Führende Experten bei Adolf-Loos-Symposium in Pilsen
Diese Woche fand in Pilsen ein zweitägiges Symposium anlässlich des 70. Todestages des Architekten Adolf Loos statt. Organisatoren waren unter anderem das Österreichische Kulturforum in Prag, das Westböhmische Museum Pilsen und das Museum der Hauptstadt Prag. Alle Beteiligten betonten dabei eines: Anlass ist nicht nur der 70. Todestag des Architekten Loos, sondern auch ein gewisser Handlungsbedarf in der Gegenwart: Denn, so sind sich die Experten einig: gerade in Pilsen warten einige Interieurs von Adolf Loos einer Wiedererweckung. Gerald Schubert war in Pilsen dabei und hat dazu folgenden Schauplatz gestaltet:
Adolf Loos, einer der bahnbrechenden Architekten der europäischen Moderne, war bereits zu Lebzeiten für viele seiner Bewunderer eine lebende Legende, eine Ikone des fortschrittlichen Baustils, ein Papst der neuen Architektur. Für andere war er ein rotes Tuch. So erzählt man sich, dass Kaiser Franz Josef sogar sein Schlafzimmer in der Wiener Hofburg in einen anderen Trakt verlegen ließ, um nicht auf dieses - wie es heißt - furchtbare Haus auf dem Michaelerplatz blicken zu müssen, das Loos im Jahre 1911 fertiggestellt hatte, und das noch heute von Architekturfachleuten aus aller Welt zu Studienzwecken belagert wird. Das Markenzeichen des Hauses war jene Ornamentlosigkeit, die er bereits in dem 1908 erschienenen Aufsatz "Ornament und Verbrechen" proklamiert hatte, und die sich nur schlecht in den damaligen, zwischen Neoklassizismus und ornamentalem Jugendstil schwankenden, Wiener Architekturkanon einreihte.
Der 1870 im mährischen Brno / Brünn geborene Loos hat jedoch nicht nur im heutigen Österreich seine Spuren hinterlassen, sondern auch auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik. Am bekanntesten ist hier wohl die von ihm entworfene Villa Müller in Prag. Aber auch in der Westböhmischen Metropole Plzen / Pilsen gibt es noch so manches Loos-Erbe, dessen Wiederentdeckung und Wiedererweckung den Organisatoren des zweitägigen Loos-Symposiums, das vergangene Woche in Pilsen über die Bühne ging, auf dem Herzen lag.
Einer der Initiatoren war Walter Persché, Direktor des Österreichischen Kulturforums in Prag:
"Es ist zwar schon vor zwanzig Jahren zum ersten Mal über diese Arbeiten von Adolf Loos publiziert worden. Trotzdem: Nicht einmal in der lokalen Öffentlichkeit, und auch nicht in der Kommune selbst, war das im Bewusstsein verankert. Etliche dieser Objekte sind zwar im Besitz der Stadt, aber die Stadt hat eigentlich nicht gewusst, was sie da hat. Und jetzt, im Zuge der Privatisierung, sind etliche Objekte von der Zerstörung bedroht. Wir wollten jetzt mit diesem Symposium einmal hauptsächlich ein öffentliches Bewusstsein schaffen."
Und am Ende des Symposiums, da stand dann auch die Übergabe eines Memorandums an die Stadtverwaltung auf dem Programm, in dem man zu einer Restaurierung der von Adolf Loos geschaffenen Pilsener Interieurs aufruft - und dazu, diese auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Walter Persché, Direktor des österreichischen Kulturforums in Prag:
"Wenn man sich um diese Dinge kümmert, dann macht sich das auch wirtschaftlich bezahlt. Es bringt Tourismus, es bringt eine Hebung des Ansehens. Und wir hoffen, dass es gelingen wird, in Plzen einen ähnlichen Effekt zu erzielen."
