I. Winter-Kinderolympiade soll in Tschechien neue Perspektiven schaffen
Im heutigen Sportreport macht Sie Lothar Martin mit einer sportlichen Großveranstaltung bekannt, die bei jungen Nachwuchsathleten einen lang gehegten Traum verwirklichen lässt und die dem tschechischen Sport der Zukunft eine ganz neue Perspektive geben könnte.
Im Sport sind die Olympischen Spiele wohl das Größte, was man erleben kann, sowohl als Sportler als auch als Zuschauer. Wegen ihrer ungeheuren Dimension, was die Logistik und die Finanzierung anbelangt, finden sie nur aller vier Jahre statt. Aber gerade das erhöht noch ihren Wert. Und so hat eigentlich jeder Leistungssportler immer den Traum vor Augen, zumindest einmal an einer Olympiade teilzunehmen, sofern seine Sportart olympisch ist. Der olympische Traum wird oft bereits im Kindesalter geträumt, doch leider ist er für die meisten der Sport treibenden Talente in der Regel schon zu Ende, bevor seine Verwirklichung in greifbare Nähe rückt. Für viele junge Sportler bleibt er also ein unerfüllbarer Traum und nicht selten endet ihr sportliches Engagement mit einer Enttäuschung. In Tschechien aber wird diese Enttäuschung jetzt auf ein Minimum reduziert, da man sie hierzulande inzwischen eingeführt hat - die Kinderolympiade. Im Juni vergangenen Jahres erlebte sie mit der im Landkreis Pardubice/Pardubitz ausgetragenen Sommer-Kinderolympiade ihre Premiere, in dieser Woche zieht ihre "kältere Ausgabe" nach. Denn vom 15. bis 20. Februar finden in Mladá Boleslav und Albrechtice die Wettkämpfe zur I. Winter-Kinderolympiade der Tschechischen Republik statt. Am Start sind rund 800 Kinder aus elf der insgesamt 14 Landkreise, die in zehn Sportarten um die begehrten Medaillen kämpfen. Wie viele Medaillen insgesamt vergeben werden, dazu erklärte Radio Prag gegenüber Roman Jaros, der Cheforganisator des die Olympiade ausrichtenden Mittelböhmischen Kreises:
"Wir führen die Wettbewerbe in zehn Sportarten durch. Hierbei werden insgesamt 92 Medaillensätze vergeben. Diese Medaillen wurden eigens für diese Veranstaltung geprägt und sie sind wirklich schön geworden. Ja, ich denke, sie sind eine würdige Belohnung für die jeweils Besten unter den Kindern, die an dieser Olympiade teilnehmen."
Teilnehmer sind die Kinder der fünften bis neunten Klassen der Grundschulen aus elf tschechischen Landkreisen. Nicht gemeldet haben lediglich die Landkreise Böhmisch-Mährische Höhe (Vysocina), Olmütz (Olomouc) und Mährisch-Schlesien (Moravskoslezský) "aus Gründen, die wir respektieren müssen", sagte mir Roman Jaros. Für die besten Jungsportler dieser Kreise mit Sicherheit eine Enttäuschung, denn ihnen blieb das riesige Erlebnis verwehrt, das am Sonntag im städtischen Stadion von Mladá Boleslav/Jungbunzlau über die Bühne ging: dass feierliche Eröffnungszeremoniell der Spiele. Und zwar mit allen "Zutaten", wie es sich für eine richtige Olympiade gehört, wir mir Jaros schilderte:
"Das Stadion war so gut wie ausverkauft, wenn auch nicht bis auf den letzten Platz. Aber ich schätze mal, es waren 2500 Zuschauer zugegen. Das Eröffnungszeremoniell begann genau so wie das einer ´großen´ Olympiade, nämlich mit dem feierlichen Einmarsch der Vertretungen der einzelnen Landkreise. Auch das offizielle Maskottchen der Spiele - ein Schneemann mit einer lodernden Fackel in der Hand - war dabei. Teilnehmer und Schiedsrichter legten den olympischen Eid ab, der Vorsitzende des Tschechischen Olympischen Komitees, Milan Jirásek, wohnte der Eröffnung ebenso bei wie der Landeshauptmann des Mittelböhmischen Kreises, Petr Bendl, der die Olympiade mit der olympischen Grußformel eröffnete. Auch das sich anschließende, zirka einstündige kulturelle Programm hatte ein sehr gutes Niveau, und so denke ich, dass das Zeremoniell einen tief greifenden Eindruck hinterließ. Das wurde mir zumindest durch Aussagen von anderen Teilnehmern bestätigt."
Aber nicht nur die Eröffnung, sondern das ganze Drumherum der Kinderolympiade ist für deren junge Teilnehmer ein riesiges Erlebnis, wie mir gegenüber auch Tomás Záviský, der Delegationsleiter der Vertretung des Landkreises Hradec Králové/Königgrätz, bestätigte:
"Ich denke, ganz bestimmt, denn unsere Kinder sind von dieser Veranstaltung völlig begeistert. Sie nehmen sie als ein bedeutendes Ereignis wahr, da sie ihren Landkreis zum ersten Mal in ihrem Leben als solchen präsentieren, und das in der entsprechenden Kleidung und Ausstattung mit dem Emblem des Kreises auf der Brust. Das motiviert natürlich die Kinder ungemein, für ihren Landkreis das Maximale herauszuholen in der Disziplin, in der sie zum Einsatz kommen."
