Havel spricht sich gegen eine Konkurrenz zwischen EU und USA aus

Vaclav Havel, photo CTK

Im Winter hatte der tschechische Präsident Václav Havel seinen offiziellen Staatsbesuch in Italien noch aufgrund einer seiner chronischen Erkrankungen der Atemwege absagen müssen. Umso gespannter war man nun, wie Havel dieser Tage den nachgeholten Besuchstermin wahrnehmen wird. Am Donnerstag erregte er jedenfalls einiges Aufsehen mit seiner Ansprache im italienischen Senat. Lothar Martin hat den ersten Besuchstag Havels in Rom zusammen gefasst.

Vaclav Havel,  foto CTK
Bei seiner Ansprache im italienischen Senat hat sich Präsident Havel am Donnerstag ungewohnt nachdrücklich in die Debatte über die Geschichte, vor allem aber die Zukunft Europas eingeschaltet. Insbesondere wandte er sich gegen die Bestrebungen, die europäische Ökonomie unbedingt zur führenden Wirtschaftsmacht in der Welt ausbauen zu wollen.

"Warum verkünden wir schon wieder, dass wir die besten und stärksten unter allen sein wollen? Warum definieren wir uns als Konkurrenten gegen jemanden, in diesem Falle keineswegs gegen Asien, aber gegen Amerika?", fragte Havel in seiner Rede. Nach Ansicht des tschechischen Staatsoberhauptes "wird damit wieder der altbekannten Krise des Selbstbewusstseins das Wort geredet". "Kann man in Europa wirklich nicht gut leben, ohne Amerika ein- und überholt zu haben?", hinterfragte Havel nochmals.

Havel reagierte in seiner Rede auf den so genannten Lissabonner Prozess, der vor zwei Jahren eingeleitet wurde. Damals gaben sich die 15 EU-Länder das Ziel, die EU bis zum Jahr 2010 zum leistungsfähigsten Wirtschaftssubjekt der Welt aufsteigen zu lassen und damit die USA gerade von dieser Position zu verdrängen. Havels Meinung stehe hierbei keinesfalls im Widerspruch zu den Beschlüssen der EU, erklärte dessen Sprecher Ladislav Spacek. "Dies ist kein politischer Streit. Dies ist vielmehr ein Widerspruch, sagen wir philosophischer Natur, des philosophischen Verständnisses der Welt," äußerte Spacek. Seiner Auffassung zufolge sehe nämlich Václav Havel "nicht die Anzahl der hergestellten Automobile als ein Kriterium für das menschliche Glück an".

Auch bei seinem italienischen Amtskollegen Carlo Ciampi traf Havel mit seiner Ansicht auf offene Ohren. Beider Politiker waren sich darin einig, dass der Gedanke an ein vereintes Europa nicht in technokratischen Vereinbarungen untergehen darf. "Um die große historische Chance nicht in irgendwelchen unendlichen technokratischen, ökonomischen oder von Prestige geprägten Abkommen untergehen zu lassen, hat es sich noch stets ausgezahlt, immer wieder in die entferntere Zukunft zu schauen," sagte Havel nach dem Treffen vor Journalisten. Sämtliche Dokumente der Europäischen Union sollten daher nicht nur für die Unterhändler der jeweiligen Regierungen, sondern vor allem für die einfachen Bürger der EU-Länder verständlich sein, erklärten beide Präsidenten.