Elbtaler Freilichtmuseum in Prerov an der Elbe

Hallo und herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, bei einer neuen Folge der Touristensprechstunde von Radio Prag. Am Mikrophon begrüßen Sie Martina Schneibergova und Marketa Maurova. Wir treffen uns wieder einmal am ersten Wochenende im Monat und das bedeutet, dass wir uns einer weiteren Region Tschechiens und deren Volkstradition widmen werden. Die am stärksten geprägten Gebiete, die sich überwiegend in Mähren befinden, haben wir schon besucht. Heute wartet Mittelböhmen auf uns, konkret die Landschaft entlang des mittleren Elbe-Flusses. Mit der lokalen Geschichte und Tradition kann man sich im Freilichtmuseum in Prerov an der Elbe bekannt machen, das vom Kreismuseum in Podebrady verwaltet wird. Auch wir werden uns hin begeben und lassen uns durch die Leiterin des Freilichtmuseums, Jana Hrabetova, begleiten.

Prerov an der Elbe, etwa 25 Kilometer östlich von Prag entfernt, ist kein besonders reizvolles oder interessantes Dorf. Das dortige Freilichtmuseum zieht jedoch zu jeder Jahreszeit zahlreiche Besucher dorthin. Es entstand unter der Verwaltung des Kreismuseums in Podebrady im Jahre 1967. Damals verlief die Generalrenovierung des sog. Altböhmischen Hauses, und es wurden mehrere Häuser und Katen aus dem 18. und 19. Jahrhundert zusammengebracht, die einzelne Typen der Volksarchitektur der Region repräsentieren. Die Geschichte des Museums geht jedoch wesentlich tiefer in die Vergangenheit. Damit eröffnet Jana Hrabetova ihre Erzählung.

"Am Ende des 19. Jahrhunderts gehörte die Herrschaft von Prerov und Brandys dem Erzherzog Ludwig Salvator von Toskana aus dem toskanischen Zweig der Habsburger. Er ist u.a. dadurch bekannt geworden, Mallorka für Touristen entdeckt zu haben. Und er selbst war ein großer Kunstkenner und -liebhaber. Wahrscheinlich unter dem Eindruck der etnographischen Jubiläumsausstellung 1891 in Prag ließ er eine alte Schmiedwerkstatt, die in der Nachbarschaft des Schlosses stand, in diese heutige Gestalt umbauen. Ihm ist es zu verdanken, dass hier in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts das erste spezielle Freilichtmuseum für Völkerkunde entstanden ist. Neben der eigentlichen Kate waren hier noch ein Brunnen und einige weitere kleinere Objekte."

Die flache Landschaft des mittleren Elbe-Flusses war sehr fruchtbar und reich. Alles hing mit der Landwirtschaft zusammen, die sich vor allem auf Weizenbau spezialisierte. Seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts, d.h. relativ früh, kam auch Zuckerrübe dazu, und es wurden die ersten Zuckerfabriken gegründet. Mit dem Reichtum ging aber auch die Großzügigkeit der Elbtaler Bewohner Hand in Hand. Leicht gewonnen, leicht zerronnen - galt für sie. Die alten Bräuche und Traditionen zu pflegen, war für sie nicht charakteristisch. Sie griffen gerne nach allen Errungenschaften der modernen Zeit und das traditionelle Volksleben ist dort zugrunde gegangen. Trotzdem ist es im Freilichtmuseum in Prerov gelungen, die typische Volksarchitektur und Volkskunst zu konzentrieren. Fangen wir zunächst mit der Architektur an. Man kann im Museum sowohl gezimmerte Holzhäuser als auch Gebäude aus Stein sehen.

"Es hing davon ab, wo sich das Haus befand. Es ist sehr interessant, wie mannigfaltig die Volksarchitektur auf einem relativ kleinen Gebiet sein kann, und zwar in Abhängigkeit von Naturbedingungen. Etwa in der Mitte unseres Bezirks liegt eine Landschaft mit Hügeln aus Pläuerkalkstein, einem hervorragenden Baumaterial. Dort wurde also aus Stein gebaut und Holzbauten sind dort selten. Östlich davon ist eine Landschaft, wo massive Eichenwälder wuchsen. Dort baute man aus Eichenstämmen. Dies freut uns sehr, weil die Eiche ein sehr dauerhaftes Material ist und die Bauten mehrere Jahrhunderte überleben. In der Landschaft zwischen Nymburk und Podebrady gibt es Sandboden, wo überwiegend Kiefern wachsen. Und in nördlicher Richtung, wo sich die Volksarchitektur am stärksten erhalten hat, handelt es sich schon um eine Vorgebirgslandschaft mit Fichten. Die dortigen Volksbauten sind leider in einem schlechten Zustand, weil das Fichtenholz nicht so qualitativ ist."

