführt. Und Dvořáks Symphonie aus der Neuen Welt war sogar auf dem Mond zu hören.

Musiker, Metzger oder Lokführer?

Büste von Antonín Dvořák auf dem Prager Vyšehrad | Foto: Richenza,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0

Antonín wurde als Sohn von František und Anna Dvořák am 8. September 1841 geboren. Zu der Zeit war sein Vater ein angesehener Metzger in Nelahozeves. Da lag es nahe, dass Antonín die Firma seines Vaters später einmal übernehmen sollte, so wie es seit Generationen für tschechische Jungen üblich war. Die Idee, dass Antonín Dvořák Metzgermeister werden sollte, war jedoch von Anfang an nur die Ausgeburt einer wilden Phantasie. Aber warum wollte er dann Lokführer werden? Das Geburtshaus von Dvořák in Nelahozeves liegt direkt an einer Bahnlinie und nur einen Katzensprung vom kleinen Bahnhof des Ortes entfernt. Am 3. Mai 1850 war der Bube Antonín noch keine neun Jahre alt, als die erste Dampflokomotive auf der neuen Bahnstrecke Prag–Dresden hier eintraf. Der kleine Dvořák verfiel im Nu in ihren Bann, und diese Liebe hielt bis zu seinem Tode. Als er älter wurde, war es aber vor allem die komplexe Technik dieser Dampfmaschinen, auf der seine Faszination für Lokomotiven beruhte. Vielleicht sah er darin eine Ähnlichkeit mit der dynamischen Komposition eines symphonischen Werkes. Dem entspricht auch seine oft zitierte Aussage: „Ich würde alle meine Symphonien gegen die Erfindung einer Lokomotive eintauschen.“

Dvořáks Liebe zur Eisenbahn war echt. Er reiste oft und gerne mit der Bahn. Er sprach regelmäßig mit Lokführern am Bahnhof und führte lange Fachdebatten mit ihnen. Das liebste Morgenritual von Dvořák war der Spaziergang zum Tunnel am Hauptbahnhof. Zum Glück aber für die Musik hierzulande und in der Welt, zog er im Alter von zwölf Jahren ins nahegelegene Zlonice. Dort nahm sich der Musiker, Lehrer und Organist Antonín Liehmann seiner an. Dvořák lernte Musiktheorie, spielte Geige, Klavier und Orgel. Das machte er so gut, dass er mit 16 Jahren nach Prag ging, um an der Orgelschule Musik zu studieren.

Dvoráks Lieblingsspeise waren Pflaumenknödel

Antonín Dvořák lebte mehr als 15 Jahre in Prag, und das bis zu seiner Hochzeit 1873, die am Karlsplatz bei seiner Tante Josefina Dušková stattfand. Cousine Anna Dušková erinnerte sich gerne an ihn, und das nicht nur wegen seiner musikalischen Genialität. Er sei auch ein guter Esser gewesen, so Anna: „Antonin hat mit uns gefrühstückt. Das Mittagessen und häufig auch das Abendessen nahm er zusammen mit den Sängern nahe dem Nationaltheater ein. Aber sobald die Pflaumen reif waren, bat er seine Mutter immer um eine spezielle Mittagsspeise. Ich habe es heute noch vor Augen, wie ich in einer Schüssel dreißig Pflaumenknödel zähle, von denen aber stets nichts übrig blieb."

Als die Dušeks in eine größere Wohnung im hinteren Teil des Hauses umzogen, bekam Dvořák ein geliehenes Klavier in sein kleines Zimmer. Er komponierte oft, sobald er wach wurde. Zuerst spielte er seine musikalischen Ideen am Kopfende des Bettes gedanklich durch. Während er am Tisch die Noten schrieb, hielt er die Feder zwischen den Zähnen fest und spielte mit den Fingern auf dem Tisch oder auf seinem Ärmel. Erst im nächsten Moment wandte er sich dem Klavier zu, spielte die Melodie und sang leise. Wiederholt konnte Anna Dušková dem jungen Dvořák dabei zusehen: „Er sah mir in die Augen, pfiff und merkte nicht mal, dass ich da war..."

Die verloren gegangene Symphonie

Antonín Dvořák komponierte Anfang 1865 seine erste Symphonie. Ihre Uraufführung erlebte er jedoch nicht mehr. Die als „Glocken von Zlonice“ bekannte Symphonie erklang am 4. Oktober 1936 in Brno / Brünn – 32 Jahre nach dem Tod des Autors – zum ersten Male. Überlieferungen zufolge soll Dvořák das Musikstück für einen Komponisten-Wettbewerb in Sachsen komponiert haben. Er schickte es dorthin, doch es verschwand. Sein erstes Orchesterwerk hielt der Komponist daher zeitlebens für verloren. Doch nach vielen Jahren tauchte die Symphonie im Nachlass eines gewissen Professors der Karlsuniversität auf, er hatte sie als Student in Leipzig gekauft. Dieses einzigartige Manuskript aber hatte er zuvor nie erwähnt. Folglich wurde die Authentizität der Symphonie erst im Jahr 1920 eindeutig festgestellt, als das Originalwerk im Erbnachlass an seinen Sohn überging.

Dvořáks erste Symphonie wurde später wiederholt gespielt, aber die vollständige Debüt-Aufnahme wurde erst 1966 vom London Symphony Orchestra aufgenommen.

Autor: Lothar Martin
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