Um die 65 Mitglieder der Vertretung des Königgrätzer Landkreises einzukleiden, auszustatten sowie die An- und Abreise zu den Wettkampfstätten finanziell rundum abzusichern, stellte die Kreisverwaltung 700.000 Kronen zur Verfügung. Das ist jedoch nur ein geringer Teil dessen, was der Ausrichter der Spiele, der Mittelböhmische Kreis, für die einwöchige Veranstaltung zu schultern hat. Roman Jaros vergaß jedoch nicht den Anteil, den das Nationale Olympische Komitee zur Finanzierung beisteuerte, zu erwähnen:
"Das Tschechische Olympische Komitee hat uns bei der Finanzierung mit 1,8 Millionen Kronen unterstützt. Klar, mit diesem Betrag allein können wir die Olympiade nicht durchführen, denn das Budget für diese Veranstaltung liegt bei rund acht Millionen Kronen (ca. 240.000 Euro). Den Hauptanteil davon trägt der Mittelböhmische Kreis mit drei Millionen Kronen, die weiteren Posten werden durch Sponsorengelder bestritten."
Die Finanzen waren es dann auch, die die Durchführung der I. Winter-Kinderolympiade lange Zeit in Frage stellten. Denn einige Ideen, die in dieses Projekt hineingetragen wurden, waren derart großspurig, um nicht zu sagen größenwahnsinnig, dass die Veranstaltung daran sogar zu scheitern drohte. Allen voran jene, die olympische Flamme wie bei den Erwachsenen in Griechenland entzünden und dann nach Tschechien transportieren zu lassen. Am Ende hat sich die einzig vernünftige Variante, nämlich der olympische Fackellauf durch die elf Teilnehmerkreise durchgesetzt. Gegenüber den Sommerspielen ist die Winterolympiade jedoch logistisch schwieriger zu stemmen, da nur relativ schneesichere Orte für die Austragung der Disziplinen in Frage kommen und in diesen Wintersportzentren um diese Zeit zumeist bereits sehr viele Touristen untergebracht sind. Doch der Mittelböhmische Kreis, der die beste Bewerbung unter fünf Kandidaten vorlegte, traut sich zu, diese Aufgabe zu aller Zufriedenheit zu meistern. Nicht zuletzt ist es die Idee, die hinter der Ausrichtung der Kinderolympiade steckt, die die Veranstalter motiviert, alles zu geben. Roman Jaros erläutert sie mir wie folgt:
"In erster Linie liegt ihr der Gedanke zu Grunde, die Jugend vor einer allzu großen Technisierung ihrer Freizeit zu bewahren, sie von ihren Computern und Videospielen auch einmal wegzulocken. Die andere Seite ist die, dass der Sport für jeden Staat immer noch die größte Werbung in eigner Sache darstellt. Nach wie vor beginnen viele Menschen beim Lesen der Tageszeitungen von hinten, also mit den Sportseiten. Und aus denen ist leider zu entnehmen, dass die Zahl der tschechischen Talente in den letzten Jahren mehr und mehr zurückgegangen ist. Wir wollen mit dieser Olympiade also auch neue Talente entdecken und sie dann fördern, damit sie die Tschechische Republik eines Tages würdig präsentieren werden. Wenn auf diese Art und Weise zugleich Einfluss genommen wird auf die Freizeitgestaltung der Kinder, dann ist das doppelt gut. Je mehr Kinder Sport treiben, umso weniger müssen wir in die Finanzierung von Präventivmaßnahmen gegen negative Erscheinungen wie die Jugendkriminalität oder den Drogenkonsum stecken. Also es zahlt sich aus, das Geld in die Organisation solch sportlicher Wettbewerbe zu investieren, als es für zur Finanzierung der eben genannten Bereiche auszugeben."
Ein hehres Ziel, aber nicht nur das. Denn nicht nur so ganz nebenbei trägt die körperliche Ertüchtigung auch zur eigenen Gesunderhaltung bei. Und mit ihr kann man Träume verwirklichen - für viele ist es ein kleiner Traum, für die Besten der Besten erfüllt sich eines Tages auch der große olympische Traum. Daher kann man diese Veranstaltung nur unterstützen. Von ihrem Gelingen wird auch abhängen, ob es eine zweite Winter-Kinderolympiade in Tschechien geben wird. Geplant ist sie jedenfalls - für das Jahr 2006. Dazwischen, also im kommenden Jahr, wird im Südmährischen Kreis die zweite Sommer-Kinderolympiade ausgetragen. Also dann: Gutes Gelingen und auf ein sportliches Wiederhören heute in 14 Tagen.