Gleich am Eingang begegnet man einer Kate, die den meist verbreiteten Typ der Wohnhäuser im Elbetal repräsentiert. Das dreiteilige Haus hat eine Stube, eine Diele und eine Kammer. Gezimmert blieb nur die Stube, die übrigen Teile des Hauses mit dem Stall wurden in der Mittel des vergangenen Jahrhunderts mit ungebrannten Ziegeln umgebaut. In der Diele unter dem Kamin ist die offene Feuerstätte, in die der Ofen aus der Stube mündet. Der schönste Teil des Hauses ist der reich gefaltete Dachgiebel mit dem kugelförmigen halben Walm und Mohnkopf. In der Kate sind etnographische Sammlungen untergebracht, vor allem aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die das Leben der Dorffrauen in der Vergangenheit dokumentieren.

Ein Prachtstück des Prerover Museums ist das schon erwähnte Altböhmische Bauernhaus. Es handelte sich ursprünglich um eine herrschaftliche Schmiede und das Schulzengericht. Heute befindet sich dort eine Ausstellung, die die Besucher mit der Volksarchitektur, Kunst, Textilien, Möbeln und der Sittengeschichte bekannt macht. Ein Zimmer ist auch der Bekleidung und den Trachten gewidmet.

"Hier in Böhmen und in Mittelböhmen war es sehr nüchtern. Der Einfluss der Stadt in der reichen Umgebung von Prag war so stark, dass hier alle traditionellen Elemente aus der Volkskleidung verschwanden und die städtische Mode sowohl das Material als auch die Formen beeinflusste. Wir haben hier z.B. eine festliche Mädchentracht. Wir sehen, dass dort die weiße Farbe und feine Pastelltöne überwiegen. Darin äußert sich der Einfluss des Empires, den wir auch bei der höheren Taille, bei Ballonärmeln oder einem relativ langen Rock beobachten können. Die städtische Mode hatte hier also einen sehr starken Einfluss. Man wab hier auch keine Leinenstoffe, sondern kaufte Brokat und feinen Batist."

Ein wahres Vermögen wert waren goldene und silberne Hauben, die von Generation zu Generation vererbt wurden. Sie gehörten zur festlichen Kleidung der reichen Bäuerinnen. Ein weiterer sehr wertvoller und typischer Bestandteil der Mädchentracht aus dem Elbe-Gebiet waren weiße Hauben, die mit einer Knotentechnik bestickt wurden. Ihre Produktion war sehr kompliziert und arbeitsaufwändig. Die Mädchen haben sie auch nicht selbst bestickt, wie man vermuten könnte, sondern kauften sie bei professionellen Stickerinnen.


Die Häuser stehen aber nicht leer nebeneinander. Die Räume werden durch Figuren belebt und scheinen tatsächlich bewohnt zu sein. Wir besuchen mehrere Bauernfamilien, können aber auch z.B. Kinder in einer alten Schule sehen, mit Männern in einer Kneipe sitzen, zum Dorfschuster gehen oder eine Schneiderin bei ihrer Arbeit beobachten. Seit dem Ende der 60er Jahre wurden 6 gezimmerte Häuser oder Katen nach Prerov überführt, daneben 5 gezimmerte Speicher, eine Obstdarre, eine Holzscheune, einige Brunnen und weitere kleine Objekte wie Ställe, Taubenschläge, Bienenstöcke, volkstümliche Plastiken, ein Glockentürmchen, Marterln, Grabsteine und Ecksteine. Im ganzen Areal werden alte Arten von Obst und Zierbäumen und Sträuchern gepflegt und ebenso die verschiedensten Blumen, Heilpflanzen und Gewürze im sog. "Gärtchen unserer Großmutter".

In einzelnen Häusern sind verschiedene Ausstellungen untergebracht. Man kann erfahren, wie man kochte, Milch verarbeitete, Mehl mahlte, wie man heizte, wie die Wäsche gewaschen wurde und so weiter und so fort. Die Ausstellung in dem ältesten Objekt des Museums, einem Bauernhaus aus Draho, ist der Ernäherung dieser Region gewidmet. Was in dem mittelböhmischen Elbe-Tal gegessen wurde, dazu zum letzten Mal Jana Hrabetova:

"Meistens handelte es sich um sehr einfache Speisen. Seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts wurden vor allem Kartoffeln zubereitet. Von den ältesten Speisekarten könnte ich die sog. "glatte Ancka" nennen. Man vermischte ein bisschen Mehl mit Milch und goss dies in einen Topf mit kochendem Wasser. Wenn man beispielsweise Dill zugegeben hat, entstand eine Dillsoße. Die Ancka konnte aber mit allem möglichen gewürzt werden und stellte neben Kartoffeln eine Grundlage der Küche dar. Man kochte auch dichte Suppen, Hülsenfrüchte usw."