Er baut am bayerisch-böhmischen Pompeji: Verleger Zdeněk Procházka

Zdeněk Procházka (Foto: Ralf Gohlke, Archiv des Centrums Bavaria Bohemia)

In Westböhmen ist er aus dem kulturellen Leben nicht wegzudenken. Zdeněk Procházka ist der Gründer des Böhmerwald-Verlages (Nakladatelství Českého lesa) in Domažlice / Taus. Dort bringt er seit fast 25 Jahren Bücher über die deutsch-tschechische Geschichte seiner Region heraus. Daneben widmet er sich aber auch noch vielen anderen Tätigkeiten. In Grafenried / Lučina zum Beispiel baut er gerade am deutsch-tschechischen Pompeji. Man könnte sagen: Zdeněk Procházka betreibt die Vermessung des Böhmerwaldes mit unterschiedlichsten Mitteln. Radio Prag hat mit ihm gesprochen.

Zdeněk Procházka  (Foto: Ralf Gohlke,  Archiv des Centrums Bavaria Bohemia)
Herr Procházka, bis zur Samtenen Revolution von 1989 haben sie als Grafiker und Fotograf in der Werbung gearbeitet. Wie kam es denn 1991 dazu, dass sie zum Verlagsgründer wurden?

„Das ist eigentlich so entstanden, weil mich schon immer die Geschichte und der Hintergrund aller möglichen Denkmale interessiert haben, ob das nun Burgen, Schlösser, Ruinen, Stadtmauern oder Kirchen sind. Ich habe mich hobbymäßig der Erforschung und auch der Archäologie dieser Baudenkmale gewidmet. Als es mir dann möglich war, eine freie Entscheidung zu treffen, was ich gerne tun würde, habe ich mich bemüht, einen Verlag zu gründen, in dem ich Bücher herausgeben konnte, die sich der Erforschung eben jener Denkmale widmet. Die Texte wollte ich selbst schreiben oder eben Freunde und andere Kollegen herausbringen, die sich mit der Thematik befassen. Denn bis dahin durfte man eigentlich nichts publizieren, selbst Bücher die sich zum Beispiel der Forschung widmeten, mussten einen komplizierten Prozess durchlaufen. In Domažlice wurden zum Beispiel Öfen von mittelalterlichen Töpfern ausgegraben – es war furchtbar kompliziert, sich mit irgendeiner kulturellen Institution abzusprechen und alles musste vorher abgesegnet und überprüft werden. Aus diesem Grund habe ich selbst einen Verlag gegründet. Dabei war es sehr hilfreich, dass ich eine Ausbildung als Grafiker in einer Druckerei gemacht habe. Früher habe ich als Grafiker in einem Unternehmen für Textilmaschinen gearbeitet. Zuletzt war ich dort als Fotograf und außerdem zuständig für das Werbematerial dieser Textilmaschinen. Sonderlich viel Spaß hat mir das natürlich nicht gemacht.“

Domažlice | Foto: Ondrej.konicek,  Wikipedia Commons,  CC BY-SA 3.0
Sie sind ja nicht der erste aus ihrer Familie, der sich in Domažlice engagiert, oder?

„Das stimmt. Mein Urgroßvater kam einst als Stadtbaumeister nach Domažlice. Wenn ich mich heute im Archiv durch alte Akten wühle, dann sehe ich immer wieder, dass er schon am Bau verschiedener Kirchen und Gebäude in Domažlice beteiligt war. Mein Großvater war später eine Zeitlang Museumsleiter des Stadtmuseums Domažlice, das schließlich in die Chodenburg verlegt wurde. Die Procházkas – mein Vater war auch Baumeister – haben sich in also schon recht bedeutend in die Geschichte dieser Stadt eingeschrieben.“

Foto: Archiv des Böhmerwald-Verlages
Seit 2010 gibt es in ihrem Verlagsprogramm eine Reihe mit dem Titel „Was mit der Zeit verschwunden ist“. Das sind historische Bildbände, die sich bislang mit den Bezirken Tachov, Domažlice, Horšovský Týn sowie Stříbro und Planá beschäftigen. Wie finden sie dafür das Material?

„Das ist eine ziemlich langwierige Arbeit. Wenn ich mir vornehme, ein Buch herauszubringen und nicht die einzelnen Personen kennen würde, die Fotos besitzen, wenn ich nicht die Institutionen und Museen kennen würde, dann wäre das recht kompliziert. Aber weil ich schon vor 1990 die Museen in Tachov, Domažlice oder Klatovy besucht habe, wusste ich schon längst, was sie dort in ihren Depots haben, welche alten Fotografien und Dokumente sie besitzen. Natürlich kannte ich auch die Kreisarchive in Tachov und Domažlice und die Sammler. Da war es dann einfach notwendig, sie zu kontaktieren und sich mit ihnen zu verständigen, dass ich ihre Objekte reproduzieren darf. Auf diese Weise entstanden dann diese Bücher.“