Angereist waren zum dem Symposium im Westböhmischen Museum Pilsen an die 20 ausgewiesene Loos-Experten, die ihre Vorträge übrigens alle kostenlos hielten. Der betagteste von ihnen: Professor Johannes Spalt, 83 Jahre alt und Schüler jenes Mannes, der während des Zweiten Weltkrieges den Nachlass von Loos gerettet hat. Seine Erinnerungen werfen ein ungefähres Licht auf den Stellenwert, den Loos seinerzeit unter jungen Architekten hatte, und der sogar den gleichaltrigen Josef Hoffmann, Mitbegründer der berühmten Wiener Werkstätte, bisweilen etwas verblassen ließ:
"Für mich war ja 1949, ´50 oder ´51 Loos schon ein Begriff. Denn ich hatte einen Lehrer, den Professor Münz, der den ganzen Nachlass von Loos nach England gebracht hat und wieder zurück. Und er hat zum Beispiel gesagt: - Ja, da gab es noch eine Figur neben Loos! Einen Dilettanten! Einen Dekorateur! -Gemeint hat er Josef Hoffmann. Wir haben damals natürlich gelacht, denn wir konnten das nicht mehr nachvollziehen. Denn Hoffmann hatte ja auch ein gigantisches Oeuvre - nur eben anders."
In welchem Verhältnis stand nun Adolf Loos zu Lebzeiten mit der Ersten Tschechoslowakischen Republik? Professor Johannes Spalt:
"Loos hatte natürlich zur Tschechoslowakischen Republik viele Beziehungen. Nicht nur, dass er hier aufgewachsen ist. Ob er Tschechisch konnte, weiß ich nicht. Ein bisschen wird er schon gekonnt haben - wie es eben damals so war in Brünn. Aber: Er war ein Freund von Masaryk. Und das war natürlich sehr entscheidend. Da kam er immer in beste Gesellschaft. Außerdem glaube ich: Nachdem er tschechischer Staatsbürger ist, kann die Tschechische Republik ihn ruhig vereinnahmen - auch wenn er bei uns in Wien verstorben ist. Er war ja ein Reisender. Er war ja nie fest an einem Ort. Das hat er nicht ausgehalten. Er musste ja weg."
Zum Stellenwert, den Adolf Loos und seine Gebäude heute in der Tschechischen Republik haben, haben wir einen anderen der in Pilsen vortragenden Experten ans Mikrophon gebeten, und zwar Bruno Maldoner, gegenwärtig Denkmalschutzbeauftragter der Stadt Wien:
"Es ist hier etwas geglückt, was in Österreich noch nicht geglückt ist: Nämlich einen repräsentativen Bau der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und hervorragend zu kuratieren. Und zwar ist das das Haus Müller in Prag, wo sich das Museum der Stadt Prag sehr engagiert hat, und wo die Instandsetzung auf der absolut obersten Ebene des internationalen Niveaus ist."
Apropos internationales Niveau: So international wie die Expertenrunde ist, die sich in Pilsen eingefunden hat, so grenzüberschreitend sollte nach Ansicht der Fachleute auch die Zusammenarbeit sein, wenn es um die Renovierung, die Erhaltung, und die Pflege des kulturellen Erbes geht, und zwar gerade hinsichtlich der architektonischen Moderne vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Denn auch hundert Jahre später scheint es hier noch einen gewissen Nachholbedarf zu geben, während ältere Bauwerke oft mit einer ganz anderen Selbstverständlichkeit als zu bewahrende Kulturschätze begriffen werden.
Und mit diesem Anspruch an ein grenzüberschreitendes Denken im heutigen Umgang mit dem Erbe von Adolf Loos, wie es auch das Pilsener Symposium versucht hat einzulösen, kommt man, wie Bruno Maldoner abschließend meint, auch dem eigenen Anspruch des Architekten Loos am nächsten:
"Zu seinem Sechzigsten Geburtstag hat ihm ein Herr Simon ins Festbuch geschrieben, dass er europäisch denke. Und wenn man sich seine Biographie und seine Freunde vor Augen führt, dann kommt man zum Schluss: Loos hat Europa im Sinn gehabt, ehe Europa ein Thema war. Und ich glaube, wir sind jetzt, siebzig Jahre nach Loos' Tod dabei, diesen Sinn zu realisieren. Möglicherweise."