Erinnerung an Tschernobyl: Wir haben damals überhaupt nichts gewusst
Nicht nur in der Ukraine, sondern in der ganzen Welt, wird am Dienstag an Tschernobyl erinnert. Vor 25 Jahren, am 26. April 1986, war es im dortigen Atomkraftwerk bei einem Sicherheitstest zur Explosion in einem der Reaktoren gekommen. Auch die damalige Tschechoslowakei blieb damals vom Austritt der atomaren Strahlung nicht verschont. Dennoch genießt die Atomenergie hierzulande eine ziemlich hohe Unterstützung, es gibt aber ebenso Bewegungen gegen das Atom.
„Ich kann mich an das Jahr 1986 sehr gut erinnern. Ich habe damals an der Hochschule studiert, noch unter den Kommunisten, und ich erinnere mich, dass wir damals überhaupt nichts gewusst hatten. Darüber, dass es zur Havarie gekommen ist, und dass während der Feierlichkeiten am 1. Mai wohl auch radioaktiver Regen auf unsere Köpfe fiel, haben wir erst mit Verspätung erfahren. Seitdem ist in mir auch das Misstrauen gegenüber fachlichen Institutionen entstanden, weil sie uns seinerzeit nicht informiert haben, dass etwas geschehen ist.“
Die Tschernobyl-Katastrophe war der Auslöser, der in Monika Machová - Wittingerová einen ablehnenden Standpunkt zur Atomenergie wachsen ließ.„Die Katastrophe hat mich überzeugt, dass es in der Welt keine Atomenergie gibt, die hundertprozentig sicher ist. Auch nicht, wenn so manche Experten das Gegenteil behaupten. Aber es gibt noch andere Dinge, die mich zu meiner ablehnenden Haltung zum Atom geführt haben. Sie hängen nicht unmittelbar mit der technischen Seite zusammen, sondern eher damit, wie die persönliche Freiheit der Leute eingeschränkt wird, die in der Umgebung eines Atomkraftwerks leben. Niemand fragt sie nach ihrer Meinung, sondern es ist eher umgekehrt: Es wird ihnen aufgetischt, dass alles in Ordnung sei. In der Umgebung der Atomkraftwerke entstehen somit gewisse Inseln der Totalität. Dies stört mich genauso wie die technischen Probleme.“
Soweit die Stimme einer Atomkraftgegnerin. Die Atomenergie genießt aber trotzdem in der tschechischen Öffentlichkeit eine ziemlich hohe Unterstützung, sie liegt bei 70 Prozent. Monika Machová-Wittingerová sieht die Ursache dafür in dem blinden Glauben der Leute an das, was die Experten behaupten. Doch auch da sieht sie eine gewisse Entwicklung. Anlässlich des Tschernobyl-Jahrestags wurde von der Bürgervereinigung Jihočeské matky eine Ausstellung veranstaltet.
„Das Informationsmaterial über Tschernobyl wird schon längere Zeit gezeigt, aber jetzt hat mich die Reaktion der Ausstellungsbesucher ziemlich überrascht. Früher hat man sich auf unseren Ausstellungen eher für erneuerbare Energiequellen interessiert, in der vergangen Woche haben sich aber viele Leute eben die Ausstellungsmaterialien über Tschernobyl angeschaut und sehr aufmerksam gelesen. Obwohl es von außen aussieht, dass die Tschechen und deren Glauben an den Atomkern nichts erschüttert hat, nicht einmal die aktuelle Katastrophe in Fukushima, so scheint es mir, dass nun viele Leute beginnen, darüber nachzudenken und sich dafür zu interessieren. Daher wird sich künftig wohl auch die völlig unkritische Meinung über den Atomkern ändern.“Die Vereinigungen der Atomkraftgegner in Tschechien, darunter auch die Bürgervereinigung „Jihočeské matky“ haben sich Mitte April mit ihren Kollegen aus Österreich und Deutschland getroffen und eine engere Zusammenarbeit vereinbart:
„Wir haben uns geeinigt, künftig enger und intensiver zusammenarbeiten zu wollen. Auf keinen Fall aber werden wir solche Aktionen wie Blockaden veranstalten. Denn solche Protestaktionen werden seitens der tschechischen Öffentlichkeit sehr negativ wahrgenommen. Die erste gemeinsame Aktion wird am 14. Mai in Freistadt stattfinden, wo wir ein Happening planen, bei dem es völlig gewaltlos zugehen soll. Weitere Aktionen sind in Tschechien und Deutschland vorgesehen.“