Kultur in allen Spielarten: Fernsehsender ČT art feiert zehnjähriges Jubiläum
Der Kultursender des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens (ČT) feiert sein zehnjähriges Jubiläum. Seit dem 31. August 2013 berichtet ČT art täglich von großen und auch kleinen kulturellen Ereignissen im Land, überträgt Konzerte weltweit erfolgreicher Orchester und Bands, sendet Filmklassiker und produziert Dokumentationen. Parallel dazu baut sich auf der Website des Senders ein einmaliger Fundus an Kunst- und Kulturthemen auf. Der runde Geburtstag wird mit einem Sonderprogramm in der ersten Septemberwoche gefeiert. Zudem gibt es den ganzen Herbst über eine Reihe neuer Exklusivproduktionen.
ČT art scheint auch nach zehn Jahren noch das Prestigeprojekt des Tschechischen Fernsehens zu sein. Allein visuell hebt es sich mit einer minimalistischen Schwarzweißästhetik deutlich von den anderen Programmen ab, gibt sich progressiv und mutig. Und auch die Inhalte stehen für Niveau und Anspruch. Oder wie es der geschäftsführende Direktor, Tomáš Motl, im Interview mit Radio Prag International formuliert:
„ČT art ist ein einzigartiges Projekt. Denn keine andere TV-Station im Land hat Kultur in einem solchen Umfang und in einer solchen Qualität im Programm. Dies war auch der Grund, warum der Sender vor zehn Jahren entstanden ist. Kultur war damals zwar ein unverzichtbarer Teil im Programm des Tschechischen Fernsehens. Sie wurde aber nur sehr unregelmäßig und in den Nachtstunden gezeigt.“
Nun aber seien solche Inhalte alle an einem Ort zu finden, fügt Motl hinzu. Dieser eine Ort ist allerdings immer noch eine Nische. Das macht schon das Sendeschema deutlich. ČT art teilt sich den Kanal mit dem Kindersender des Tschechischen Fernsehens, genannt Déčko. Das Programm für die Kleinen läuft ab sechs Uhr morgens und wird um 20 Uhr von der Kultur abgelöst. ČT art beendet seine Sequenz dann kurz vor halb sechs Uhr morgens. Trotz dieser begrenzten Präsenz habe der Sender aber eine gefestigte Position, betont Motl:
„Bedeutung hat ČT art nicht nur im Inland, sondern ebenfalls im internationalen Kontext. Denn reine Kultursender gibt es auch in Europa nicht viele. Sofern sie existieren, wie etwa Arte in Deutschland und Frankreich oder BBC4 in Großbritannien, haben sie im Gegensatz zu ČT art eine absolut unvergleichbare finanzielle Absicherung. Trotzdem belegen wir aber einen ähnlichen Anteil auf dem einheimischen Medienmarkt wie diese in ihren Ländern.“
Französisch-deutscher Sender Arte als Inspiration
Damit benennt der Direktor mit Arte schon selbst den ähnlich konzipierten Sender, der vor zehn Jahren ganz offensichtlich Inspiration für das tschechische Projekt war. Das französisch-deutsche Programm sei thematisch allerdings viel breiter gestaltet, räumt Motl ein und verweist etwa auf Reiseberichte sowie kulinarische oder politische Sendungen, die es so bei ČT art wiederum nicht gebe. Der Sendername sei allerdings bei Arte nicht abgeguckt worden…
„Wir haben damals einen Namen für unseren Kanal gesucht, der in einem kurzen Wort ausdrücken sollte, worum es geht – ähnlich wie etwa bei ČT sport. Die Bezeichnungen ČT kultura oder ČT umění (Kunst, Anm. d. Red.) hätten nicht so gut gewirkt. Aber ‚art‘ klingt passend und sieht auch graphisch gut aus. Allerdings könnte dieser Name im Tschechischen auch vermuten lassen, dass es sich bei ‚art‘ nur um Hochkultur handle. Hierzulande bedeutet der Begriff oft, dass sich dafür nur eine kleine Gruppe von Feinschmeckern interessiert. Aber so ist es bei unserem Sender nicht.“
Bei ČT art würde Kultur in einem breiten Spektrum begriffen, sagt der geschäftsführende Direktor. Und da käme man auch nicht an alternativer Kunst vorbei. Bestes Beispiel dafür sei, so Motl, die gerade neu produzierte Dokumentarserie „Muzikantky“ (Musikantinnen). Sie ist eine jener Programmneuheiten, mit der das zehnjährige Senderjubiläum gefeiert wird. Jede der acht Folgen stellt ab 13. Oktober immer drei Künstlerinnen vor, die in Tschechien ihren Wirkungsort haben und einem breiten Publikum oft nicht bekannt sind.
