Ein Brite in Prag
Was zieht so viele ausländische Künstler, Musiker und Schriftsteller nach Prag? Die meisten, die man danach fragt, werden antworten: sie kamen zufällig. Und die Stadt hat sie einfach nicht gehen lassen. Dem Schriftsteller und Musiker Phil Shöenfelt ging es auch so. Seit neun Jahren lebt der gebürtige Brite jetzt in Prag. Letzte Woche hat er in Prag wieder eine Lesung mit Konzert veranstaltet. Anita Müller hat sich mit ihm über Prag, die Musikszene und Phil Shöenfelts Buch "Junky Love" unterhalten.
Phil Shöenfelt ist ein weit gereister Musiker und Schriftsteller. Er hat lange in London und New York gelebt. In seinem Buch "Junky Love" verarbeitet er seine Drogenerfahrungen und Beziehungen zu einer halb autobiografischen Erzählung. Die wandelt irgendwo in der Nähe der Spur von Jack Kerouac. Im Prager Stadtteil Vinohrady hat er letzten Mittwoch eine Lesung und ein Konzert veranstaltet. In seiner Musik konserviert Phil Shöenfelt auch viele Erlebnisse und Schicksale aus seiner Zeit in New York und London.
Die beiden Protagonisten im Buch "Junky Love" irren herum in verworrenen Beziehungen: Zwischen Heroin, Sex und der Verneinung einer modernen Bürgerlichkeit verlieren sie sich in einer unerfüllbaren Liebe. Die Gesellschaft, die den Wert des Menschen nach dem Prinzip "haste was, biste was" bemisst, verachten sie. Phil hat diese Geschichte mehr oder weniger selbst so erlebt. Wie schafft man es, auf eine solche Lebensspanne voller Grenzerfahrungen nüchtern zurückzublicken? Sie sogar in Literatur und Musik zu verarbeiten? Phil Shöenfelt erzählt, was dieses Zurückblicken bei ihm mit Prag zu tun hat:
"Was an Prag so großartig ist, ist, dass es mir die Möglichkeit gibt, auf das, was vorher passierte eine Draufsicht zu haben und dass es mir eine gewisse Distanz dazu verleiht. Das schlägt sich dann in meinen Büchern und meiner Musik nieder. Die frühe Phase meines Lebens war sehr chaotisch und wild und ich habe fünf Jahre in New York gelebt und das war vollkommen verrückt, das war auch nicht besser, und ich denke jetzt in Prag habe ich ein bisschen mehr Stabilität. In London und New York gab es zu viele Drogen und verrücktes Zeug und ich habe nicht wirklich begriffen, was eigentlich mit mir passiert und seit ich in Prag bin, habe ich eine Perspektive auf das, was vorher geschehen ist."
Natürlich kann man eine Stadt wie Prag mit einer Million Einwohnern nicht einfach so mit einer Metropolis wie London vergleichen. Trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - hatte Prag Klauen genug, Phil Shöenfelt vor fast zehn Jahren hierher zu ziehen: Denn eigentlich war er nur auf Tour gewesen und für wenige Tage in der Stadt unterwegs. Eine ganz andere Atmosphäre in der Musikszene unterscheide Prag auch von London oder New York:
"Hier gibt es eine echte Gemeinschaft von Künstlern und Musikern und ich mag den Umgang hier, es geht vielmehr um die Musik selbst. In London dagegen habe ich mich nicht mehr als Teil dessen gesehen, was passiert ist, weil alles dort absolut medienzentriert und modegeil ist. Diese Mode ändert sich dann alle drei bis sechs Monate und die Musik geht dazwischen vollkommen verloren. Alles hat nur mit Mode zu tun."
In Deutschland gibt Phil Shöenfelt auch oft Lesungen und Konzerte. Denn dahin ist es ja nur ein Katzensprung. Vorzugsweise ist er dann in der grenznahen Dresdner Gegend unterwegs. Kommenden Herbst zum Beispiel wird er mit seiner Band "The Southern Cross" wieder durch Dresden, Leipzig, Chemnitz und Umgebung touren.