Tschechiens Premier kritisiert Haftbefehl gegen Netanjahu – Entscheidung läge aber bei den Gerichten
Der Internationale Strafgerichtshof hat einen Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erlassen. Auch Tschechien ist Mitgliedsland des Gerichtshofs und zugleich einer der engsten Verbündeten Israels. Was bedeutet die Anordnung nun für dieses Verhältnis?
Laut dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sind Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und dessen ehemaliger Verteidigungsminister Yoav Galant für Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazastreifen verantwortlich. Deswegen hat er am Donnerstag einen Haftbefehl gegen beide erlassen. Die gleiche Maßnahme wurde noch gegen den Hamas-Führer Deif beschlossen, dem wiederum die Beteiligung am Massaker von rund 1200 Menschen in Israel vom 7. Oktober vergangenen Jahres angelastet wird.
Noch am Donnerstag übermittelte der tschechische Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) seine Kritik an dem Haftbefehl. Regierungssprecherin Lucie Ješátková:
„Laut dem Regierungsvorsitzenden Petr Fiala ist die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshof unglücklich. Er schwächt damit die eigene Autorität in anderen Fällen, da er die gewählten Vertreter eines demokratischen Staates auf eine Stufe stellt mit den Anführern einer islamistischen Terrororganisation.“
Im Fall von Netanjahu und dem mittlerweile aus dem israelischen Kriegskabinett abberufenen Galant argumentiert der Gerichtshof, dass sie „absichtlich und wissentlich“ der Zivilbevölkerung im Gazastreifen wesentliche Dinge für ihr Überleben vorenthalten würden – einschließlich Nahrung, Wasser, Medikamente, Brennstoff und Strom.
Und es gibt auch einige tschechische Politiker, die den Haftbefehl für richtig halten. So zum Beispiel Marcel Kolaja, der ehemalige Europaabgeordnete der Piraten. Über den Kurznachrichtendienst X schrieb er:
„Das Aushungern von Zivilisten als Kriegswaffe einzusetzen, bewusst großes Leid zu verursachen und gezielt zu morden sind ernste Verbrechen, die gründlich untersucht und für die Konsequenzen gezogen werden müssen.“
Tschechien unterstützt Israel in seinem Militäreinsatz gegen die Hamas, der nach dem Massaker begonnen hat. Prag gilt dabei als einer der engsten Verbündeten des jüdischen Staates. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks betonte der stellvertretende Außenminister Jiří Kozák (Bürgerdemokraten):
„Israel führt Krieg gegen die Terroristen der Hamas, die sein Territorium überfallen haben und bis heute Geiseln auf dem Gebiet von Gaza gefangen halten. Israel bemüht sich, diese Geiseln zu befreien. Das ist sein legitimes Recht, das auch wir unterstützen. Wir haben keinen einzigen Grund, die Beziehungen zu Israel wegen des Haftbefehls abzubrechen.“
Doch Tschechien ist auch einer der 124 Mitgliedsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs und daher eigentlich verpflichtet, Haftbefehle auszuführen – nämlich im Falle eines Besuchs Netanjahus im Land. Daran erinnerte auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Dies sei jedoch eine andere Ebene, nämlich die der Rechtsorgane, erläutert Kozák.
„Über eine mögliche Vollstreckung des Haftbefehls entscheiden hierzulande nicht die Politiker, sondern die zuständigen Rechtsorgane – also die Polizei und die Gerichte. Andererseits hat der Erlass des Haftbefehls an sich durchaus eine politische Dimension. So nimmt weltweit der Hass gegen Juden und den jüdischen Staat zu, und die Entscheidung des Strafgerichtshofs könnte diesen Hass noch verstärken“, so der stellvertretende Außenminister.
Im Praktischen glaubt Kozák jedoch nicht, dass die tschechische Justiz zu einer Vollstreckung des Haftbefehls gezwungen sein dürfte. Denn Netanjahu werde in nächster Zeit wohl nicht hierher reisen.