Tschechien sucht seinen nächsten EU-Kommissar

Tschechien will in der nächsten EU-Kommission ein starkes, möglichst wirtschaftliches Ressort besetzen. Darin sind sich Politiker hierzulande quer durch das politische Spektrum einig. Wer das Land in der Kommission vertreten wird, ist allerdings weiterhin unklar. Die Regierung will nun aus drei Kandidaten auswählen.

Jozef Síkela | Foto: Regierungsamt der Tschechischen Republik

Nach der Wahl des neuen EU-Parlaments steht für die tschechische Regierung nun die Aufgabe an, einen neuen Vertreter des Landes in der Europäischen Kommission zu nominieren. Ursprünglich haben die Regierungsparteien vereinbart, dass der Kommissar vorgeschlagen wird von der Koalition aus Piraten und der Bürgermeisterpartei Stan, die bei den letzten Parlamentswahlen zusammen angetreten waren. Sie haben sich allerdings nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen können und daher gleich drei Personen vorgeschlagen. Die Bürgermeister nominieren die Nummer eins ihrer Kandidatenliste für die Europawahl, Danuše Nerudová (Stan), sowie den derzeitigen Industrie- und Handelsminister Josef Síkela (parteilos).

Minister Síkela möchte in der neuen Kommission die Erfahrungen der tschechischen Ratspräsidentschaft aus der zweiten Jahreshälfte 2022 nutzen. Damals habe Europa vor allem mit hohen Energiepreisen kämpfen müssen, sagt er:

„Ich möchte selbstverständlich an meine Arbeit in den Ministerräten anknüpfen, in denen ich bisher tätig war. Das heißt in den Bereichen wirtschaftlicher Wettbewerb, Binnenmarkt, Industrie und Energiewirtschaft.“

Laut Danuše Nerudová könnte Tschechien unter anderem den Bereich regionale Entwicklung anstreben, aber auch weitere Ressorts:

Danuše Nerudová | Foto: Barbora Navrátilová,  Radio Prague International

„Die Tschechische Republik gehört nicht der Eurozone an, daher kann sie sich natürlich nicht um die stärksten Ressorts bewerben. Es gibt aber mehrere wirtschaftliche Ressorts. Wir müssen uns entscheiden, ob wir auf Wettbewerbsfähigkeit oder etwa auf die Umsetzung des Green Deals zielen wollen.“

Neben der Bürgermeisterpartei planen auch die Piraten einen eigenen Personalvorschlag, obwohl sie bei der Europawahl deutlich verloren haben. Anstatt der bisher drei Abgeordneten stellen sie in Straßburg nur noch eine Abgeordnete. Dennoch bestehen die Piraten darauf, dass Tschechien den scheidenden Europaabgeordneten und ehemaligen Vizevorsitzenden des Europäischen Parlaments Marcel Kolaja nominieren solle. Laut der Vizeparteichefin und wiedergewählten Europaabgeordneten Markéta Gregorová könnte er seine Kontakte in der Europäischen Union nutzen, obwohl er sein Mandat als EP-Abgeordneter nicht verteidigt hat:

„Zugleich hat Kolaja erklärt: Sollte der Wahlmisserfolg unserer Partei Auswirkungen darauf haben, welches Ressort die Tschechische Republik bekommen kann, wolle er sich nicht um die Position bewerben. Uns allen geht es vor allem um ein starkes Amt in der Kommission.“

Marcel Kolaja | Foto: Tschechische Piratenpartei/Flickr,  CC BY-SA 2.0 DEED

Die Kandidaten stehen fest, und es liegt nun an der Regierung, die Kommissarin oder den Kommissar endgültig zu nominieren. Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) wollte sich vor seiner Reise nach Brüssel zum informellen Gipfel des Europäischen Rates nicht zu den konkreten Kandidaten äußern:

„Ich will im Voraus nichts bestätigen. Meiner Meinung nach sind sich alle dessen bewusst, dass die möglichen Kandidaten gute Chancen eröffnen, damit der tschechische Vertreter oder die tschechische Vertreterin in der Kommission ein entsprechendes Portfolio erhält.“

Die Frist für die Nominierung von Kandidaten läuft Ende August ab. Fiala ist überzeugt, dass sein Kabinett bis Anfang der Parlamentsferien eine Entscheidung trifft.

Autoren: Markéta Kachlíková , Vít Andrle
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