Empörung in Prag über heimlichen Umbau der Stiftung für NS-Opfer

Die Bundesstiftung zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter soll umstrukturiert werden. Nach einem Gesetzentwurf der großen Koalition wird ein deutscher Stiftungsrat bald die bisher internationale Verwaltung entmachten, an der auch Tschechien beteiligt ist.

Nach langen Verhandlungen wurde im Jahr 2001 endlich mit Entschädigungszahlungen an ehemalige NS-Zwangsarbeiter begonnen. 5,1 Milliarden Euro stellten Bund und deutsche Wirtschaft der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" damals zur Verfügung. Nach Abschluss der Zahlungen verbleiben 358 Millionen Euro, die für so genannte Restmittelptojekte bereit stehen. Das Geld soll nach der neuen Regelung jetzt ausschließlich von Vertretern der deutschen Wirtschaft, des Bundestages und der deutschen Regierung verwaltet werden. Dazu Jiri Sitler, der die Tschechische Republik im Stiftungskuratorium vertritt:

"Wir wurden über die Gesetzänderung nicht informiert. Es ist immer noch dasselbe wie 1989, wir werden nicht als gleichberechtigte Partner gesehen. Wir sind immer noch Vertreter aus Osteuropa, mit denen man machen kann, was man will."

Vertreter aus Tschechien, Polen, Rußland, Weißrußland und der Ukraine sowie Vertreter der Jewish Claims Conference und der Internationalen Organisation für Migration mit Sitz in Warschau kamen am 25. Mai in der polnischen Hauptstadt zusammen. In einem Brief an den Kuratoriumsvorsitzenden Dieter Kastrup, erklärten sie, dass man der Gesetzesänderung nicht zustimme.

"Wir wollen keine Empfänger von Geldern sein, über die jemand anders entscheidet. Das sind keine karitativen Gelder. Wenn man sich mit jemandem versöhnen will, sollte man den Partner auch dabei haben wollen."

So Sitler. Eine persönliche Antwort auf das Ersuchen des Kuratoriums gab es bisher nicht. Allerdings sprach der SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz, der die Idee der Gesetzänderung vorantreibt, mit der deutschen Presse. Er erklärte, man wolle durch den Stiftungsrat Entscheidungsprozesse vereinfachen. Jiri Sitler sieht das anders:

"Es ist kaum eine Vereinfachung; die Arbeit der Stiftung wird durch einen Stiftungsrat teurer. Wir haben mehr Gremien in einer Zeit, in der die Aufgaben weniger werden. Wieso das eine Anpassung an die neuen Aufgaben sein soll, kann ich nicht verstehen."

Ursprünglich sollten die verbliebenen Gelder ebenfalls direkt an die Opfer gezahlt werden. Der Verwendung der 358 Millionen Euro für Projekte habe man von tschechischer Seite nur zugestimmt, da man davon ausging, über diese Projekte auch entscheiden zu können. Wer die Restsumme verwalten wird, entscheidet aber jetzt der deutsche Bundestag. Derweil soll am 12. Juni der Abschluß der Entschädigungszahlungen gefeiert werden, in deren Rahmen mehr als 76.000 NS-Opfer in Tschechien entschädigt wurden.

"Wir betrachten diese Auszahlungen als unseren gemeinsamen Erfolg - auch mit der deutschen Seite. Ich glaube, wir haben in den letzten sechs Jahren sehr erfolgreich zusammengearbeitet. Gerade deshalb ist es überraschend, dass plötzlich diese Zusammenarbeit nicht mehr erwünscht ist"