Internationales Projekt eines virtuellen Schul- und Ausbildungsmodells

In der heutigen Ausgabe von "Begegnungen" wollen wir sozusagen den Kreis der Beteiligten über den gewohnten tschechisch-deutsch-slowakischen Horizont ausweiten. Wir werden Ihnen, liebe Freunde, das internationale Projekt eines virtuellen Schul- und Ausbildungsmodells vorstellen, an dem neben der Tschechischen Republik auch Spanien, Finnland, Griechenland und Israel teilnehmen. Am Mikrophon begrüßt Sie Ludmila Clauss.

Das Projekt trägt den Namen School+. Es wurde von den Mitarbeitern der Pädagogischen Fakultät der Universität in Barcelona eingereicht und entworfen - als eines der europäischen Projekte, an dem Universitäten sowie verschiedene Firmen und Gesellschaften aus dem Wirtschaftsbereich zusammenwirken.

School+ wurde offiziell im vergangenen September gestartet. Sein Ziel ist die Erarbeitung und Erprobung eines Systems für die optimale Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in den Schulen. Es soll ein Computernetzwerk, also ein virtuelles Umfeld geschaffen werden, in das die Schulen verschiedene Inhalte und Anwendungen einspeichern, die dann sowohl im Unterricht als auch außerhalb von diesem genutzt werden können. Dabei soll auch eine Basis für die virtuelle Zusammenarbeit zwischen Schulen in verschiedenen Ländern geschaffen werden.

Ein zentraler Punkt des Projekts ist die universelle Einsetzbarkeit eines solchen Netzwerks. Aus diesem Grund hat man dafür - mit Spanien, Tschechien, Finnland, Griechenland und Israel - Länder mit sehr unterschiedlichen Schulsystemen ausgewählt, damit sie vielfältige Erfahrungswerte und Bedürfnisse mit in das Projekt einbringen. Wir unterhielten uns mit Frau Dr. Miroslava Cernochova von der Pädagogischen Fakultät der Karlsuniversität, die das Projekt in Tschechien betreut.

"Diese fünf Länder vertreten unterschiedliche Kulturen mit einer jeweils unterschiedlichen Geschichte. Und es ist unheimlich interessant zu beobachten, welche Differenzen es dabei z.B. konkret in der Frage der Ausbildung an den Mittelschulen gibt. Man sieht, wie verschieden die Einstellungen in Bezug auf Schule und Lehre sein können. Jedes Land ist im unterschiedlichen Maße für Veränderungen in der Ausbildung offen."

Das Projekt School+ will einige Modifikationen in der schulischen Lehre entwerfen und erproben. Wie eingangs schon gesagt, soll ein Umfeld innerhalb der Computernetzwerke erarbeitet werden, welches man zu Ausbildungszwecken nutzen könnte. Die Beteiligten sollen über Computer immer und überall Zugang zu dem System haben. Damit soll die örtliche- und zeitliche Abhängigkeit zur Schule aufgehoben werden. Die Kommunikation zwischen Schülern, Lehrern und Eltern soll vereinfacht werden. So ein Bildungsprogramm auf der Basis von Informationstechnologien will die altbewährten Organisationsstrukturen der heutigen Schulen nicht ersetzen. Das Anliegen des Projekts ist vielmehr das Alte mit dem Neuen zu verbinden, so dass die Schüler das nötige Wissen und die Fähigkeiten für die zukünftige Informationsgesellschaft vermittelt bekommen. Frau Dr. Cernochova bekräftigt:

"Selbstverständlich wird das Umfeld anhand der Forderungen und Bedürfnisse der Schulen entwickelt, getestet und überprüft, so dass es für die Schulen keinen Fremdkörper in der Realisierung von Ausbildungszielen darstellt. Die Teilnehmer des Projekts sind deshalb nicht nur die Wissenschaftler an den Hochschulen, die das Projekt entwickeln, sondern auch Schüler und ihre Lehrer sowie die Eltern.

