Forum Gesellschaft

Hallo und herzlich willkommen, verehrte Hörerinnen und Hörer, zu der ersten Folge des Themenkaleidoskops mit Blanka Trcanová im Jahr 2001. Ich möchte an erster Stelle Ihnen allen für das neue Jahr alles Gute, beste Gesundheit und auch viel Glück wünschen. In der heutigen Sendung berichten wir über ein konkretes Beispiel der Adoption auf Entfernung. Danach sprechen wir über das neuste der bereits 6 Flüchtlingslager in der Tschechischen Republik. Abschliessend stellen wir Ihnen die Schule Bejt Elend vor. Falls Sie nicht wissen, was das ist, bleiben Sie dran. Gute Unterhaltung.

Ein Kind zu adoptieren, haben sich die Schüler der achten Klasse der Grundschule in Dobrichovice westlich von Prag entschieden. Ja, Sie haben richtig gehört. Auf Anregung ihrer Klassenlehrerin Frau Kritzlerova haben sich die 14 jährigen an das Projekt Adoptionen auf Entfernung angeschlossen und in dieser Form einen 8 jährigen Jungen aus Indien unter ihre Fittiche genommen. Obwohl man auch bei dieser untraditionellen Form der Adoptionen einige Formalitäten durchmachen muss, ließen sich die Schüler dadurch nicht abschrecken und haben sich bei der Geldbeschaffung aktiv engagiert. Da sie das Geld nicht einfach von ihren Eltern bekommen wollten, verkauften sie z.B. Anfang Dezember auf den Weinachtsmärkten Kritstallglas, das sie von einem Händler bekommen hatten. 30 % vom Gewinn konnten sie behalten, wodurch sie einen Gesamtgewinn von 3,5 Tsd. Kronen erwirtschaftet haben. An ihrem Verkaufsstand, den sie sich auch selbst besorgen mussten, hatten sie eine Info-Tafel angebracht, mit der sie die Kunden informierten, wofür sie das eingenommene Geld verwenden wollten.

Nur damit ist es natürlich nicht getan, die 14-jährigen müssen sich auch weiterhin nach Verdienstmöglichkeiten umsehen. Kleine Gelegenheitsjobs oder verschiedene Formen der Aushilfe sind die Empfehlungen der Klassenlehrerin und des Schuldirektors Bohuslav Stejskal, der für seine Schule im nächsten Jahr das internationale Statut gewinnen möchte. Das Geld soll der indische Adoptivjunge einmal im Jahr über die Katholische Charitas der Prager Erzdiözese bekommen. Dafür schickt ihnen ihr Junge seine Schulzeugnisse zur Einsicht, damit sie wissen, dass ihre Spenden nicht umsonst waren. Aus den Handbüchern der Charita wissen die Schüler aus Dobrichovice, dass sie nicht beliebig alles nach Indien schicken können. Zum Beispiel auch Spielzeug nicht, weil die Kinder in Indien es eigentlich nicht kennen. Eine Einladung nach Tschechien würde wohl auch nicht klappen, sagen die Kinder enttäuscht.

Direktor Stejskal ist über das Engagement seiner Schüler sehr erfreut,denn für ihn ist es ein Beweis, dass sie nicht nur gute Schüler sind, sondern dass in ihnen auch gute Menschen heranwachsen.


Für die Flüchtlinge bzw. Asylbewerber steht seit dem 5. Januar in der Tschechischen Republik ein weiteres Flüchtlingslager zur Verfügung. Diese bereits sechste staatliche Asyleinrichtung in Kostelec nach Orlicí ist im Zusammenhang mit der zunehmenden Anzahl der Asylbewerber im Jahr 1999 gegründet worden, sagt die Sprecherin des Innenministeriums Gabriela Bartikova. Die Rekonstruktion der ehemaligen Militärkaserne hat zusammen mit dem Ausbau einer Kläranlage für Abwässer 58 Millionen Kronen gekostet. Nach der definitiven Beendigung rechnet man mit einer Kapazität von 300 Personen. Für den Anfang werden hier cca 30 Angestellte, die einen Ausbildungs-Lehrgang unter der Aufsicht erfahrerener Kollegen in ähnlichen Einrichtungen absolviert haben, den Betrieb sicherstellen.

Der Bürgermeister von Kostelec Frantisek Sejkora hofft mit diesem Flüchtlingslager cca. 60 neue Arbeitsplätze in Zukunft schaffen zu können. Einen Teil des rekonstruierten Areals wird die Stadt für ihre privaten Zwecke benutzen. Die erste Gruppe von 50 Flüchtlingen ist in der neuen Asyleinrichtung in Kostelec nad Orlicí bereits am 5. Januar eingezogen.

Das Jahr 2000 kann durch die Anzahl der Asylbewerber in der Tschechischen Republik als ein Rekordjahr bezeichnet werden. 8773 Flüchtlinge haben nämlich im vergangenen Jahr einen Asylantrag in unserem Land gestellt. Die größte Welle konnte man im Monat November verzeichnen. Die meisten Flüchtlinge kommen nach wie vor aus der Ukraine, Moldawien, Rumänien, desweiteren 362 Personen aus Asien, 21 aus Afrika und mit 2 Kubanern ist auch die Karibik vertreten.


Die Schule Bejt Elend, wo Kinder Hebräisch sowie jüdische Traditionen erlernen, trägt den Namen des ungarischen Uronkels der Gründerin dieser Nachmittagsschule Andrea Ernyeiová. Kinder zwischen 5 und 12 können zweimal in der Woche in den gemieteten Räumlichkeiten der Grundschule in der Belgická Str. in Prag 2 mehr über das Judentum erfahren. Vor fünf Jahren begann ich mit drei Kindern, heute sind es ganze 27, sagt die Direktorin und Gründerin in einer Person. Neben der Sprache lernen hier die Kinder die jüdischen Bräuche entsprechend ihrem Alter kennen. Die Eltern der Kinder können diese Schule, die die traditionelle Erziehung der Familien weiter vertieft, nicht genug loben. Die Schule ist bemüht, eine unabhängige Organisation zu sein. Bejt Elend hat den Charakter von Freizeitzirkeln, in denen die Kinder altergemäss beschäftigt werden. Sie lesen z.B. alte Geschichten, analysieren darin die Sprache und versuchen Vebindungen mit der Gegenwart zu finden. Wir sind offen gegenüber allen Richtungen und Einflüssen, sagt Ernyeiová, unsere Türen stehen offen sowohl für orthodoxe, liberale als auch für nicht jüdische Familien. Natürlich werden hier die Kinder in eine ganz bestimmte Richtung geprägt und erzogen. Die Eltern allein müssen es sich überlegen, ob sie ihre Kinder diesem Einfluss aussetzen möchten oder nicht. Das Judentum wird immer noch als etwas anderes verstanden, man versucht den Kindern beizubringen, dass wir trotz mancher Unterschiede alle zu dieser Gesellschaft zählen.

Man erlebt jedoch auch schwierige Momente, wenn man den Kindern z.B. erklären muss, wieso bei ihren Freunden der Weihnachtsmann kommt und bei ihnen nicht.

Bejt Elend ist eine Bürgervereinigung, die die Mittel für ihre Existenz selbst beschaffen muss. Die Eltern bezahlen Schulgeld, ein weiterer Teil der Kosten kann dank der Unterstützung der einheimischen sowie der ausländischen Sponsoren gedeckt werden.

Autor: Blanka Trcanova
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