Wo Wasser heilt: Ein Spaziergang durch Karlsbad

Spazierengehen und Wandern gehören seit jeher zu einem Kuraufenthalt. Nehmen Sie nun einen Trinkbecher in die Hand und begeben Sie sich mit uns auf einen Spaziergang durch Karlovy Vary / Karlsbad. Dabei wird heißes Wasser aus Heilquellen getrunken, aber auch Manches über den Kurort und seine Sehenswürdigkeiten erzählt.

Die Kurstadt Karlovy Vary / Karlsbad liegt in einem engen Tal. Mehrere Kolonnaden mit Heilquellen, Gebäude mit Bädern und zahlreiche Hotels säumen den Fluss Teplá. Im Ortszentrum, vor einem der Kurhäuser, in denen die Patienten behandelt werden, wartet unsere Begleiterin auf uns. Jitka Hradílková zeigt seit 55 Jahren den Besuchern ihre Stadt.

Jitka Hradílková | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Karlsbad bildet zusammen mit Mariánské Lázně / Marienbad und Františkovy Lázně / Franzensbad das berühmte westböhmische Bäderdreieck, das gemeinsam mit weiteren acht Kurbädern Europas auf der Liste des Unesco-Welterbes stehen. Die heißen Quellen seien der stärkste Faktor, der die Entwicklung des Ortes geprägt habe und heute noch präge, betont die Stadtführerin. Dies spiegelt sich auch im Ortsnamen Vary. Das tschechische Wort bezeichnet nämlich brühend heißes Wasser. Der Eigenname Karl erinnert dann an die Gründung der Stadt durch König und Kaiser Karl IV. im Jahr 1370.

Blick auf Karlsbad | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Drei Millionen Liter heißes Wasser täglich

In Karlsbad entspringen über 80 Quellen aus der Erde, die alle an die mächtigste Quelle, den heißen Sprudel, wie Zweige an einem Baum angebunden sind. Deshalb sei die Zusammensetzung des Wassers fast identisch, Unterschiede gebe es nur in der Temperatur, erzählt die Karlsbaderin:

Sprudel | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

„Wir haben hier über drei Millionen Liter heißes Wasser täglich. Jeder Liter enthält rund 6,5 Gramm Mineralsalze. Täglich sind es also insgesamt 18 Tonnen Mineralsalze.“

Mit der Trinkkur hängt auch ein typisches Element der Kurarchitektur zusammen – die Kolonnaden. Die Säulengänge wurden gebaut, um die Kurgäste bei ihren Quellen-Umgängen vor schlechtem Wetter zu schützen. So war es auch in Karlsbad. An der Stelle, wo ursprünglich eine Mühle am Fluss Teplá stand, befindet sich heute der größte und prächtigste Wandelgang der Kurstadt, die 1882 fertiggebaute Mühlbrunnkolonnade:

„Die Mühlbrunnkolonnade hat 124 Säulen im griechischen Stil. Sie wurde vom Architekten Josef Zítek entworfen, der auch das Nationaltheater in Prag gebaut hat. Empfohlen wird, durch die Kolonnade zu spazieren und nicht außerhalb, weil hier schwache Radioaktivität auf uns wirkt. In dieser Kolonnade sind fünf Heilquellen, bei jeder steht ihre Nummer, ihr Name und ihre Temperatur.“

Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Die Mühlbrunnkolonnade

Das systematische Trinken von Mineralwasser ist wichtigster Bestandteil jeder Karlsbader Kur. Vor allem Erkrankungen des Verdauungssystems, Stoffwechselstörungen sowie Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates werden behandelt. Die Patienten trinken nur aus den vom Arzt verschriebenen Quellen, und zwar die verordnete Menge zum festgelegten Zeitpunkt. Genossen wird das Heilwasser dabei aus einem speziell geformten Porzellantrinkbecher mit einem langen Ausgießer.

Mühlbrunnkolonnade | Foto: Štěpánka Budková,  Radio Prague International

„Die Menschen kommen dreimal am Tag, immer eine halbe Stunde oder eine Stunde vor dem Essen. Man trinkt schluckweise aus einem Schnabelbecher, höchstens einen Liter pro Tag.“

Wenn man nicht nur entlang des Flusses und der Kolonnaden spazieren, sondern auch von oben auf den Kurort hinabschauen will, hat man in Karlsbad viele Möglichkeiten. Auf den Hügeln, die das Tal säumen, befinden sich gleich mehrere Aussichtstürme und -punkte. Dabei muss man sich nicht immer anstrengen, um sie zu erreichen. Jitka Hradílková macht in der Straße zwischen der Mühlbrunn- und der Marktkolonnade einen Stopp:

„Hier stehen wir vor dem Aufzug zum Schlossturm, der immer bis 22 Uhr in Betrieb ist. hier stand ursprünglich das Jagdschloss von Karl IV. Die jetzige Architektur kommt aus dem 18. Jahrhundert. Es gibt da auch eine Ausstellung über alle elf Kurbäder, die zusammen auf der Unesco-Liste stehen. Von dem Balkon wurden immer die Könige und Kaiser, wenn sie in der Stadt waren, mit Fanfaren begrüßt.“

Sogar eine Musiktaxe mussten die Kurgäste in Karlsbad einst zahlen. Zudem war Karlsbad neben Baden-Baden die erste Kurstadt, in der eine Kurtaxe erhoben wurde.

