Festival Khamoro 2001

"Es vergeht kaum ein Tag, wo es nicht Meldungen geben würde. Es sind größtenteils Kurzmeldungen und sie zeigen vor allem das Negative: die schlechte Situation, die Wohnqualität, die Armut, die Ausgrenzung und vor allem die Größe der Volksgruppe..." Die Volksgruppe, von der Rudolf Sarközi - Vorsitzender des Kulturvereins österreichischer Roma - spricht, ist auch hierzulande überwiegend mit negativen Schlagzeilen verbunden: Zum Thema "Roma" fallen einem zumeist als erstes der Mauerbau in der Maticni ulice von Usti/Aussig sowie die jüngsten Emigrationswellen ganzer Roma-Familien nach Großbritannien und Kanada ein - beides Ereignisse, die auch international für Aufsehen gesorgt und die Frage nach dem Umgang der Tschechen mit ihren Minderheiten in den Mittelpunkt gerückt haben. Als Versuch, dem Dialog zwischen Roma und Tschechen positive Impulse zu verleihen, versteht sich das internationale Roma-Festival "Khamoro" - "Sonne" -, das vergangene Woche zum dritten Mal in Prag stattfand. Und damit sind wir direkt beim Gegenstand unseres heutigen Themenkaleidoskops, zu dem Sie aus dem Prager Studio Silja Schultheis begrüßt.

Das internationale Roma-Festival, das vom 22.-26. Mai in Prag stattfand und unter der Schirmherrschaft von Präsident Vaclav Havel stand, war vor allem ein kulturelles Ereignis. Roma-Künstlergruppen aus 12 verschiedenen Ländern präsentierten sich in Konzerten, Ausstellungen und Theaterveranstaltungen der Öffentlichkeit und boten dieser damit die Möglichkeit, einen Zugang zu ihrer Welt zu finden, ohne viel erklärende Worte, ganz selbstverständlich - so die Hoffnung von Emil Scuka, President der Internationalen Roma-Union, bei der Eröffnung des Festivals im Prager Rathaus am Altstädter Ring:

"Jedes Volk braucht und hat seine Kultur. Und Kultur zwischen den Völkern ist so etwas wie eine Sprache. Wir erwarten, dass wir uns aneinander annähern. Aber auch dass wir uns anderen mehr öffnen. Das Festival kann eine gute Sprache sein, in der wir uns gegenseitig verstehen. Es ist etwas Positives, was die Türen dort öffnen kann, wo sie verschlossen sind. Dazu ist Kultur da."

Einen Zugang zur Roma-Welt hat Robert Sedlacek über die Arbeit an seinem Film "Saga Romu - Die Sage der Roma. 1950 - 2000" gefunden, der im April dieses Jahres im Öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen ausgestrahlt und letzte Woche auf dem Prager Roma-Festival gezeigt wurde. Ich fragte den Regisseur, was den Ausschlag zu der Beschäftigung mit dem Thema gegeben habe:

"Ich habe einmal Zeitung gelesen, und da war wieder etwas darüber, wie Skinheads irgendwo in Nordmähren Zigeuner verprügelt haben. Und ich habe mich gefragt: was weißt du eigentlich selber über die Zigeuner? Ich habe herausgefunden, dass sie Probleme mit den Skinheads haben, dass sie in den Westen fliehen, weil sie denken, dass es ihnen dort besser gehen wird, dass sie hervorragend tanzen und Musik machen. Und gleichzeitig habe ich festgestellt, dass ich nicht weiß, wie die Großmutter einer Roma-Familie aussieht, ob sie den Kindern Märchen vorlieSt, ob sich Roma fotografieren, ob sie Weihnachtsbäume haben, ob sie lügen, ob sie sich gegenseitig beklauen, welche Wünsche sie haben. Ich kannte sie einfach nicht als Menschen, sondern nur als Masse. Das war es: als Masse. Für mich war das ein riesiges Problem: Wer sind eigentlich die Roma, habe ich mich gefragt."

Wie sie sich selbst sehen und wie sie von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden wollen, darüber waren sich die Roma, die nach dem Film an der Diskussion mit dem Regisseur teilnahmen, keineswegs einig. Während die einen es begrüßten, dass in dem Film ohne Beschönigung die soziale Situation der Roma gezeigt wurde, fanden die anderen zu stark die negative Seite ihres Lebens betont und meinten, dass dadurch das negative Roma-Klischees noch verstärkt werde. Unabhängig von diesen Differenzen war eins jedoch klar zu erkennen: Das stereotype Wahrgenommenwerden als homogene Masse durch die Mehrheitsbevölkerung hat die Roma für pauschale Verallgemeinerungen sensibilisiert. In diesem Zusammenhang klang auch die Frage an, ob ein "weißer" Regisseur letztlich überhaupt dazu in der Lage und berechtigt sei, einen Film über Roma zu drehen.

In diesem Punkt war sich Robert Sedlacek von Anfang an im Klaren darüber, dass ohne seinen Roma-Assistenten der Film - der auf Gesprächen mit Roma-Mitgliedern aus unterschiedlichen tschechischen und slowakischen Orten basiert - wohl kaum entstanden wäre:

"Ich bin davon ausgegangen, dass ich einen Film über die Roma nicht ohne einen Roma drehen kann, da sich die Roma sonst nicht mit mir unterhalten hätten. Ich wusste die Richtung, in die ich gehen wollte, und Richard - mein Assistent - war der Schlüssel, der mir das Tor öffnete, damit ich in diese Richtung gehen konnte."

Neben dem kulturellen Teil hatte das Festival Khamoro auch ein begleitendes Seminarprogramm zu bieten. "Die Roma und die Europäische Union" hieß eine der Sektionen und hier wurde nicht über moralische, sondern über handfeste politische Fragen gesprochen. Rainer Klien, der im österreichischen Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit für die Verbesserung des Status der Roma in Österreich und den benachbarten Reformstaaten zuständig ist, brachte im Gespräch mit Radio Prag auf den Punkt, was er hinsichtlich der Integration der Roma für die zentrale Frage überhaupt hält:

Ein weiterer Seminarblock war dem Thema Bildung gewidmet. Wie der stellvertretende Schulminister, Jaroslav Müllner, mir erklärte, habe das tschechische Schulministerium in diesem Jahr eine Konzeption entwickelt, die dem mangelnden Wissen über die Roma auf der einen Seite und der größtenteils sehr schlechten Schulbildung der Roma auf der anderen Seite abhelfen soll. Eine multikulturelle Bildung in Idealform stelle er sich so vor:

"Ein minimaler Idealzustand wäre der, dass die Schüler während ihres Schulbesuchs die grundlegenden Informationen über alle ethnischen Minderheiten erfahren, die auf dem Gebiet unseres Staates leben, über ihre Kultur, ihre Geschichte, ihre Bräuche - so dass sie sie wie Bürger dieses Staates akzeptieren, die einfach in bestimmten Gebieten gewisse Besonderheiten haben, die man respektieren muss. Und dass die Gesellschaft dies als Bereicherung betrachtet und nicht als Nachteil."