Goethe in Karlsbad - 180 Jahre später

Johann Wolfgang von Goethe

Insgesamt 13 Mal hat sich Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe in der westböhmischen Kurstadt Karlovy Vary (Karlsbad) aufgehalten, die er neben Weimar und Rom als einen der drei Orte bezeichnete, wo er am liebsten leben möchte. Sein letzter Besuch wurde durch die Liebe zur 19-jährigen Ulrika von Levetzow gekennzeichnet; nachdem sie sein wiederholtes Heiratsangebot endgültig ablehnte, verließ er im September 1823 enttäuscht die Stadt und kam nie wieder.

Karlsbad  (Foto: Štěpánka Budková)
Sollte Goethe zum vierzehnten Mal gerade in diesen Tagen Karlsbad besuchen, würde er sich sicher sehr wundern. Das gesellschaftliche Leben hat nichts an seiner Intensität verloren, nur die Form hat sich verwandelt. Die Literatendebatten und Konzerte, die hier z.B. Beethoven oder Paganini gaben, wurden durch Filmprojektionen und Rockkonzerte abgelöst, die Menschenmassen in mehrere Kinosäle und Klubs der Stadt locken. In Karlsbad findet nämlich seit Freitag das 38. Internationale Filmfestival statt.

Auch Goethes Ulrika würde heute wohl ganz anders aussehen: 19-jährige Mädchen machen keine Spaziergänge auf der Kurkolonnade, sondern rennen von einem Kinosaal zum anderen, sehen fünf sechs Filme pro Tag, schlafen im Camp oder auch gar nicht. Das Festival präsentiert sich gerade als ein Festival für die interessierten jungen Leute, die als berühmt-berüchtigte "Rucksackträger" die Szenerie beherrschen. Gleichzeitig will man sich jedoch vom Glanz der Filmstars blenden lassen, und so spaltet sich das Filmfest eigentlich in zwei Welten - in die der Leute, denen es hauptsächlich um die Filme geht, und in jene der Stars und Partys, wo im Vordergrund steht, gesehen bzw. fotografiert zu werden.

Es drängt sich einem daher manchmal der Eindruck auf, dass letzteres überhaupt das wichtigste ist. Auch bei Pressekonferenzen scheint die Präsentation nicht selten wichtiger als die eigentliche Informationenvermittlung zu sein. Wie ist es sonst zu erklären, dass eine Pressekonferenz anstatt in einem zur Verfügung stehenden und mit Dolmetschertechnik ausgestatteten Konferenzsaal direkt auf der Kolonnade stattfindet. An einem Ort, wo man schlecht hört und wo man auch nicht simultan übersetzen kann, wo aber die Aufmerksamkeit eines jeden Passanten geweckt wird. Dies war eine meiner Erfahrungen vom letzten Jahr. Hoffentlich werden diesmal die Vernunft den Größenwahn verdrängen und die Informationen wieder an Wert gewinnen. Dann werde auch ich gerne nach Karlsbad zurückkehren, womöglich auch 13 Mal wie einst Johann Wolfgang von Goethe.