Europäischer Haftbefehl wird auch in Tschechien gelten

Foto: Europäische Kommission

Die Sitzung des tschechischen Abgeordnetenhauses am vergangenen Freitag wurde vor allem wegen eines Tagesordnungspunktes mit Spannung erwartet - und zwar wegen der Abstimmung über den so genannten Europäischen Haftbefehl. Mehr über Hintergründe und Ausgang der Abstimmung von Gerald Schubert:

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Der Europäische Haftbefehl soll innerhalb der Europäischen Union das bisherige Auslieferungssystem ersetzen. In der Praxis heißt das: Auf seiner Basis soll jeder Strafverdächtige in das EU-Land ausgeliefert werden können, in dem die Straftat begangen wurde. Auch von seinem Heimatland in einen anderen Mitgliedstaat. Der oppositionellen Demokratischen Bürgerpartei ODS schien dies jedoch eine Einschränkung der Souveränität der Tschechinnen und Tschechen zu sein. Laut Jirí Pospisil, ODS-Schattenjustizminister, ist der Europäische Haftbefehl daher sogar verfassungswidrig:

"Die Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten sagt, dass ein Bürger nicht gegen seinen Willen ans Ausland ausgeliefert werden kann. Der Eurohaftbefehl soll genau das ermöglichen: Nämlich die Auslieferung tschechischer Bürger gegen ihren Willen zur Strafverfolgung an ein anderes EU-Land", sagt Jirí Pospísil von der oppositionellen ODS. Deren Ehrenvorsitzender, Staatspräsident Václav Klaus, hatte mit einer ähnlichen Begründung die Unterschrift unter das bereits im Parlament beschlossene Gesetz verweigert, dieses konnte daher bisher nicht in Kraft treten.

Befürworter des Europäischen Haftbefehls argumentieren genau umgekehrt: Er bedeutet ihrer Meinung nach sogar eine Stärkung der Souveränität all jener Tschechinnen und Tschechen, die sich keiner Straftat schuldig machen würden. Denn, so der Gedanke: Auch ausländische Strafverdächtige können mit ihm vor ein tschechisches Gericht zitiert werden, heimische Opfer oder Zeugen werden somit leichter an diesen Verfahren teilnehmen und ihre Rechte geltend machen können. Justizminister Pavel Nemec beruft sich außerdem auf existierende internationale Verträge:

"Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben sich auf dieses Prinzip geeinigt. Auf der einen Seite soll es in der EU freien Personenverkehr und freien Warenaustausch geben. Und auf der anderen Seite soll es auch möglich sein, jemanden, der auf dem Gebiet eines Mitgliedstaates eine Straftat begeht, zur Verantwortung zu ziehen. Er oder sie wird sich nicht mehr in seinem Heimatland vor der Gerechtigkeit verstecken können."

Nach dem Veto von Präsident Václav Klaus wurde nun am Freitag eine neuerliche Abstimmung im Abgeordnetenhaus nötig. Zur erforderlichen absoluten Mehrheit, die knapp aber doch erreicht wurde, trugen schließlich außer den Abgeordneten der sozialliberalen Regierungskoalition auch einige Kommunisten bei, die kommunistische Fraktion stimmte jedoch ebenfalls überwiegend gegen den Europäischen Haftbefehl. Tschechien und Italien waren die beiden letzten EU-Länder, die diesen in die eigene Rechtsordnung noch nicht übernommen hatten. Prag hat den Weg am Freitag frei gemacht.