Wahl von der Leyens: Lob und Bedenken in Tschechien

Ursula von der Leyen (Foto: ČTK / AP Photo / Jean-Francois Badias)

Ursula von der Leyen steht als erste Frau an der Spitze der EU-Kommission. Die Reaktionen aus Tschechien sind gemischt.

Ursula von der Leyen  (Foto: ČTK / AP Photo / Jean-Francois Badias)

Foto: ČTK / AP Photo / Jean-Francois Badias
Wahrscheinlich hat Ursula von der Leyen mit ihrem Bekenntnis zu Europa vor dem Plenum in Straßburg punkten können. Vielleicht lag es aber auch daran, dass in der Bewerberrede der CDU-Politikerin für jeden was dabei war – von mehr sozialer Gerechtigkeit, über neue Ansätze in der Flüchtlingspolitik bis hin zu einem offenen Ohr für den Osten der EU. Deshalb twitterte die Europaabgeordnete Dita Charanzová von der tschechischen Regierungspartei Ano nach der Wahl, Zitat:

„Ursula von der Leyen ist für mich ein guter Kompromiss. Ich bin mir sicher, dass sie ihren Auftrag erfüllen wird, die EU zu einen.“

Die Partei Ano gehört zur liberalen Fraktion Renew Europe im Europaparlament. Und diese stand bei der Wahl gemeinsam mit der Europäischen Volkspartei fest hinter der ehemaligen Bundesverteidigungsministerien. Tschechiens Premier Andrej Babiš ist Vorsitzender der Ano, auch er äußerte sich auf Twitter, Zitat:

Tomáš Petříček  (Foto: Barbora Němcová)
„Erstmals steht eine Frau an der Spitze der EU-Kommission – noch dazu eine sehr kompetente! Ich habe die Wahl von der Leyens unterstützt und freue mich auf die Zusammenarbeit im Rat.“

Er hoffe schon bald auf ein erstes Treffen mit von der Leyen, so Babiš. Auf mögliche Differenzen, vor allem in der Flüchtlingspolitik, ging der Ex-Unternehmer jedoch nicht ein. In Prag regiert die Ano gemeinsam mit den Sozialdemokraten, die jedoch bei den vergangen Wahlen keinen Sitz im Europarlament erringen können. Der sozialdemokratische tschechische Chefdiplomat Tomáš Petříček würdigt die Wahl von der Leyens trotzdem, Zitat:

„Ich begrüße ihre Entschlossenheit, dazu beizutragen, die EU mehr zu einen und im Inneren stärker zu machen.“

Jiří Pospíšil  (Foto: Aktron,  Wikimedia Commons,  Public Domain)
Beim Lob für Ursula von der Leyen stimmt die Regierung ausnahmsweise mit den meisten Parteien der konservativen Opposition überein. Immerhin gehören die Christdemokraten, die Partei Stan und die Top 09 zur Europäischen Volkspartei, also der politischen Heimat von der Leyens. Jiří Pospíšil ist Vorsitzender der Top 09:

„Ursula von der Leyen ist eine erfahrene Politikerin und war schon in mehreren Regierungen. Sie weiß, wie Exekutive aussieht. Und das ist die Europäische Kommission in gewisser Weise. Deshalb muss man für den Posten nicht nur Erfahrungen aus dem Parlament mitbringen, sondern auch von der Regierungsbank.“

Pospíšil hebt zudem hervor, dass von der Leyen als Deutsche und Mitteleuropäerin auf die Visegrád-Staaten zugehen könnte. Außerdem zeigte sich der Europapolitiker froh, dass die gebürtige Brüsselerin die erste Frau in dem hohen EU-Amt ist.

Jan Zahradil  (Foto: Prokop Havel,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Doch nicht alle Konservativen aus Tschechien stehen hinter der neuen Kommissionschefin. Die Bürgerdemokraten hatten sich nach der EU-Wahl der europakritischen ECR-Fraktion angeschlossen. Deren „Spitzenkandidat“ war Jan Zahradil. Vor dem Urnengang im Europaparlament sagte dieser:

„Die Rede von der Leyens war für mich eine Enttäuschung. Sie hat der Linken im Europaparlament zu viele Zugeständnisse gemacht.“

Die tschechischen Piraten waren als Teil der Europäischen Grünen ebenfalls gegen Ursula von der Leyen. So ist die Deutsche für Partei-Vize Mikuláš Peksa eine schwache Wahl. Tatsächlich war der Ausgang des Votums sehr knapp, und die Missachtung des ursprünglichen Spitzenkandidaten-Prinzips sorgte für Unmut. Außerdem sieht Peksas Parteikollege Marcel Kolaja hinter der Europavision der frischgebackenen Kommissionschefin nur leere Versprechen. Vor allem was die Digitalpolitik angeht, sieht der Experte für Verbraucherschutz schwarz:

Kateřina Konečná  (Foto: Genevieve ENGEL/EP-040778A,  Archiv des Europäischen Parlaments)
„Aus Deutschland kennt man von der Leyen in Bezug auf die digitale Agenda durch ein Gesetz, das praktisch eine Zensur eingeführt hat im Internet. Wir befürchten deshalb, dass sie solche Regeln auch auf europäischer Ebene durchbringen möchte.“

Und auch von ganz Links gibt es Kritik an der Christdemokratin. Die Kommunistin Kateřina Konečná wirft von der Leyen vor, trotz aller Krisen der EU weitermachen zu wollen wie bisher. Es sei eine Fortsetzung der bisherigen großen Koalition aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen, so die tschechische Abgeordnete in Straßburg.