Quelle: Google Maps
Diese Bücher werden auf Deutsch und Tschechisch herausgeben…

„Grenzüberschreitend arbeite ich natürlich deshalb, weil der Bezirk Domažlice und noch mehr der Bezirk Tachov einst zum größten Teil deutsch besiedelt waren. Ich dachte mir also, wenn ich die Bücher verlege, dann wäre es schade, wenn sie nicht auch auf die deutsche Bevölkerungsgruppe zugeschnitten sind, die dort ansässig war. Darum geben wir die Bücher in zwei Sprachen heraus. Auch von deutscher Seite überlassen oder schicken uns Sammler Ansichtskarten oder alte Dokumente. Diese Gegend hier war einfach deutsch-tschechisch, und natürlich interessiert das auch die Deutschen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist eigentlich dadurch entstanden, dass ich Archive auf deutscher Seite besucht habe. In Furth im Wald hat sich dann eine Gruppe von Interessierten gefunden, und wir treffen uns dort schon seit mehr als 20 Jahren regelmäßig. Daraus hervorgegangen sind zum Beispiel Bücher über den Čerchov-Berg und seine Umgebung beiderseits der Grenze oder auch ein Reiseführer über Burgen sowohl auf deutscher als auch auf tschechischer Seite.“

Grafenried 1920  (Foto: Archiv Antikomplex,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Die Zusammenarbeit betrifft aber nicht nur Bücher, ist das richtig?

„Außer den Büchern gibt es weitere gemeinsame Projekte, wie zum Beispiel Lehrpfade mit deutsch-tschechischen Tafeln. Im vergangenen Jahr haben wir eine Poliermaschine der Glasmacher ausgegraben, die im Bezirk Tachov im Wald stand. Darüber bringen wir nun ein Dach an und eine Informationstafel, die dann Teil eines Glasmacherslehrpfades sein wird. Zuvor haben wir bereits Überreste einer alten Glasmacherei in Křížová Huť bei Nemanice gereinigt. Ein weiteres Projekt ist momentan die Ausgrabung des verschwundenen Dorfes Grafenried (tschechisch: Lučina) an der tschechisch-bayerischen Grenze. Bislang gibt es dort schon einige Informationstafeln, doch wenn es uns gelingt, soll daraus ein größeres Projekt werden. Wir wollen zeigen, wie ein relativ großes Dorf in dieser Gegend aussah. Es soll so etwas wie ein bayerisch-böhmisches Pompeji werden. Entdeckt und baulich gesichert wurden bereits die Kirche, die Brauerei, das Gasthaus und das Pfarrhaus, also bedeutende Orte, wo die Leute zusammengekommen sind. Wenn es uns gelingt, wird der Ort mit Sicherheit einmal ein sehr interessantes touristisches Ziel an der deutsch-tschechischen Grenze werden.“

Grafenried  (Foto: chris505,  Panoramio)
Handelt es sich denn dabei um eine richtiggehende archäologische Ausgrabung?

„Nun, mit der Archäologie ist es Tschechien relativ kompliziert. Wir begreifen das eher als Aufräumarbeiten auf dem Gelände. Diese Gebäude sind zum Teil vor 50, 60 Jahren verfallen. Dazu kann man dann nicht Archäologie sagen, wir räumen eher auf und bringen den Schutt weg. Wir kümmern uns darum, die Gebäude kenntlich zu machen und vor dem weiteren Verfall zu schützen, sie zu dokumentieren, auszumessen, und am Ende auch wieder populärhistorische Artikel darüber zu schreiben.“

Mittelalterrestaurant in Domažlice  (Foto: Archiv des Böhmerwald-Verlages)
In Domažlice betreiben sie auch noch ein Mittelalterrestaurant. Wie bringen sie eigentlich diese ganzen verschiedenen Tätigkeiten unter einen Hut?

„Das muss einfach irgendwie gehen. Ich sage mir immer, dass ich es ein wenig zurückfahre, wenn es wirklich zu viel wird. Es muss irgendwie gehen, ich bin aber wirklich völlig ausgelastet. Von meinen Tätigkeiten würde ich sagen ist die verlegerische am schwierigsten. Verlage in größeren Städten mit mehr Angestellten schaffen es vielleicht eher, Zuschüsse zu erhalten. Hier in Domažlice ist es aber schwierig. Es werden immer weniger Bücher verkauft, weil alle Informationen zum Beispiel im Internet zugänglich sind oder auch E-Books immer mehr Verbreitung finden. Die klassischen Buchhandlungen müssen dagegen schließen. Aus diesem Grund wird es für mich immer schwerer, Bücher zu verkaufen. Als Verleger muss ich also zusehen, Bücher für Gemeinden oder Städte anlässlich von Jubiläen herauszubringen, damit ich nicht so sehr auf die Buchhandlungen angewiesen bin. Denn in den letzten fünf Jahren hat etwa die Hälfte aller Buchhandlungen, an die ich geliefert habe, geschlossen. Dieser Prozess wird möglicherweise so weitergehen, denn den Buchhandlungen geht es einfach sehr schlecht.“

Autor: Annette Kraus
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