Hohes Handelsbilanzdefizit Tschechiens im Jahr 2000

Das Handelsbilanzdefizit Tschechiens hat im Jahr 2000 mit einer Höhe von 127 Milliarden Kronen den höchsten Wert seit dem Krisenjahr 1997 und den dritthöchsten seit der Wende verzeichnet. Dennoch sehen Wirtschaftsexperten vorläufig keinen Grund zur Beunruhigung. Mehr dazu von Rudi Hermann im folgenden Beitrag.

Die Tschechische Republik hat im Jahr 2000 laut den Angaben der Handelsstatistik Waren im Wert von 1120.4 Milliarden Kronen exportiert, hingegen Güter für 1247.2 Milliarden Kronen eingeführt, was einen Negativsaldo von knapp 127 Milliarden Kronen ergibt. Das ist fast doppelt so viel wie noch 1999, als das Defizit 64.4 Milliarden ausmachte, und nach Fehlbeträgen von 158 Milliarden im Jahr 1996 sowie 140 Milliarden 1997 der dritthöchste Minusbetrag seit der Wende. 1996 und 1997 hatten die hohen Handelsdefizite dazu beigetragen, dass die tschechische Wirtschaft auf die schiefe Bahn geriet. Wie bekannt mussten im Frühling 1997 mit zwei einschneidenden Sparpaketen schmerzhafte Korrekturen vorgenommen werden, um die entstandene Währungskrise nicht ausufern zu lassen. Droht ein solches Szenario auch jetzt wieder?

Nein, meinen die Fachleute, wenigstens nicht in den nächsten Monaten. Denn wichtig ist, wie sie argumentieren, nicht nur die Höhe des Defizits, sondern auch die Art und Weise, wie es zustande gekommen ist. Und hier gibt es markante Unterschiede. Das letztjährige Handelsdefizit erreichte seine Höhe vor allem deshalb, weil sich der Ölpreis wesentlich erhöhte und Tschechien bei diesem Energieträger praktisch ausschliesslich von Importen abhängig ist. Ferner machten Investitionsgüter, also Maschinen und Technologie, einen bedeutenden Teil der Einfuhren aus, und nur zu einem kleineren Teil Konsumgüter. Deshalb meinte beispielsweise ein Analytiker gegenüber dem Fernsehen, es sei nicht so, dass das Defizit gewissermassen verkonsumiert worden sei. Vielmehr würden die importierten technologischen Einrichtungen dazu beitragen, die Konkurrenzfähigkeit der tschechischen Exportindustrie zu steigern, was sich mittelfristig in einer Exportsteigerung niederschlagen könne.

Der Nationalbank-Vizegouverneur Ludek Niedermayer fügte hinzu, dass das Defizit vollumfänglich durch ausländischen Kapitalzufluss gedeckt und der Kurs der Krone damit stabil sei. Zwischen Auslandinvestitionen und Handelsdefizit kann sogar ein direkter Zusammenhang bestehen, wenn nämlich ausländische Firmen hier Produktionsstätten einrichten und dafür Technologie importieren. Ob Grund zur Beunruhigung besteht, wird sich laut der Fachwelt in ein paar Monaten zeigen. Gewisse Anzeichen sind dabei vorhanden. Die Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny zitierte den Analytiker David Marek von Finanzhaus Patria Finance, der darauf hinwies, dass das Defizit für den Dezember 2000 24 Milliarden Kronen betragen habe und damit der höchste Monatswert überhaupt registriert worden sei. Josef Kovalovsky von der Grossbank CSOB meinte, wenn dieser Trend anhalten sollte, könne die Handelsbilanz bald wieder zum Hauptproblem der tschechischen Wirtschaft werden. Vorläufig rechnet die Fachwelt aber damit, dass der Minusbetrag heuer nicht höher ausfallen sollte als im vergangenen Jahr.

Autor: Rudi Hermann
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