Im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (CT) rumort es wieder
Die meisten von Ihnen, meine Damen und Herren, werden sich noch an die bewegten Bilder von vor gut anderthalb Jahren erinnern, als im Öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen CT gestreikt wurde und Zehntausende tschechischer Bürger den Protest der Fernsehredakteure gegen die Leitung des Senders unterstützten. Die Kritik zielte damals in erster Linie auf die politische Beeinflussung des Fernsehens ab, die die Redakteure in dem CT-Direktor verkörpert sahen. Seit acht Monaten steht an der Spitze des Tschechischen Fernsehens ein neuer Direktor - Jiri Balvin. Nach dem jüngsten Urteil eines Prager Gerichts allerdings nicht rechtmäßig.
Doch noch aus einem anderen Grund rumort es bei CT weiter - zwar nicht so offen wie vor anderthalb Jahren während der sog. Fernsehkrise und ohne spürbare Unterstützung der Öffentlichkeit, aber doch merklich. Anlass für uns, in dieser Sendung der jüngsten Entwicklung im Öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen ein wenig auf die Spur zu gehen. Am Mikrophon begrüßen Sie dazu recht herzlich Jakub Liska und Silja Schultheis.
Die Wahl Jiri Balvins zum Generaldirektor des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens vom Oktober letzten Jahres ist ungültig - so das Urteil eines Prager Gerichts aus der vergangenen Woche. Begründet wurde es mit dem Auswahlverfahren, dem die Bewerber auf den CT-Direktorenposten unterzogen wurden und bei dem einige Kandidaten benachteiligt worden seien. Der Anwalt eines dieser benachteiligten Kandidaten hatte daher vor Gericht gegen die Wahl Einspruch erhoben und dem war jetzt stattgegeben worden. Rechtskräftig ist das Urteil allerdings noch nicht. Sollte es das werden, würde dies bedeuten, dass auch alle Entscheidungen, die Balvin in den vergangenen Monaten als CT-Direktor getroffen oder abgesegnet hat, ungültig sind. Die Leitung des Tschechischen Fernsehens kündigte an, gegen das Urteil Berufung einzulegen.
Heftig diskutiert wurde in den vergangenen Tagen die jüngste Entscheidung Balvins, die Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ab September in deutlich veränderter Form zu präsentieren. Die halbstündige Sendung "21" auf dem 2. Kanal, ein sehenswertes und bei den Zuschauern beliebtes publizistisches Nachrichtenmagazin, in der das aktuelle Geschehen von prominenten wie weniger bekannten Studiogästen kommentiert wurde, entfällt künftig, ebenso die Spätnachrichten auf dem 1. Kanal. An ihre Stelle tritt auf dem 1. Kanal, der höhere Einschaltquoten aufweist, von Montag bis Donnerstag die neue Sendung "Nachrichten und Kommentare" mit einer Sendezeit von 23 Minuten, deutlich kürzer als die beiden anderen Sendungen zusammen. Jan Fingerland, Redakteur in der CT-Auslandsredaktion und Initiator eines Protestschreibens gegen diese Änderungen, erkennt darin eine längerfristige Tendenz zu Gunsten von mehr Unterhaltung statt Information:
"Diese Tendenz besteht darin, dass das Tschechische Fernsehen sich in den letzten 1-2 Jahren bemüht hat, die privaten Fernsehsender in der Zuschauerquote einzuholen. Die Themen und ihre Bearbeitung ähneln den Methoden des kommerziellen Fernsehens. Dagegen sind wir bereits früher aufgetreten, aber eher auf der Ebene normaler Redakteure. Das, was ab September geplant ist, ist nicht nur eine Vertiefung dieser Tendenz, sondern eine Übertragung dieser kommerziellen Vorstellung auf das gesamte Programmschema. Das bedeutet weniger kommentierte Nachrichtensendungen - und somit eine Abnahme genau der Sendungen, die das Tschechische Fernsehen als Fernsehen im Dienst der Öffentlichkeit profiliert."Warum ausgerechnet die Sendung "21" abgeschafft werden soll, obwohl sie bei den Zuschauern offenkundig beliebt war, ist auch für Jan Fingerland ein rätselhaftes Paradox:
"Das ist eine Frage, auf die ich nie eine Antwort vernommen habe. Ein alter Bauerngrundsatz besagt, dass man diejenigen Dinge ändert, die nicht funktioniert. Die Sendung "21" funktionierte, hatte ein Zuschauerquote zwischen 2-5%, was für Sendungen dieser Art vergleichsweise erfolgreich ist. Als wir vor ca. einem Jahr erstmals von den geplanten Programmänderungen erfahren haben, hieß es, dass die Abschaffung von "21" zugunsten einer längeren Nachrichtensendung auf dem 1. Kanal von CT erfolgt. Und deshalb waren wir bereit, die "21" zu opfern. Nun hat sich gezeigt, dass diese neue Sendung kürzer sein soll."
Dass an den Redakteuren vorbeigeplant wurde, ist ein weiterer Kritikpunkt in dem Protestschreiben, das neben Jan Fingerland die gesamte CT-Auslandsredaktion unterzeichnet hat. Die Leitung des Tschechischen Fernsehens hielt dem indes entgegen, dass die Redakteure genügend Möglichkeit hatten, sich an der Programmplanung zu beteiligen.
Unter der Überschrift "Kampf im Augiasstall" brachte der Publizist Vladimir Bystrov in der Zeitung "Lidove noviny" vom 6. August das Dilemma des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens wie folgt auf den Punkt:
"Es gibt für den Nachrichtensektor offensichtlich keine moralische, gesellschaftspolitische oder kulturelle Strategie. Das Bild vom Zustand der Welt ist häufig zufällig, konfus und deformiert. Diese Konzeptlosigkeit und zufällige Auswahl ist die Folge von Dilettantismus, mangelnder Bildung und Oberflächlichkeit der Redakteure, sowohl der alten, müden Matadore als auch der jungen halbgaren die den Journalismus nur als Projektionsfläche für ihre eigene Weltanschauung verstehen"
Bezugnehmend auf die jüngsten Entwicklungen im Tschechischen Fernsehen kommt Bystrov dann weiter zu dem Schluss:
"Wenn im Tschechischen Fernsehen wirklich erneut Krieg ausbricht, wird das diesmal ein Krieg im Augiasstall sein. Und wenn dadurch dieser Augiasstall ein wenig gereinigt wird, kann das nur zum Wohl aller sein"
Jan Fingerland aus der CT-Auslandsredaktion ist indes skeptischer, was die Möglichkeit eines weiteren Aufstandes oder Streiks im Tschechischen Fernsehen angeht:
"Ich denke, die jetzige Situation gleicht nicht der sprichwörtlichen Ruhe vor dem Sturm, wie mitunter in den Zeitungen spekuliert wird. Ich glaube nicht, dass es zu einem Streik kommt. Eher meine ich, dass die Leute bei uns eher genervt und müde sind. Wir haben große Hoffnungen in die sog. Fernsehkrise im vorletzten Winter gelegt, uns ist bewusst, dass wir nicht unendlich streiken können. Jetzt sind andere Kräfte am Zug als die Redakteure selbst."