Flucht über den Zaun: In der deutschen Botschaft in Prag wurde vor 15 Jahren Geschichte geschrieben

DDR-Flüchtlinge vor der westdeutschen Botschaft in Prag (Foto: CTK)

Vor genau fünfzehn Jahren machten sich von Prag aus tausende DDR-Flüchtlinge auf den Weg in die Bundesrepublik. Geflohen waren sie zuvor über den Zaun der westdeutschen Botschaft in Prag. Gerald Schubert hat folgenden Rückblick gestaltet:

DDR-Flüchtlinge vor der westdeutschen Botschaft in Prag  (Foto: CTK)
Einer, der sich noch genau an die stürmischen Tage in der Botschaft erinnern kann, ist Pavel Rostlapil, ein Tscheche, der damals für das Büro der ARD in Prag gearbeitet hat. Eigentlich war er gerade auf dem Weg in das westböhmische Bäderdreieck, um dort eine Reportage vorzubereiten. Da kam der Anruf aus Prag: DDR-Bürger belagern die Botschaft der Bundesrepublik: Rostlapil und sein Team kehrten sofort um:

"Wir haben die ersten Flüchtlinge gesehen, die schon über den Zaun geklettert waren. Wir haben auch die schon damals - sagen wir - lauwarme tschechische Polizei gesehen. Aber das war von den Personen abhängig. Manche haben weggeschaut, wenn die Leute über den Zaun geklettert sind. Manche haben doch versucht, das irgendwie zu verhindern. Aber es gab auch solche, die den Menschen, die sich schon im Garten befanden, sogar die Kinder über den Zaun gereicht haben. Das waren die ersten Eindrücke."

Etwa 4000 Flüchtlinge versammelten sich in den darauf folgenden Tagen in der Botschaft. Eine Herausforderung für die internationale Diplomatie in diesem so bewegten Herbst des Jahres 1989, als die kommunistischen Regime in ganz Osteuropa ins Wanken gerieten. Eine Herausforderung auch für die Leitung der Botschaft, und nicht zuletzt natürlich für die Flüchtlinge selbst. Immerhin ist eine diplomatische Vertretung in der Regel nicht darauf vorbereitet, Verpflegung und Hygienebedarf für so viele Menschen zu gewährleisten. Dann kam die Nacht des 30. September:

"Plötzlich kam der deutsche Außenminister Genscher auf den Balkon, und hat gesagt: Ihr seit frei. Da bekommt man schon eine Gänsehaut."

Am nächsten Tag machten sich die ersten Flüchtlinge auf den Weg in die Freiheit. Noch einmal Pavel Rostlapil, damals ARD-Korrespondent in Prag:

"Es war sehr eindrucksvoll. Als die ersten Flüchtlinge aus der Botschaft herausgekommen sind, da ging der deutsche Botschafter Dr. Huber, der doch noch Bedenken hatte, voran die Straße hinunter. Das vergesse ich nie. Die Busse standen vor der Nikolauskirche, und von dort weg fuhren sie bis zum Bahnhof. Die Leute waren frei."