In der ersten Phase des Projekts wurden zunächst zahlreiche Diskussionen und Umfragen mit den Beteiligten an den sogenannten Pilotschulen durchgeführt. Die Ergebnisse der Bestandsanalysen werden an diesem Wochenende bei einem Treffen der Teilnehmer in Griechenland präsentiert und besprochen. Sie werden die Grundlage für den Entwurf des sogenannten School+ Umfeldes bilden. Mit welchen Erkenntnissen fahren die tschechischen Vertreter nach Griechenland? Dazu noch einmal Frau Dr. Cernochova:

"Wir waren angenehm überrascht, dass die Schüler ihre Schule, in der sie tagtäglich ihre Mitschüler, Freunde und Lehrer treffen, nicht für eine Art virtueller Schule eintauschen würden. Nichtsdestotrotz haben sie eine Reihe an Vorschlägen und Vorstellungen, was sich in der Schule verändern könnte und wie man z.B. die Computertechnik besser in die Ausbildung einbeziehen sollte. Wir haben festgestellt, dass auch die Lehrer gar nichts gegen Veränderungen in der Schule hätten, auch nichts gegen einen verstärkten Einsatz von Computern im Unterricht. Allerdings gibt es hier noch eine Reihe von Faktoren wie z.B. den Grad der technischen Ausstattung an der Schule oder das Vorhandensein von guter Software, die das erschweren".

Die zunächst einzige tschechische Pilotschule in dieser Phase des Projekts ist das Salda-Gymnasium im nordböhmischen Liberec/Reichenberg. Wir fragten die Direktorin Irena Pradna, was sie sich von der Teilnahme am Projekt School+ verspricht.

"Das Ausprobieren weiterer Möglichkeiten, weil es wahnsinnig zeitaufwändig ist, die ganzen Programme und Systeme in Eigenregie zu erarbeiten. Oft experimentieren wir einfach nur, weil uns die Erfahrung fehlt. Dank des Projekts können wir vielleicht in Zukunft von den Erkenntnissen anderer Schulen aus anderen Ländern profitieren. Die Tendenz des Projekts School+ ist eben die, ein allgemeines Umfeld zu erarbeiten, das nicht nur an den konkreten Schulen genutzt werden könnte, sondern das ein System wäre, welches jede Schule übernehmen und ihre Inhalte darin einbauen könnte."

Das Projekt School+ geht von der folgenden Vorstellung der virtuellen Schule aus: Der Nutzer logt sich im Computer ein und landet direkt in der Empfangshalle der Schule. Von da aus führen ihn Türen zu verschiedenen Schulräumen, z.B. zu den Klassenzimmern, zum Lehrerzimmer, zur Bibliothek. Wenn man diese Türen anklickt, kann man verschiedene Arbeits-Möglichkeiten in Anspruch nehmen, und das in Abhängigkeit davon, wie viele Zugangsrechte man als Nutzer besitzt. Denn es gibt verschieden Nutzergruppen - Schüler, Lehrer, Eltern und die Verwaltung - und diese haben jeweils entsprechende Zugangsrechte.

So kann sich zum Beispiel ein Schüler von seinem PC aus in das virtuelle Klassenzimmer begeben. Hier hat er Zugang zu seinem Schreibtisch, wo er sich z.B. über die täglichen Pflichten und Aufgaben informieren kann. Zudem kann er auch seine Noten überprüfen, er kann von seinem Computer aus die fertiggestellten Hausaufgaben dem Lehrer übersenden und vieles andere mehr. Die Nutzergruppen können untereinander und miteinander kommunizieren - mit Hilfe der aus dem Internet bekannten Einrichtungen wie Chat oder e-Mail.

Und was halten die Schüler von der Möglichkeit, eine virtuelle Schule zu besuchen? Andrea Maryskova sagte uns, stellvertretend für die Schüler des Salda-Gymnasiums:

Also nicht nur die virtuellen, sondern vielmehr die realen, echten Begegnungen sind auch weiterhin erwünscht. Eine wichtige Erkenntnis, nicht nur für die Projektentwickler.

Autor: Ludmila Clauss
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