Hausbesetzer-Affäre: Minderheitenminister Kocáb geht´s an die Lederjacke

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Die Villa Milada im Prager Stadtteil Holešovice war die letzte Bastion der Hausbesetzer-Szene in Prag. Nach der Aufsehen erregenden gewaltsamen Räumung in der vergangenen Woche schien sich alles zum Guten zu wenden. Der Minister für Minderheitenfragen und Menschenrechte Michael Kocáb hatte vermittelt. Und so räumte der Besitzer eines Hauses ganz im Zentrum den anarchischen Ruinenliebhabern ein vorläufiges Wohnrecht ein. Das scheint nun aber erst der Anfang einer längeren Geschichte gewesen zu sein. Über die Fortsetzung sprach Daniel Kortschak mit Christian Rühmkorf.

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Christian, bring uns auf den neuesten Stand.

„Ja, die Entwicklung schreitet schneller voran als allen Beteiligten wohl lieb ist. Jetzt geht es nämlich der Politik an den Kragen. Die ganze Geschichte hat mittlerweile mindestens fünf beteiligte Parteien: Geschäftsmann und Hausbesitzer Petr Svinka, Menschenrechtsminister Michael Kocáb, den Prager Stadtmagistrat, die Hausbesetzer und ihre neuen unfreiwilligen Nachbarn. Vor wenigen Tagen hatte der Hauseigentümer Petr Svinka medienwirksam und dazu noch offiziell im Kocáb-Ministerium den Hausbesetzern die Schlüssel zu drei Wohnungen übergeben, in der Nähe des Platzes der Republik. Von der Lage her also ein Filetstückchen. Vom Zustand her sicher nicht. Aber es leben noch vier Mietparteien im Haus, Familien. Und die wollen seit längerer Zeit nicht der geplanten Modernisierung weichen. Und eben diese vier Mietparteien zahlen regulär Miete und ihre neuen Nachbarn, die Hausbesetzer, die wohnen dort für eine symbolische Krone.“

Da scheint ja wohl der Haken zu liegen. Die einen zahlen im Zentrum kräftig Miete, die anderen wohnen umsonst.

Michael Kocáb  (Foto: ČTK)
„Das ist der eine Stein des Anstoßes. Die alteingesessenen Mietparteien vermuten aber hinter dem scheinbar altruistischen Akt einen langfristigen Plan des Hausbesitzers Svinka. Sie glauben, Svinka will sie hinausekeln, damit er endlich die Immobilie auf Hochglanz bringen und teuer vermieten kann, auch an Firmen. Und zum Hinausekeln sind anarchische Hausbesetzer, mehrere Hunde und recht wilde Happenings vielleicht nicht ganz ungeeignet. Svinka und auch Kocáb bestreiten das natürlich.“

Wie reagieren denn Öffentlichkeit und Medien auf diese Vorgänge?

„Es hagelt Kritik. Und die trifft natürlich vor allem Menschenrechtsminister Kocáb, der sich plötzlich an vorderster Front sieht. Nicht nur die Kommentatoren finden, dass Kocáb unfähig ist, zwischen Ministeramt und Privatmann zu unterscheiden. Auch der Magistrat der Stadt Prag hat sich auf die Seite der protestierenden Altmieter geschlagen. Denn die haben in den letzten Nächten wegen angeblicher Ruhestörung durch die Hausbesetzer kein Auge mehr zugemacht, sagen sie. Der Magistrat will nun den geplagten Mietern neuen Wohnraum besorgen, aber – und das ist das Entscheidende – auf Kosten des Kocáb-Ministeriums. Das habe ja die Situation verschuldet, hieß es. Kocáb aber bleibt standhaft und kritisiert in einem aktuellen Zeitungsinterview die tschechische Gesellschaft für ihre mangelnde Toleranz gegenüber Dreadlocks und Ohrringen.“

Sieht aus, als seien die einzigen Entspannten die ehemaligen Hausbesetzer?

„Nein, und das ist die Pointe, die ich mir bis zum Schluss aufgehoben habe. Auch sie fühlen sich jetzt vom Hausbesitzer Svinka als sozusagen als Laus im Fell der Altmieter missbraucht und wollen wieder ausziehen.“