Ehemalige kommunistische Agenten im Verteidigungsministerium
Nach der Wende galt in der dann demokratischen Tschechoslowakei ab 1991 ein Lustrationsgesetz, das ehemaligen Geheimdienstmitarbeitern den Zugang zu höheren öffentlichen Ämtern verwehrte. Jeder Bewerber für einen solchen Posten musste eine vom Innenministerium ausgestellte Unbedenklichkeitserklärung vorlegen. Am Freitag nun teilte der derzeitige Innenminister Stanislav Gross mit, eine Neuprüfung habe ergeben, dass mehr als 100 ehemalige Agenten des Staatssicherheitsdienstes aufgrund gefälschter Erklärungen zu Posten im Verteidigungsministerium gekommen seien. Olaf Barth berichtet.
Nun stellen sich der schockierten Öffentlichkeit vor allem zwei Fragen: Erstens, basieren die Unbedenklichkeitserklärungen überhaupt auf verlässlichen Untersuchungen oder handelte es sich dabei eher um Persilscheine und zweitens, wer trägt die Verantwortung für den aufgedeckten Lapsus. Während die erste Frage bisher noch keiner der führenden Politiker so recht beantworten kann oder will, ist man bei der Beantwortung der zweiten Frage schon schneller: Der ehemalige stellvertretende tschechoslowakische Innenminister und spätere Chef dieses Ressorts, Jan Ruml von der Freiheitsunion, ist es, auf den die meisten Politikerfinger zeigen. Allen voran der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses Vaclav Klaus:
"Herr Minister Ruml, der ja zuvor auch Stellvertreter im tschechoslowakischen Innenministerium war, sollte erklären, wie es dazu kommen konnte."
Jan Ruml wehrt sich gegen die Vorwürfe, wenn er sagt (ZITAT): "Der Fehler lag keineswegs beim Innen-, sondern beim Verteidigungsministerium..., das uns damals nicht genügend Unterlagen zur Verfügung stellte." Und weist damit die Schuld den Herren Lubos Dobrovsky (ehemaliger Verteidigungsminister) und Jan Langos, seinem Vorgänger im Innenministerium, zu.
Premier Milos Zeman sieht alle drei gemeinsam in der Verantwortung, fügt aber gleich an, dass es der Staatssicherheit wahrscheinlich irgendwie gelungen sei, ihre besten Agenten zu schützen.
Der Premier äußerte aber auch Kritik an der Lustrationspraxis:
"Falls dieses Gesetz nur kleine Fische trifft und nach außen hin tut, als wenn es keine großen Fische gebe, dann glaube ich, dass es sich dabei um Augenwischerei und Potemkinsche Dörfer handelt."
Der derzeitige Verteidigungsminister Jaroslav Tvrdik stellte am Freitag ohnehin die von Innenminister Gross genannte Agentenzahl in Abrede, es habe lediglich sechzehn StB-Mitarbeiter im Verteidigungsministerium gegeben von denen heute lediglich acht dort Dienst tun würden. Beide Minister sind sich jedoch dahingehend einig, dass man nichts über den Verbleib der übrigen ehemaligen Spitzel weiß und daher nicht ausschließen könne, dass diese in andere staatliche Ämter gewechselt seien.