Bei der Pressekonferenz zum Jubiläum vergangene Woche in Prag berichtete Veronika Slámová, Creative Producer von „Muzikanty“, dass es zunächst Bedenken gab, ob überhaupt 24 interessante Künstlerinnen gefunden werden könnten. Mittlerweile wisse man aber von so vielen, dass eine zweite Staffel nötig wäre. Und die Regisseurin und Drehbuchautorin Dagmar Smržová ergänzte:
„Es gibt viele Musikantinnen. Wir wollten erstmal einen Überblick gewinnen und erfahren, wie sie leben. Die Serie bietet nun eine Art Feuilleton über die 24 Musikerinnen und Songwriterinnen. Dabei wollten wir die Sicht der Zuschauer einnehmen – ich hoffe, das ist uns gelungen. Jedenfalls nehmen wir kein Blatt vor den Mund und erzählen frei von diesen Mädels.“
Zur Auswahl der Protagonistinnen fügte die Regisseurin an:
„Bedingung war, dass sie schöpferisch tätig sind. Es handelt sich um Frauen, die etwas sagen wollen und es auch sagen können. Dazu mussten sie nicht unbedingt gleich etwas vorspielen. Letzten Endes haben sie für uns aber alle ihre Musik vorgetragen, auf Akkordeon, Gitarre oder Klavier. Das machen sie hervorragend. Die Serie ist also eine tolle Übersicht von Frauen, die wunderbare Dinge können. Dies gab es in Tschechien bisher nicht. Einen Zyklus dieser Art, also über junge Musikantinnen, hatten wir noch nicht.“
Spontane und zivile Atmosphäre
Damit spricht Smržová ein wichtiges Charakteristikum von ČT art an – dass dort nämlich der Mut für neue und ungewöhnliche Themen vorhanden sei. Ähnlich sieht es Eva Turnová, eine der 24 porträtierten „Muzikantky“. Sie spielte viele Jahre Bass bei The Plastic People of the Universe, tritt mit ihrer eigenen Band Eturnity auf und schreibt humoristische Kurzgeschichten, die sie unter anderem in einer Glosse beim Tschechischen Rundfunk vorträgt.
