Freizeitverhalten tschechischer Jugendlicher nach 1989

Die Freizeit im Sozialismus war für die Jugendlichen in hohem Maße vorprogrammiert: Zunächst als Pionier und ab der 9. Klasse als sogenannter "Svazak" - Mitglied des "Verbandes der sozialistischen Jugend" - hatte man die staatlich organisierten Jugendverbände zu durchlaufen. Mit der Wende von 1989 waren diese Organisationen hinfällig geworden und trat an ihre Stelle eine Differenzierung im Freizeitangebot. Wie reagierten die Jugendlichen darauf? Und welche Tendenzen gibt es seitdem im Freizeitsektor zu verzeichnen? Hören Sie hierzu einen Bericht von Silja Schultheis.

Bis heute sind in Tschechien die sogenannten Kinder- und Jugendhäuser aus der kommunistischen Zeit die Hauptanbieter im organisierten Freizeitbereich. Es handelt sich dabei um ein in sich geschlossenes Netz von knapp 300 selbstverwalteten Zentren, die unter der Schirmherrschaft eines eigenen Ressorts im Ministerium für Schule, Jugend und Sport stehen. Das wichtigste Instrument der Einflussnahme auf die Freizeitgestaltung von Jungendlichen befindet sich somit in staatlichen Händen. In den vergangenen Jahren widmete das Schulministerium den Kinder- und Jugendhäusern erhöhte Aufmerksamkeit, es wurden Richtlinien zur Tätigkeit und Finanzierung dieser Zentren entworfen.

Hanka Farkasova vom Institut für Kinder und Jugendliche, das innerhalb des Schulministeriums für die Tätigkeit der Kinder- und Jugendhäuser zuständig ist, beobachtet seit der Wende folgende Tendenz im Freizeitverhalten der Jugendlichen:

"Mit der Änderung des gesamten gesellschaftlichen Lebens änderte sich auch die Werteskala. Die philosophische Kategorie 'können' wurde von der Kategorie 'haben, besitzen' abgelöst. Viele Jugendliche widmen sich daher verständlicherweise eher passiven Freizeitbeschäftigungen wie Kino, Fernsehen, Musikhören und nicht den aktiven Tätigkeiten. Hier, glaube ich, lenkt der Kommerz die Werteskala eher in eine negative Richtung. Wir würden es lieber sehen, wenn es eine größere Nachfrage nach aktiven Tätigkeiten gäbe."

Es sei Aufgabe des Staates, so Farkasova, ein entsprechendes Angebot für die aktive Freizeitgestaltung zu schaffen, sowohl durch die finanzielle Unterstützung von entsprechenden Vereinen als auch über das Netz der Kinder- und Jugendhäuser. Ein gewisses Problem bestehe allerdings in der Unlust der Jugendlichen, sich in Vereinen zu organisieren:

"Ich denke, das ist immer noch ein Relikt aus der Zeit des Sozialismus, als die Gesellschaft allem Organisierten gegenüber sehr negativ eingestellt war. Die heutige jüngere Generation hat noch von ihren Eltern her verinnerlicht, dass alles Organisierte schlecht ist. Man muss hier sehr geduldig und schrittweise vorgehen und die Jugendlichen davon überzeugen, dass es sich hier um ein Angebot handelt, was für sie interessant ist. Während der Zwischenkriegszeit hatten wir hier verschiedene Vereine, und ich glaube, dass sie in Zukunft wieder entstehen werden. Im Grunde haben wir heute schon Hunderte von Bürgervereinigungen. Aber ein Vereinsleben im wahrsten Sinne des Wortes, wie wir es aus der Zwischenkriegszeit oder von unseren westlichen Nachbarn kennen, gibt es hier bislang nicht."

Ansonsten seien die Einstellungen der tschechischen Jugendlichen jedoch durchaus vergleichbar mit denen ihrer Altersgenossen aus den EU-Mitgliedsstaaten - so das Ergebnis des sogenannten Eurobarometers - einer Umfrage, die das Institut für Kinder und Jugendliche in den Jahren 1997 und 2000 durchführte.