Kurarchitektur des 19. Jahrhunderts

Die Stadt diente in vielen Dingen als Vorbild, sagt Jitka Hradílková:

„Auch in der Architektur. Es gibt hier vorwiegend Historismus, also italienische Neurenaissance, das Grandhotel Pupp ist im Stil des französischen Neubarock gebaut, das Hotel Felix Zawojski im Blumenjugendstil. Da die Gäste aus unterschiedlichen Ländern kamen, entwarfen die hiesigen Architekten die Häuser so, dass sie sich wie zu Hause fühlten.“

Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Viele Häuser in Karlsbad wurden vom Atelier der Wiener Architekten Ferdinand Fellner und Herman Helmer entworfen. Das gilt für das Stadttheater, das Kaiserbad, aber auch etwa für die weiß getünchte Marktkolonnade. Das hölzerne Schnitzwerk, das sie ziert, erinnert an Spitzen:

„Hier stand im Mittelalter das Rathaus. Aber auf dem Platz befinden sich drei heiße Quellen, die ständig den Weg aus der Tiefe nach oben suchten und das Gebäude beschädigten. Es wurde abgerissen, und Anfang 1880er Jahren wurde eine hölzerne Kolonnade als Provisorium für zehn Jahre gebaut. Letztlich blieb der Bau aber 110 Jahre lang stehen. Heute sehen wir eine Kopie, die schon zweimal neu angestrichen wurde.“

Der Sprudel: 73,4 Grad Celsius

Vor der Marktkolonnade biegen wir von der Hauptstraße ab und kommen in ein Gebäude aus Stahlbeton und Glas. Darin spritzt die wichtigste Karlsbader Quelle in die Höhe, der Sprudel:

Sprudel | Foto: Barbora Němcová,  Radio Prague International

„Der Sprudel kommt aus der Tiefe von zwei Kilometern und spritzt in eine Höhe von bis zu zwölf Metern. Das Wasser hat die Temperatur von 73,4 Grad Celsius. Diese Kolonnade wurde im Mai 1975 fertiggestellt und ist für 80 Jahre geplant. Nach 40 Jahren war das Gebäude aber so beschädigt, dass man es sperren und das Wasser hinausleiten musste. Die neue Konstruktion steht hier seit 2022.“

In der Halle der Sprudel-Kolonnade werden sogar kulinarische Spezialitäten aus dem Sprudelwasser angeboten. Verkosten kann man Bier, das daraus gebraut wird, oder den sogenannten Karlsbader Sprudelkaffee. Er enthält nicht nur Kaffee, der mit dem Sprudelwasser aufgebrüht ist, sondern auch den Likör Becherovka und Schlagsahne. Und natürlich gibt es auch die Karlsbader Oblaten, deren Teig aus dem Karlsbader Mineralwasser zubereitet wird. Und will man ein eigenartiges Souvenir mit sich nach Hause bringen, kann man die sogenannte Karlsbader Sprudelsteinrose kaufen. Jitka Hradílková erläutert, wie sie entsteht:

„Eine Papierrose wird auf einem Draht in eine Dusche mit heißem Wasser gehängt. Nach sieben Tagen versteinert sie ganz. Und die Sedimente verleihen ihr eine bräunliche Farbe.“

Foto: Kristýna  Maková,  Radio Prague International

Kurgäste aus der ganzen Welt

Unser Spaziergang geht aber hinter dem Sprudel stromaufwärts weiter. Auf dem Kai, der den Namen Alte Wiese trägt, stehen keine Badehäuser und Kolonnaden mehr, sondern vor allem Hotels und Restaurants. Ganz am Ende kommt man zum Grandhotel Pupp:

Grandhotel Pupp | Foto: Michaela Danelová,  Tschechischer Rundfunk

„Es ist wirklich eine Legende. Das erste Gebäude entstand hier 1701, auf Anlass des sächsischen Kurfürsten August des Starken, der sechsmal in Karlsbad war. Ende der 1760er Jahre kam Johann Georg Popp nach Karlsbad. Der junge Mann, ein Zuckerbäcker, wurde hier ansässig und gründete die Hotel-Dynastie Pupp. Die Familie und das Hotel waren so berühmt, dass noch in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ein Artikel in der New Yorker ‚Times‘ erschien, wenn jemand aus dem Hauptmanagement starb. Wirklich die ganze Welt kam hierher.“

Direkt neben dem Hotel steht ein prächtiges ehemaliges Kurhaus im historisierenden Stil, das sogenannte Kaiserbad. Lange Jahrzehnte lang verfiel das Haus, bevor es 2023 nach einer Instandsetzung wiedergeöffnet wurde. Dort kann man auf Besichtigungstour gehen oder zu Veranstaltungen.

Um den Lärm der Kurstadt zu entkommen, empfehlen wir ganz zum Schluss den Aufstieg zum Aussichtsturm Diana. Zu erreichen ist er zu Fuß oder ganz bequem mit einer Seilbahn vom Grandhotel Pupp aus. Der Turm bietet einen herrlichen Blick nicht nur über die Kurstadt darunter, sondern auch auf den Kamm des naheliegenden Erzgebirges. Im Restaurant Diana kann man sich erfrischen und danach auf gut gepflegten Waldwegen weiterwandern oder zurück in die Stadt absteigen.

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