"Haben Sie auch serbische Fahnen?" - das Treffen der Staatspräsidenten in Brünn
Es waren Begegnungen ganz besonderer Art, die sich von Donnerstag bis Samstag vergangener Woche in Brno / Brünn abspielten. 15 Staatspräsidenten, von denen sich einige bisher noch nie gesehen hatten, kamen im Rahmen der "Mitteleuropäischen Initiative" zusammen. Zudem waren viele Brünner Bürger neugierig auf so viel Staatstragendes in ihrer Stadt. Also nicht nur ein Fall für die politischen Kommentatoren. Vor allem der offizielle Auftakt des Präsidententreffens am Freitagmorgen geriet zu einem gesellschaftlichen Ereignis ersten Ranges.
Während auf der großen Bühne die Musik von mährischer Folklore, über Kinderchöre in Popmusik übergeht, strömen immer mehr Neugierige herbei. In den Straßen sind fliegende Händler mit kostenloser Ware unterwegs.
"Wollen Sie nicht auch Fähnchen? Tschechische, italienische."
"Haben Sie auch serbische?"
"Serbische sind sicher auch dabei, kommen Sie..."
Manche greifen bei den Papierfähnchen mit den Nationalflaggen der 15 Staaten auch wahllos zu, wie dieser Herr mittleren Alters.
"Welche Fähnchen haben Sie da gerade in der Hand?"
"Ich muss bekennen, dass ich es selbst nicht weiß."
Im Unterschied zu früheren Treffen der Mitteleuropäischen Initiative hat Vaclav Klaus das ganze Prozedere offizieller Staatsbesuche verordnet. Als er zusammen mit seiner Gattin Livia eintrifft, geht die Burgwacht, also die Ehrengarde des tschechischen Präsidenten, in Habachtstellung.
Über den roten Teppich, der mehrere hundert Meter weit über die Schienen der Masarykstraße gelegt wurde, nähert sich der Zug der 14 restlichen Staatsoberhäupter.
Vaclav Klaus begrüßt ein Staatsoberhaupt nach dem anderen aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Die offiziellen Reden beginnen kurze Zeit später. Klaus als Gastgeber ergreift natürlich auch das Wort:"Es handelt sich bereits um das 14. Treffen der Präsidenten aus Mittel-, Ost und Südosteuropa. Und wir sind sehr froh, dass dieses Treffen gerade in unserem Land und gerade hier in Brünn stattfindet."
Eigentlich soll die Begrüßungszeremonie anderthalb Stunden dauern. Wegen der tropischen Hitze wird sie aber auf die Hälfte reduziert. Nichtsdestotrotz muss der Rettungsdienst mehrfach eingreifen - einigen Zuschauern versagt der Kreislauf.
Der öffentliche Teil geht nun in den privaten über. Klaus geleitet seine Gäste über den Platz der Freiheit. Noch ein kurzes Winken für die Presse vor dem Hotel Internacional, bevor der erste gemeinsame Programmpunkt ansteht: das Essen mit drei Gängen.
Die Verhandlungen beginnen zweieinhalb Stunden später. Der Ort: das Messegelände der Stadt Brünn. Erst Plenarsitzung, dann am Freitagnachmittag und am nächsten Tag bilaterale Gespräche im 20-Minutentakt. Am Samstag absolviert zum Beispiel der tschechische Präsident zwischen 8.40 Uhr und 10 Uhr vier Unterredungen. Es geht um eine neue Erweiterungsrunde der EU, Visafragen mit Makedonien und den Kosovo. Schwierigster Gesprächspartner ist wohl der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer, auch wenn die Begrüßung darauf nicht hindeutet:Dann fällt die Tür zum Verhandlungsraum ins Schloss, die Journalisten werden ausgesperrt. In sachlicher Atmosphäre habe man geredet, sagt nachher Heinz Fischer. Auch das Thema Temelin sei auf den Tisch gekommen, lässt zudem Fischers Sprecher Meinhard Rauchensteiner wissen. Doch auch ein anderes Thema wird an beiden Tagen kontrovers diskutiert: die Verhandlungen über den Aufbau des amerikanischen Raketenabwehrsystems in Tschechien und Polen. Nach außen wird aber meist eitel Sonnenschein verbreitet. Oder wie Vaclav Klaus resümiert:
"Ich habe das Mandat, von den Herren Präsidenten auszurichten, das Treffen sei gelungen, und alle würden anerkennen, dass ausgesprochen offene Diskussionen geführt wurden."Den Journalisten bleibt nur eine Möglichkeit: spärliche Informationen wie Mosaiksteinchen zusammenzusetzen. Und so erfährt die Öffentlichkeit meist nur die halbe Wahrheit. Doch die Bürger von Brünn stört dies nicht so sehr, denn 15 Präsidenten hat man nicht alle Tage in der Stadt:
"Ich finde es überhaupt schon interessant, dass sie den Weg auch nach Brünn und damit nach Mähren gefunden haben. Wir sind da Patrioten. Und dann hat das sicher auch einen gewissen Einfluss auf die Entwicklung der Lage, weil sie sich mehr oder weniger informell beraten können", sagt eine ältere Dame.
Sie stellt sich als Frau Rujbarova vor. Ihre Begleiterin, Frau Dvorakova, fügt an:
"Mich fasziniert daran, dass sie sich überhaupt verständigen und an einem Ort in solcher Ruhe zusammentreffen können. Das signalisiert: Eine Übereinkunft ist möglich, wenn es die Leute wollen."
Goldene Worte in den Ohren der Staatsoberhäupter.