Erneute Auseinandersetzungen über Benes-Dekrete und Sudetendeutsche

Der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat der Tschechischen Republik empfohlen, die Rechtsgültigkeit der Benes-Dekrete zu beenden und die vertriebenen Sudetendeutschen freiwillig zu entschädigen. Gegenüber der Samstagsausgabe der Wiener Zeitung "Der Standard"äußerte Schüssel wörtlich, man müsse "...die Rechtswirkungen dieser Dekrete abdrehen." Dass dies totes Unrecht sei, solle mit dem Beitritt zur EU auch rechtlich einwandfrei sicher werden. Olaf Barth berichtet.

Außenminister Jan Kavan
Außenminister Jan Kavan reagierte bereits am Samstag, während seines offiziellen Besuches in Algerien, auf Schüssels Worte. Die Tschechische Republik habe schon mehrfach erklärt, dass die Benes-Dekrete Bestandteil ihres Rechtssystems seien. Deshalb sei es nur schwer vorstellbar, einen bestimmten Teil herauszulösen und aufzuheben.

Und Kavan weiter:

"Mit der Lösung eines rechtlichen Problems, würden wir nämlich ein anderes rechtliches Problem erzeugen,"

vermutet der Außenminister, der allerdings eine Rechtsanalyse zu diesem Thema in Auftrag gegeben hat.

Regierungssprecher Libor Roucek verwies am Sonntag in Prag auf das tschechisch-österreichische Abkommen von 1974, in dem sich Österreich verpflichtet hatte, keine Eigentumsansprüche geltend zu machen. Dieses Abkommen beziehe sich gerade auf die Entschädigung jener Sudetendeutschen, die seit dem 2. Weltkrieg in Österreich leben. Roucek merkte an, dass sich jeder Regierungschef an die Abkommen seiner Amtsvorgänger halten solle.

Premierminister Milos Zeman
Unterdessen beharrte Premierminister Milos Zeman in einem am Sonntag vom TV-Privatsender "Prima" gesendeten Gespräch auf seinen Beschuldigungen an die Adresse der Sudetendeutschen. Zeman hatte jene unlängst als Landesverräter und 5.Kolonne Hitlers bezeichnet. Der Regierungschef wehrte sich aber erneut dagegen, hinter seinen Äußerungen die Feststellung einer Kollektivschuld zu vermuten. Er sei aber für klare Argumente, meinte Zeman und führte aus:

"Bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 1938 wählten 90% der Sudetendeutschen die sudetendeutsche Partei von Konrad Henlein. Mein zweites Argument geht aus der von Konrad Henleins 1942 in Wien getätigten Erklärung hervor, in der er sagte, dass die Sudetendeutschen im Einklang mit dem Reichsführer Adolf Hitler, alles unternommen hätten, um den tschechoslowakischen Staat zu zerschlagen. Diese 90% besagen aber, dass mindestens 10% der Sudetendeutschen gegen die Nationalsozialisten gewesen sind. Und ich habe eine Kollektivschuld stets abgelehnt."

Autor: Olaf Barth
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