Industrieminister Jozef Síkela soll Tschechiens neuer EU-Kommissar werden
Jozef Síkela (Stan) ist der Kandidat für das Amt des neuen tschechischen EU-Kommissars. Dies gab die Regierung in Prag am Mittwoch bekannt. Die Hoffnung: Der amtierende Industrie- und Handelsminister könnte in Brüssel ein möglichst starkes Portfolio bekommen – im besten Falle ein wirtschaftliches.
Nach der Regierungssitzung, die zehn Stunden dauerte, gab das Kabinett am Mittwoch auf der Pressekonferenz bekannt, wer der neue tschechische EU-Kommissar werden soll: Jozef Síkela. Der derzeitige Minister für Industrie und Handel sagte anschließend, dass die Nominierung für ihn eine Ehre sei. Und weiter:
„Die Europäische Kommission wird in den kommenden Jahren einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des ganzen Kontinents haben. Es freut mich, dass sich Tschechien die Rolle eines zuverlässigen Partners erarbeiten konnte. Und ich bin mir sicher, dass wir diese Position weiter verstärken können.“
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hatte die EU-Mitgliedsstaaten nach ihrer Wiederwahl eigentlich dazu aufgefordert, zwei Kandidaten ins Rennen zu schicken: einen Mann und eine Frau. Dass sich die Regierung in Prag dagegen entschieden hat, hängt laut Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) damit zusammen, dass in den vergangenen zehn Jahren mit Věra Jourová eine Frau das ranghöchste tschechische Amt in Brüssel innehatte. Zudem wolle Tschechien ein möglichst bedeutendes Portfolio in der Kommission erhalten, schilderte der Kabinettschef:
„Wir haben auf Grundlage der Kompetenzen und Erfahrungen der Kandidaten sowie ihrer Chancen auf ein Ressort beschlossen, dass es die beste Strategie ist, nur eine Person zu nominieren. Und das ist Minister Jozef Síkela.“
Der war vor seiner politischen Laufbahn über 30 Jahre lang im Bankenwesen tätig. Petr Fiala verwies zudem darauf, dass Síkela während der EU-Ratspräsidentschaft 2022 bereits zahlreiche Kontakte geknüpft habe und in den EU-Institutionen von daher kein Unbekannter sei.
Neben dem Minister waren noch Danuše Nerudová, die wie Síkela Mitglied der Bürgermeisterpartei Stan ist, und Marcel Kolaja von den Piraten ins Rennen um das Amt des EU-Kommissars gegangen. Nerudová sitzt seit den Wahlen im Juni im Europaparlament. Marcel Kolaja war schon 2019 in Straßburg eingezogen, konnte seinen Sitz wegen des schlechten Wahlergebnisses seiner Partei zuletzt aber nicht verteidigen.
Während die Entscheidung für Síkela am Ende einstimmig war, äußerten einige Kabinettsmitglieder auch Kritik daran, dass nur ein Kandidat nominiert wurde. So schrieb etwa Innenminister Vít Rakušan (Stan) im sozialen Netzwerk X:
„Ich freue mich, dass ein von uns nominierter Politiker die Unterstützung der Koalition erhalten hat. Aber ich würde mich mehr freuen, wenn beide Kandidaten unterstützt worden wären. Meiner Meinung nach wäre die tschechische Verhandlungsposition dann besser. Ganz ohne Zweifel wird Jozef aber ein sehr guter EU-Kommissar sein – ganz gleich welches Ressort er bekommt.“
Hinsichtlich der Frage, welcher Generaldirektion Síkela zugeteilt und mit welchem Aufgabenfeld er dadurch betraut wird, bestehen aber durchaus große Hoffnungen. So sagt Petr Hartman, Kommentator des Tschechischen Rundfunks:
„Dass Síkela ausgewählt wurde, lässt darauf schließen, dass Petr Fiala im Vorfeld in Brüssel verhandelt hat. Womöglich hat Tschechien also große Chancen, tatsächlich ein bedeutenderes wirtschaftliches Ressort zu bekommen.“
Von der Opposition im tschechischen Parlament gab es Kritik an der Ernennung. Radim Fiala, stellvertretender Vorsitzender der Rechtsaußenpartei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD), zweifelte Síkelas Kompetenzen in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks an:
„Schon als tschechischer Industrie- und Handelsminister war seine Mission nicht erfolgreich. Es gibt vieles, das wir in Zukunft angehen müssen: den Energiemangel oder die teuren Treibstoffpreise. Und auch die Stromkosten werden weiter steigen.“
Sicher hat Jozef Síkela seinen neuen Posten im Berlaymont bisher noch nicht. So muss die Nominierung erst noch vom Ausschuss für Europäische Angelegenheiten des tschechischen Abgeordnetenhauses abgesegnet werden. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erhält dann von den nationalen Regierungen die Listen mit den Kandidaten und teilt die Ressorts zu. Die finale Entscheidung über die EU-Kommissare trifft das Europäische Parlament. Zu der Abstimmung könnte es Premier Petr Fiala zufolge in der zweiten Oktoberhälfte kommen. Sein neues Amt würde Jozef Síkela dann im November antreten. Wer dann den Posten des Industrie- und Handelsministers in Prag bekommen würde, ist bisher noch unklar.
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