Fitness statt Gulasch?
Dass in Tschechien seit jeher gutes Bier gebraut wird, man dazu bevorzugt Gulasch mit Knödeln verzehrt und auf dieses Nationalgericht stolz ist, ist bekannt. Seitdem jedoch westeuropäische Lebens- und Essgewohnheiten nach 1989 kontinuierlich Einzug nach Böhmen und Mähren erhalten haben, wird hierzulande von Fachleuten zunehmend auch auf die Schattenseiten der tschechischen Küche hingewiesen. Jüngsten Umfragen zufolge, steht Tschechien sogar an 3.-4. Stelle in Europa, was die Zahl der Übergewichtigen anbelangt. Das Gesundheitsministerium hat sich daher Gedanken zur Verbesserung dieses Zustandes gemacht. Silja Schultheis berichtet.
Jeder 5. Tscheche kompensiert Gefühle von Traurigkeit damit, dass er sich etwas Leckeres zu essen gönnt. Und 61% der Menschen hierzulande sind der Meinung, dass das Leben zu kurz sei, als dass man sich Gedanken darüber machen müsse, was man essen darf und was nicht. Diese und weitere Ergebnisse zu den Essgewohnheiten der Tschechen stellte das Meinungsforschungsinstitut Stenmark am Mittwoch in Prag auf einer Pressekonferenz vor, die vom Gesundheitsministerium veranstaltet wurde. Auf der Grundlage der Studie, die mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union durchgeführt wurde, hat das Gesundheitsministerium Strategien zur Bekämpfung des Übergewichts entworfen. Ausschlaggebend für deren Erfolg ist - wie in vielen anderen Bereichen auch - die Bereitschaft der Menschen, allmählich ihre Ess- und Lebensgewohnheiten zu ändern. Und hier gibt es in den letzten Monaten einen Wandel zu verzeichnen, wie Alena Steflova, Leiterin der Abteilung für Präventiv- und Entwicklungsprogramme im Gesundheitsministerium im Gespräch mit Radio Prag ausführte:
"Ich würde sagen, dass ein Wandel hier ziemlich offensichtlich ist - auch was die sportlichen Aktivitäten anbelangt, zumindest bei einem bestimmten Teil der Bevölkerung. Es ist einfach ein modischer Trend, man sieht das an der Entwicklung der Fitnesszentren. Es wird zu einer Art Mode, dass Unternehmer hier ausländischen Trends folgen. Natürlich nicht alle, und sicherlich gibt es hier einen Unterschied zwischen Stadt und Land. Fit sein, sich gefallen, das ist dieser Medienboom der schlanken großen Mädchen. Auf der anderen Seite ist der Medientrend sehr negativ. Wir haben uns im Rahmen eines nationalen Gesundheitsprogramms seit 1992 sehr bemüht, über die Medien bekannt zu machen, was wirklich gesund ist. Aber ich muss sagen, dass die staatlichen Mittel hier verschwindend gering sind im Vergleich zu denen von großen Firmen. Und so hat beispielsweise eine Nutella-Reklame, von der jeder halbwegs vernünftige Mensch weiß, dass sie nicht der Wahrheit entspricht, mehr Einfluss."
Eine große Chance, Einfluss auf die Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung auszuüben, sieht Steflova hingegen in der Zusammenarbeit mit den praktischen Ärzten. Denn die Stenmark-Umfrage habe ergeben, dass 60% der Respondenten sich durch Gespräche mit ihren Ärzten durchaus in ihren Gewohnheiten beeinflussen lassen. Und so sieht das Gesundheitsministerium eine seiner wichtigsten Aufgaben darin, den Stellenwert und die Qualität der ärztlichen Beratung zu erhöhen.