EU Referendum im östlichsten Teil Tschechiens
Herzlich willkommen, verehrte Damen und Herren, zu einer weiteren Ausgabe des Eurodominos. Der EU-Botschafter in Prag, Ramiro Cibrian, hat sich bereits verabschiedet, wie Sie vielleicht aus unseren Sendungen wissen, doch die Delegation und das Informationszentrum bleiben weiter bestehen, weil es noch genügend zu tun gibt. Und auch unsere Sendung Eurodomino bleibt nach dem klaren tschechischen Ja zum EU-Beitritt weiterhin bestehen, weil noch einiges zu berichten sein wird. Bleiben wir aber heute noch beim Referendum und werfen einen Blick zurück auf seinen Verlauf in den Regionen. Radio Prag ist an den Tagen der Austragung des Referendums bis an die Ostgrenze der Tschechischen Republik gefahren, um hier den Verlauf der Abstimmung zu verfolgen. Hören Sie im folgenden eine Reportage darüber, wie die Bürger in der Grenzregion um Jablunkov gewählt haben.
"Ich habe nein gewählt. Mir kommt es seitens der Europäischen Union für uns noch ungünstig. Für mich sind mehr Nachteilte als Vorteile vorhanden. Aus diesem Grund würde ich noch abwarten."
"Ich sehe in dem Beitritt für uns normale Menschen keine Vorteile. Der EU-Beitritt ist nur für reiche Leute gut, nicht für normale Menschen.
Nichtsdestotrotz waren doch die Mehrheit der Antworten positiv, darunter auch viele Leute aus der älteren Generation, die angaben, dass sie vor allem für ihre Kinder so gewählt hätten, sie selber würden nur noch wenig von den Folgen des EU-Beitritts erleben:
"Ich habe mich selber entschieden und nach dem, was ich selber meine. Wir müssen endlich in unserem Europa sein!"
"Damit unsere Kinder ein besseres Leben haben. Ich sage jedem, der Nein wählen wollte, du willst doch nicht mehr mit den Russen leben, mit denen haben wir schon gelebt. Jetzt wollen wir nach Europa."
"Ich habe ja gewählt. Warum? Wegen unseren Kindern, das Reisen wird einfacher, wir werden weiter in die Welt kommen."
"Ich habe ja angekreuzt, weil ich Europäer bin, schon seit langer Zeit."
Der Bürgermeister der Stadt, Petr Sagitarius, ist eindeutig für den Beitritt. In diesem Sinne hat er sich vor dem Referendum mehrmals an die Bürger gewandt und versucht, ihnen die Gründe für ein 'Ja' zum EU-Beitritt nahe zu bringen. Für legitim hält er auch die Tatsache, dass die Tschechen bei ihrer Entscheidung wahrscheinlich vom Ergebnis des Referendums in Polen und der Slowakei beeinflusst waren:
"Ich sage es weniger formell: Ja. Alle anderen haben schon Ja gesagt, und ich könnte mir gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn wir der Union nicht beitreten würden. Wir würden uns isolieren und ich glaube, dass auch dieser Druck, so eine Art Prestige: "Sie sind drinnen, so müssen wir auch, gut ist." Das ist in Ordnung."
Bürgermeister Sagitarius könne sich die Zukunft für seine Region, die bereits heute, elf Monate vor dem tatsächlichen EU-Beitritt, alles schon als EU Region geplant hat, ohne die Europäische Union gar nicht vorstellen.
Ähnlich wie er fühlt sich auch ein anderer Bürgermeister, nämlich der der östlichsten Gemeinde in der ganzen Tschechischen Republik, Hrcava. Hier ist mehr Europa als irgendwo anders, denn von der Terrasse des hiesigen Gasthauses sieht man gleich in zwei andere Länder. Auf dem gegenüber liegenden Berg befindet sich die polnische Gemeinde Javorinka und unten im Tal liegt der slowakische Ort Ciarna. Erst 1927 hat sich Hrcava vom polnischen Javorinka getrennt und der damaligen Tschechoslowakei angeschlossen. Die älteren konnten sich noch daran erinnern und vielleicht ein bisschen Angst von Polen haben aber die meisten Einwohner in Hrcava sind heute für die EU. Bürgermeister Josef Szkandera hat mit Ja gestimmt, denn er sieht keine andere Zukunft als die in der Union, andernfalls würde man zu einer Insel werden. Und wie es so bei kleinen Gemeinden ist, verspricht er sich vor allem Entwicklung und die dafür notwendigen Finanzen, heute vor allem für eine Straße, die die Verkehrssituation dieser Gemeinde bedeutend verbessern sollte:
"Wie ich schon am Anfang gesagt habe: Die Europäische Union ist für uns die einzige Lösung. So viel Geld, wie wir dafür brauchen - 10 Millionen Kronen - hat der Landkreis für uns nicht. Unsere Gemeinde hat, nur um zu vergleichen: 1,5 Millionen Kronen pro Jahr."
Etwas Geld hat die Gemeinde bereits bekommen, und zwar für den Entwurf eines neuen Projektes. Mehr dazu noch einmal Bürgermeister Szkandera:
"Wir haben ein internationales Projekt gestartet, an dem sich Polen und die Slowakei beteiligen. Wir werden sicherlich um europäisches Geld ersuchen. Wir wollen den Ort des Dreiländerecks neu rekonstruieren. Wahrscheinlich wird dort ein Schutzplatz ausgebaut, wo an die dreißig Menschen sitzen können und auch planen wir dort den Ausbau einer Holzbrücke über den Teich, damit die Menschen schnell auf die andere Seite der Grenze kommen."
Vor dem östlichsten Haus der Tschechischen Republik finde ich einen alten Mann ruhig sitzen, hinter seinem Haus hört Tschechien auf. EU-Referendum? Ja, klar, war er doch schon gestern meint er, selbstverständlich hat er ja gewählt, seit immer leben sie hier alle zusammen, warum jetzt nicht mehr? Für ihn würde es nicht mehr viel ändern, aber sein Sohn, der in Prag arbeitet, für ihn wünsche er sich das Beste, daher Ja.
Und hiermit verabschieden wir uns aus der Grenzregion Jablunkov, wo wir den Verlauf des Referendums verfolgt haben.
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt