EU-Mitgliedschaft darf nicht nur in Geld umgerechnet werden
Soweit die Informationen aus Kopenhagen. Von Dagmar Keberlova erfahren Sie jetzt, wie man auf die Ergebnisse des EU-Gipfels in Prag reagiert hat.
Noch am Sonntag hatte der EU-Botschafter in Prag Ramiro Cibrian eine Pressekonferenz gehalten, bei der er Tschechien aufgefordert hat, dass das aus der gemeinsamen europäischen Kasse stammende Geld zwar wichtig ist, jedoch nicht das Wichtigste. Cibrian zufolge liegt das Wichtigste darin, dass Tschechien in der Europäischen Union die gleiche Stimme haben wird wie die jetzigen EU-Mitlgieder. Auch wenn andere Kandidatenländer nach dem Beitritt mehr Geld bekommen werden, sei dies kein Grund zur Enttäuschung, weil Tschechien weder Atomkraftwerke nach dem EU-Beitritt schließen muss noch eine Außengrenze, die es sichern müsste, haben wird. Ramiro Cibrian gratulierte den tschechischen Unterhändlern zum dem erzielten Ergebnis:
"Ich möchte all jenen in Tschechien applaudieren, die für die EU-Mitgliedschaft der Tschechischen Republik hart gearbeitet haben. Ich ziehe den Hut vor allen, die in den oft sehr scharfen und fachtechnischen Verhandlungen verharrt haben, um eine Einigung in Kopenhagen zu erzielen."
Auch der dänische Botschafter in Prag, Jorgen Bojer, äußerte seine Freude darüber, dass sein den EU-Vorsitz innehabendes Land das Hauptziel erreicht hat. Die einzige Enttäuschung des Kopenhagener Gipfels wäre die Tatsache, dass tschechischer Präsident Vaclav Havel nicht teilnehmen konnte. Nach Kopenhagen war Havel als Sondergast eingeladen, wo er beim feierlichen Abendessen sprechen sollte. Das schlechte Wetter verhinderte seine Anreise. Vaclav Havel äußerte sich über das Ergebnis der Verhandlungen zufrieden, man dürfe den EU-Beitritt nicht nur in Geld umrechnen. Man müsse vor allem über die Werte nachdenken, die durch den Beitritt Tschechien zukommen. Havel zufolge war das Kopenhagener Gipfeltreffen auch für Tschechien ein historischer Moment, weil das Land Mitglied des gemeinsamen europäischen Raumes werden wird.
Politiker der Regierungskoalition geben sich mit dem Ergebnis äußerst zufrieden. Parlamentschef Lubomir Zaoralek sieht darin eindeutig einen Erfolg Tschechiens, indem ein Prozess endet, der 1989 begann und vielleicht länger als erwartet dauerte. Oppositionspolitiker sind in ihren Äußerungen skeptischer. Der Ex-Chef der Bürgerdemokraten Vaclav Klaus sei hundertprozentig überzeugt, dass bei den Verhandlungen Tschechien nicht ihr bestes getan hat. Ein weiterer Vertreter der Bürgerdemokraten, Jan Zahradil, meint, dass in Kopenhagen bewiesen wurde, dass die Beitrittsbedingungen weniger günstig sind als bei früheren Erweiterungen. Unabhängige Fachexperten, die von der Nachrichtenagentur CTK zum Thema befragt wurden, bewerten das erzielte Ergebnis positiv und stufen die ausgehandelten Bedingungen als sehr gut ein. Sowohl Optimisten als auch Skeptiker einigen sich allerdings in einer Sache - die Arbeit sei noch nicht zu Ende. Nun muss die tschechischen Öffentlichkeit über die Folgen des Beitritts sowie des Nicht Beitritts verständlich aufgeklärt werden.