Turnová lobte im Gespräch mit Radio Prag International den weiten Horizont von ČT art und nannte die Dreharbeiten zu „Muzikantky“ ein „wirklich schönes Erlebnis“:
„Daša Smržová ist eine sehr eigentümliche, intelligente Regisseurin. Sie hat mich zwar nicht gerade nach ungewöhnlichen Dingen gefragt. Aber mit ihrer besonderen Art bewirkte sie, dass ich Antworten hervorgrub, die ich so noch nie gesagt habe. Wir hatten entschieden, die Dreharbeiten nicht bei mir in der Wohnung zu erledigen, sondern in meinem Wochenendhaus auf dem Land. Ich bin gespannt, wie die Dorfbewohner auf die Serie reagieren werden. Normalerweise schleichen sie nämlich eher um mich herum, weil ich eine Art Sonderling in dem Dorf bin.“
Für solche Sonderlinge hat man bei ČT art ein besonderes Herz, und darum fühlt sich Eva Turnová nach eigenen Worten dort auch gut aufgehoben…
„Bei diesem Sender herrscht eine sehr spontane, zivile Atmosphäre. Es ist nicht so steril oder hölzern, wie ich es bei Auftritten bei anderen Stationen empfunden habe. Vielmehr fühlt man sich relaxt, und darum fallen einem im Interview dann auch Dinge ein, die man gar nicht vorbereitet hatte. Das gilt ebenso für die Senderführung, und deren Art wirkt sich eben auf die einzelnen Teams aus. Zusammen sind sie eine sehr angenehme Truppe.“
Auch Direktor Tomáš Motl spricht von ČT art als ein Zusammenwirken verschiedener Elemente, die ein großes Ganzes ergäben. Und dazu gehöre untrennbar auch der Webauftritt des Senders. Diesen präsentierte auf der Jubiläumspressekonferenz die Managerin des Zentrums für die Dramaturgie der neuen Medien beim Tschechischen Fernsehen, Štěpánka Sunková. Das Team hinter der Homepage art.ceskatelevize.cz sei mit drei festen Redakteuren und einigen Videoeditoren zwar eher klein, schildert die Onlineexpertin. Zum zehnten Geburtstag würden aber trotzdem mehrere spezielle Projekte umgesetzt:
„Im Herbst erwartet uns die Reihe ‚Kaskadérky‘ (zu Deutsch: Draufgängerinnen, Anm. d. Red.), die den ‚Muzikantky‘ sehr ähnlich ist. Dabei handelt es sich um eine Podcastserie über Frauen aus Kunst und Kultur, die um die Jahrtausendwende herum geboren wurden – junge Gesichter also. Des Weiteren wird es ‚Vrstvy města‘ (zu Deutsch: Schichten der Stadt, Anm. d. Red.) geben, eine Onlineserie, die Prag anhand seiner verschiedenen Bewohner erforscht. Dabei schauen wir, wie es sich auf der Prager Kleinseite wohnt oder auch wie hier Menschen ohne Obdach leben.“
Homepage bietet reichen Fundus an Kulturthemen
Außerdem empfehle sie noch einmal, sich eine Sonderproduktion aus dem Sommer anzusehen, so Sunková. Gemeint sind die sogenannten „Artoulky“, also Kunststreifzüge, bei denen Schauspielerinnen und Schauspieler den Zuschauer an einen wichtigen Drehort ihrer eigenen Filmografie führen. Damit verweist Sunková auf die Archivfunktion, die der Webauftritt von ČT art inzwischen erfülle:
„Onlineinhalte konsumiert man zwar auf einem kleineren Bildschirm, als das beim Fernsehen der Fall ist. Aber sie haben den Vorteil, dass man auch rückwirkend alles findet. Die Dinge bleiben also erhalten. Das kann natürlich auch schädlich sein. Aber in unserem Falle hoffe ich doch, dass es eher von Nutzen ist. Unsere Website ergänzt das TV-Angebot. In diesen vielen Jahren hat sich eine Menge toller Inhalte angehäuft, die einen Überblick geben, was alles in der tschechischen Kulturszene passiert.“
Und täglich kommt mehr hinzu – so wie es auch jeden Tag ab 20 Uhr auf ČT art um nichts als Kultur geht. Bleibt noch die Frage, ob nach einem Jahrzehnt nicht auch die Ausweitung der Sendezeit erwogen wird? Tomáš Motl seufzt, dass diese Frage seit der Gründung von ČT art immer wieder gestellt und diskutiert werde. Ausschlaggebend sei aber eine dauerhafte Finanzierung…
„Und dann müsste aber auch überlegt werden, was der Kinderkanal am Abend senden würde. Jetzt lösen wir Déčko ja ab, wenn die Kinder schlafen gehen. Das sind alles legitime Fragen. Aber die wichtigste bleibt, wie das Geld dafür aufgebracht wird. Ideen, was mit mehr Sendezeit gemacht werden könnte, gibt es unzählige. Von daher könnten wir das dann auch sehr schnell umsetzen.“