EU-Normen: Tschechische Lebensmittelindustrie steht in entscheidender Umbruchsphase

Radio Prag hat bereits von den Vorbehalten berichtet, die es in Brüssel gegenüber Tschechiens Europareife noch gibt. Auf einen der genannten Punkte, nämlich auf den Bereich der Lebensmittelindustrie, wollen wir nun noch einen genaueren Blick werfen: Welche Perspektiven gibt es für die Beseitigung der festgestellten Mängel? Und könnten für Tschechien in diesem Zusammenhang Probleme entstehen? Hören Sie dazu mehr von Gerald Schubert:

Seit Monaten standen die Warnungen im Raum, jetzt wird es langsam aber sicher ernst: Die Europäische Kommission hat sich in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Bericht über die EU-Vorbereitungen der Beitrittsstaaten unter anderem die tschechische Lebensmittelindustrie vorgeknöpft. In diesem Bereich gebe es demnach noch Schwächen bei der Übernahme europäischer Hygienenormen, und die müssten nun so rasch wie möglich beseitigt werden. Eine der Institutionen, die die Einhaltung jener Normen zu prüfen hat, ist hierzulande die staatliche Veterinärverwaltung. Radio Prag hat deren Direktor, Herrn Josef Holejsovsky, um eine erste Beurteilung des Brüsseler Berichts gebeten:

"Was die Lebensmittelbetriebe angeht, so muss ich sagen, dass der Bericht für die Tschechische Republik ziemlich günstig ist. Die Betriebe wissen, dass sie bis spätestens Ende dieses Jahres den Regelungen der EU-Legislative entsprechen müssen. Und nur die, die bis Ende des Jahres die Genehmigung der staatlichen Veterinärverwaltung haben, dürfen auf dem Markt bleiben. Die anderen müssen ihre Tätigkeit einstellen."

Es handelt sich also ganz und gar nicht um eine zahnlose Regelung. Was die Einhaltung bestimmter Standards betrifft, so wird ab Januar tatsächlich hart durchgegriffen. Und das dürfte auch für die tschechischen Konsumenten eine gute Nachricht sein. Doch wenn nun tatsächlich Lebensmittelbetriebe in größerem Umfang schließen müssten: Könnte es dann im Extremfall nicht auch zu regionalen Engpässen in der Versorgung kommen? Josef Holejsovsky, Direktor der tschechischen Veterinärverwaltung:

"Diese Situation droht überhaupt nicht. Meistens handelt es sich nur um kleinere Betriebe. Und die Kapazität jener Betriebe, die den Normen entsprechen werden, ist ausreichend hoch, so dass man dort all das bearbeiten kann, was produziert wird. Und man kann damit einen funktionierenden Markt gewährleisten, so dass es auch keinen Mangel an Lebensmitteln geben wird."

Einige Berufsgruppen sind dennoch besorgt. Von den insgesamt etwa 4000 Lebensmittelbetrieben, so schätzt man, werden etwa 500 die Normen nicht rechtzeitig erfüllen. Obwohl die EU-Forderungen in der Branche bereits seit Januar 2000 bekannt sind, war man in diesen Fällen nicht bereit oder auch nicht in der Lage, rechtzeitig die entsprechenden Investitionen zu tätigen. Regional könnte das vorübergehend zur Belastung des Arbeitsmarktes führen, und auch Landwirte befürchten den Ausfall von Betrieben, die bisher ihre Produkte zur Weiterverarbeitung gekauft haben.

Einige planen daher schon voraus: Nach der Schließung zweier Molkereien in Ostböhmen etwa sind die dortigen Milchbauern bereits in Verhandlungen mit einer deutschen Firma getreten: Nach dem EU-Beitritt, so hofft man, werde man die Milch nach Dresden verkaufen.